Vanessa starb bei einem Dschungel-Guru
Ein Staatsanwalt ermittelt gegen einen Schamanen vom Amazonas. Denn der soll mitschuldig am mysteriösen Tod einer jungen Frau sein.
Vanessa (20) reiste bis nach Südamerika, weil sie hoffte, dass ihr ein Schamane im Dschungel helfen könnte. Aber die junge Frau mit den blauen Augen starb am Amazonas. Und seit Jahren weigert sich die Staatsanwaltschaft Cottbus (D), Vanessas Mutter zu sagen, was in den Ferien wirklich geschah.
Seit ihrem 13. Lebensjahr litt Vanessa an Epilepsie. Die Mutter, Solveig Jäckel (50), die im öffentlichen Dienst arbeitet, sagt der «Bild am Sonntag»: «Wir haben alles versucht, waren bei vielen Ärzten und Heilpraktikern. Keine Therapie und kein Medikament hat geholfen.» Die Anfälle kamen immer häufiger. «Ich habe nach alternativen Behandlungen gesucht. So bin ich auf Don Agustin Vasquez gestossen», erzählt die Mutter weiter.
Auf seiner Webseite bietet der selbst ernannte Meister-Schamane die Heilung «selbst schwerster Erkrankungen» mit Hilfe von Lehmbädern und spirituellen Zeremonien an. Dabei wird in seinen Urwald-Camps in Peru der halluzinogene Pflanzensud Ayahuasca, der aus den Blättern einer Lianenart hergestellt wird, verabreicht. Die natürliche Droge ist umstritten, in den meisten europäischen Ländern verboten.
«Ich habe Vanessa bei ihrer ersten Reise nach Peru sogar noch begleitet», sagt Solveig Jäckel. Drei Wochen verbrachten sie im August 2018 am Amazonas, zahlten dafür umgerechnet 5000 Franken plus Flüge. Vanessa trank auch Ayahuasca. «Als wir zurückkamen, ging es ihr zunächst besser. Sie war ganz euphorisch.» Deswegen reiste Vanessa Anfang Januar 2019 erneut nach Peru. Diesmal verlangte der Schamane 1500 Franken pro Woche.
Am 30. Januar 2020 klingelte bei Solveig Jäckel das Telefon. «Eine Frau sagte mir, Vanessa sei tot», erinnerte sie sich. Ihre Tochter sei vor ihrer Pfahlhütte im Camp Yushintaita in einem Amazonas-Seitenarm ertrunken. Eine andere Kursteilnehmerin habe sie gefunden. Die Tote wird nach Deutschland überführt, die Staatsanwaltschaft Cottbus beschlagnahmt den Leichnam, leitet ein Todesermittlungsverfahren ein. Solveig Jäckel: «Die Gerichtsmedizin hat Proben für ein toxikologisches Gutachten entnommen. Seitdem habe ich nichts Neues erfahren. Ich weiss bis heute nicht, was Vanessa passiert ist. Das macht mich fertig.»
Für die Mutter steht fest, dass der Schamane für den Tod ihrer Tochter mitverantwortlich ist. Sie hat ihn u. a. wegen fahrlässiger Tötung angezeigt. Mehr als zwei Jahre sind seit Vanessas Tod vergangen. Und niemand bei der Staatsanwaltschaft Cottbus sieht eine Veranlassung, der Mutter zu sagen, wie und warum ihr Kind gestorben ist.
Ein Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis der Familie will sich jetzt für die Mutter einsetzen und mit der Justizministerin über den Fall reden. Der zuständige Oberstaatsanwalt erklärte, dass gegen einen Täter der Tatverdacht der fahrlässigen Tötung bestehe. Die Ergebnisse der Gerichtsmedizin lägen mittlerweile vor. Die Frage des Abschlusses der Ermittlungen hänge davon ab, inwieweit es noch weiterer Erhebungen bedürfe. Das werde zurzeit geprüft.
Ist dieser Tatverdächtige der Schamane? Was hat er getan? Und wird er je zur Verantwortung gezogen? Fragen, die die Staatsanwaltschaft der trauernden Mutter beantworten muss.