Todkranker Junge von Mitschülern verprügelt
Sie wollten angeblich nur mal sehen, «ob Einar wirklich stirbt»: Eine herzzerreissende Geschichte über einen Teenager, den der Lebensmut verlassen hat.
Von Jens Schwarck und Max Boeddeker
Das junge Leben von Einar (13) war schon immer ein einziger Kampf. Denn Einar ist todkrank, er wurde mit einer Reihe von Organfehlbildungen geboren. Trotzdem gab Einar nie auf, kämpfte sich immer wieder ins Leben. Bis jetzt. Denn drei Mitschüler misshandelten ihn in der Schule so schwer, dass er seinen Lebensmut verlor.
Sittensen (D), 9. Mai 2022: In einer kurzen Pause wird Einar in der Ostetalschule von einem Mädchen und zwei Buben seiner Klasse auf dem Flur angegriffen. Sie schubsen den schwer kranken Einar. Der will flüchten, doch gegen die drei Klassenkameraden hat der schmächtige Junge keine Chance. «Ist es wahr, dass du stirbst, wenn wir dich schlagen?», sollen die Angreifer gefragt haben.
Einar, der nach einer Niereninsuffizienz einen Blasenkatheter trägt und dessen Herzleistung nur bei zehn Prozent liegt, ist seinen Angreifern schutzlos ausgeliefert. Das Mädchen soll ihn gezielt in die Nieren getreten und einer der Jungen in den Bauch geboxt haben. Als die Klingel zur nächsten Stunde schrillt, sollen ihn die Jugendlichen noch heftig getreten haben.
Einar schleppt sich in die Klasse. Als ihn ein Lehrer auf seine Verspätung anspricht, redet sich der schwer verletzte Junge raus − er hat Angst vor der Rache seiner Klassenkameraden. Nach der Stunde bittet Einar seine Schulbegleiterin, die sich um den kranken Jungen kümmert, ihn nach Hause zu fahren. Dort legt sich Einar sofort ins Bett und schläft. Die alleinerziehende Mutter Carmen H. (37) sagte der «Bild am Sonntag»: «Ich war total ahnungslos. Nach einem Schultag ist Einar oft kaputt.»
Erst am Abend erzählt er ihr von dem Vorfall. Carmen H. ruft sofort in der Klinik an, spricht mit einem Arzt, der ihr empfiehlt, Einar Schmerzmittel zu geben. Am nächsten Tag fährt Carmen H. mit ihm in die Klinik und wird wegen zu langer Wartezeiten weggeschickt. Erst über eine Freundin bekommt sie einen Termin bei einem Arzt in Itzehoe. Zwei Tage nach dem Angriff – und keine Minute zu früh! Durch die Schläge drohten Einars Nieren zu kollabieren. Lebensgefahr!
Einar wird nun in der Klinik auf einen Eingriff vorbereitet, um die ganze Tragweite der Verletzungen abzuklären. Carmen H. hat Anzeige gegen die drei Mitschüler von Einar erstattet. Schuldisziplinarisch haben die mutmasslichen Angreifer wohl nichts zu befürchten. Das Landesschulamt liess verlauten: «Der Vorfall wurde vollumfänglich mit der Klasse aufgearbeitet.» Unverständlich für Carmen H.: «Sogar auf Klassenfahrt dürfen sie fahren, während Einar hier liegt und grosse Schmerzen hat!» Seit dem Angriff ist nichts mehr, wie es war. Seinen Bruder Aryan (15) plagten Gedanken an Selbstjustiz. Carmen H.: «Carsten Stahl vom Bündnis Kinderschutz hat ihm und uns da sehr geholfen.» Die Sorge um Einar kann ihr jedoch keiner nehmen. Carmen H.: «Einar hat sich aufgegeben, der Angriff hat seine Kraft gebrochen. Er sagt immer wieder, dass er es dieses Mal nicht schaffen wird, weiterzukämpfen.»