Mukoviszidose
«Wir lieben einfach gegen die Krankheit an»
Eine Entscheidung aus Liebe, gegen alle Vernunft: Barbaras Mann Markus leidet unter Mukoviszidose. Die beiden Schweizer wissen, dass sie wohl nicht gemeinsam alt werden. Sie leben ihr Glück heute und geniessen jeden Tag miteinander.
Die grosse Liebe? Eine eigene Familie? Kinder? «Selbst den Gedanken daran hatte ich längst aufgegeben», sagt Markus Hänni (37) aus Bern. Er hat Mukoviszidose, ist unheilbar krank. Doch dann trifft er Barbara (30). Die beiden lernen sich 2009 in ihrer Kirchgemeinde kennen. Sie unterhalten sich, er erzählt auch von seiner Krankheit. «Ich bin ausgebildete Pflegefachfrau und habe zufälligerweise meine Abschlussarbeit über Mukoviszidose geschrieben. Ich wusste also, was die Diagnose bedeutet», erzählte sie in «Bild der Frau».
Bei der angeborenen Stoffwechselerkrankung sind die Körpersekrete zu dickflüssig, viele Organe können nicht richtig arbeiten. Infektionen und Spital-Aufenthalte gehören zum Alltag. Betroffene sind manchmal so schwach, dass sie kaum das Bett verlassen können. Die Lebenserwartung liegt im Schnitt bei 40 Jahren. Aber daran denkt Barbara kaum, wenn sie Markus trifft. «Ich habe ihm die Krankheit gar nicht angemerkt. Sondern nur einen faszinierenden, kreativen und supernetten Typ gesehen.» Auch Markus mag die quirlige Barbara auf Anhieb.
Die beiden verlieben sich langsam ineinander. Barbara macht sich Gedanken, wie das Leben mit einem chronisch Kranken sich entwickeln würde. Doch die Gefühle sind so stark, dass das Paar vor zweieinhalb Jahren vor den Traualtar tritt.
Zunächst kämpfen sie mit Schwierigkeiten. Bei Ferien in London verabschiedet sich Markus oft überraschend ins Hotel, um seine Atemtherapie zu machen oder sich einfach nur auszuruhen. Und lässt Barbara enttäuscht zurück. «Ich musste erst lernen, ihr offen zu sagen, wie es mir geht», sagte er zu «Bild der Frau». «Dass ich nicht mit ihrer Kraft mithalten kann.» Barbara ergänzt: «Und ich musste verstehen, dass, allein am Leben zu bleiben, ihn oft schon alle Kraft kostet.»
Trotz all dieser Herausforderungen sprechen Barbara und Markus irgendwann über Kinder. Können sie das wagen? Die Entscheidung fällen sie erst nach vielen Gesprächen und medizinischen Untersuchungen – als klar ist, dass das Baby die Krankheit nicht erben wird. «Und als mein Arzt die Prognose stellte, dass ich den 18. Geburtstag unseres Kindes noch erleben werde», sagt Markus glücklich.
Durch künstliche Befruchtung werden Barbara und Markus im August 2015 Eltern – von Zwillingsmädchen. Endlich eine Familie! Wenn auch keine alltägliche. Barbara geht morgens zur Arbeit, Markus und die mittlerweile zweijährigen Töchter bleiben zu Hause. Nach dem Frühstück hat er jeden Tag eineinhalb Stunden Therapie. Inhalieren, Atem- und physiotherapeutische Übungen, Medikamente nehmen. Währenddessen betreut ein Kindermädchen die Zwillinge.
«In den Kinderhort können sie nicht», erklärt Barbara. «Das Risiko, dass sie ständig Infekte nach Hause bringen, wäre zu gross.» Infekte, die ihren Papa für Wochen ins Spital bringen würden.
«Barbara und die Mädchen sind mein ganzes Glück», sagt Markus. «Meine Frau und ich lieben einfach gegen die Krankheit an.» Vielleicht könne er seinen Töchtern nicht das bieten, was andere Väter können. «Aber ich werde ihnen Liebe mitgeben. Einen ganzen Rucksack voll mit Liebe.»
Buchtipp
Barbara und Markus Hänni: «Weil jeder Atemzug zählt», adeo Verlag, Fr. 26.50.