Rührend, wie dieser Witwer für seine Kinder kämpft

Die tückische Krankheit ALS raubte den vier Minderjährigen die Mutter. Aber Vater Karl-Heinz hält die Familie zusammen.

Umringt von seinen Kindern sitzt Karl-Heinz Zacher (48) am Küchentisch. Seinen rechten Unterarm ziert das lachende Gesicht seiner verstor-benen Frau. Die Tätowierung stammt aus einer ihrer letzten Ferien. Da war Nina Zacher schon unheilbar an ALS (amyotrophe Lateral­sklerose) erkrankt: einer Nervenkrankheit, die die junge Mutter viel zu früh aus dem Leben gerissen hat.

Alles begann 2011, als Nina (damals 41) Druck im Daumenballen verspürte. Weitere Leiden in den Gelenken und im Rücken folgten. Nach einem wahren Ärztemarathon erfolgte die Schockdiagnose: ALS lähmt die Muskulatur, am Ende auch die Atmung, und führt nach zwei bis drei Jahren zum Tod. 2016 musste die Familie von Nina Abschied nehmen. Da waren die kleinsten der Kinder gerade einmal fünf und sieben Jahre alt.

Und heute? «Der Alltag als Alleinerziehender mit vier Kindern ist schon aufregend», sagt Papa Karl-Heinz gegenüber «Auf einen Blick». Er weiss: «Ich kann ihnen die Mutter nicht wirklich ersetzen.» Aber er gibt sein Bestes: Da müssen Wunden versorgt, Pausenbrote geschmiert und Hausaufgaben geprüft werden. Da sind all die kleinen und grösseren Nöte des Alltags: Probleme im Hort und in der Schule, Streit mit Freunden und Geschwistern. «Früher suchten die Kinder immer bei ihrer Mutter Rat. Heute versuche ich ­zu helfen.» Dabei hilft ein Ritual: Jeden Abend wird gemeinsam ­gegessen.

Neben den zahlreichen Aufgaben im Haushalt kümmert sich Karl-Heinz Zacher um die Gastwirtschaft in München, die er früher zusammen mit seiner Frau führte. Und Vorsitzender der faceALS-Stiftung, die sich für eine bessere Erforschung der Krankheit einsetzt, ist er obendrein. Wie gut, dass alle in der Familie an­packen. «Wir versuchen immer noch, so etwas wie Normalität zu finden.»

Im Haus der Familie gibt es eine Box, in der die Mutter liebevolle Briefe für Luke (9), Helena (17), Lola (7) und Lennart (14) hinterlassen hat. Wie zum Beispiel für Lolas Einschulung, die Nina nicht mehr erlebt hat. «So ist ihre Mama weiterhin präsent.» Und auch sonst wird viel an sie gedacht. Jeden Abend brennt eine Kerze am Tisch für sie. Wenn die Familie auf den Friedhof geht, bringen die Kinder oft etwas Selbstgebasteltes zum Grab.

Als Nina Zacher von ihrer Krankheit erfuhr, fasste sie einen Entschluss: Sie wollte ihre Geschichte aufschreiben, obwohl sie am Ende nur noch mit einem Computer, der ihre Augenbewegungen in Sprache umsetzte, kommunizieren konnte. Sie wollte anderen Mut machen, zeigen, dass man seine Zeit auf der Welt nutzen sollte. Karl-Heinz hat viele ihrer Texte erst nach ihrem Tod entdeckt, als er ihr Buch fertigstellte. «Ich habe erst einmal geschluckt, als ich das alles gelesen habe», sagt der Witwer. Es kostete ihn Überwindung, das zu veröffentlichen. Doch er tat es – auch als Vermächtnis von Ninas Liebe zu ihrer Familie.

Buchtipp

Karl-Heinz Zacher: «Such dir einen schönen Stern am Himmel», Fischer Verlag, Fr. 22.90.