Vogelwarte Sempach
Der König ist Schlusslicht
Es ist ein riesiges Projekt: Vier Jahre lang zählte die Vogelwarte Sempach mit Hilfe vieler Freiwilliger die Vögel der Schweiz. Am häufigsten wurde der allseits bekannte Buchfink notiert, die «Verlierer» sind am Boden nistende Vögel wie der Wachtelkönig.
Ob im Wald, im Park oder auf dem Baum vor der Haustüre – überall zwitschert es im Frühling und Sommer. Kaum vorstellbar, dass man Vögel zählen kann. Die Vogelwarte Sempach hat es mit der Hilfe vieler Freiwilliger dennoch getan: Über vier Jahre hinweg meldeten Vogelkundlerinnen und Vogelkundler über zwei Millionen Beobachtungen, erfassten 750 000 Reviere. Beides liefert wichtige Angaben zum Zustand der Schweizerischen Vogelwelt und zeigt auf,
wo Schutzmassnahmen am dringendsten benötigt werden. Die Daten müssen noch ausgewertet werden, aber einiges steht jetzt schon fest. «Der häufigste Brutvogel der Schweiz ist der Buchfink», erzählt Projektleiter Peter Knaus. «Nach unten ist die Skala praktisch offen. Ein Schlusslicht ist aber auf jeden Fall der Wachtelkönig, von dem es nur noch etwa 30 bis 70 Brutpaare gibt.»
Der Wachtelkönig war früher im ganzen Mittelland sowie in den grösseren Jura- und Alpentälern verbreitet. Heute kommt er praktisch nur noch in höheren
Lagen, vor allem im Unterengadin, und in einzelnen Jahren in Schutzgebieten vor. Er gehört zu den am Boden nistenden Arten, denen es grundsätzlich am schlechtesten geht. Einer der Hauptgründe dafür ist die intensivierte Landwirtschaft. Wiesen werden nicht nur gedüngt, sondern auch öfter und früher gemäht. «Um ein Nest zu bauen, die Eier auszubrüten und die Jungen bis zur Selbstständigkeit zu bringen, bräuchten die Vögel sieben bis acht Wochen Zeit», sagt Knaus. «Meist werden die Wiesen aber in etwa doppelt so schnellem Rhythmus geschnitten.» Als Förderungsmassnahme werden mit Landwirten, bei denen Wachtelkönige rufen, Verträge ausgehandelt, dass die Wiesen erst später gemäht werden.
Ein weiteres Problem sind zu wenige Insekten, Spinnen und andere Kleintiere, die in intensiv bewirtschafteten Gebieten ebenfalls kaum eine Lebensgrundlage finden. Sie aber brauchen die Wachtelkönige als Nahrung. Da haben es die Spitzenreiter – die Buchfinken – leichter. Sie ernähren sich grösstenteils von Körnern und Sämereien und sind weit weniger anspruchsvoll, was den Lebensraum betrifft. Knaus: «Sie kommen in Wäldern, Parks und im Siedlungsgebiet vor. Ein paar Bäume, dann sind sie schon mehr oder weniger zufrieden.»