Plötzlicher Krebstod
«Mein Weg aus der Hölle der Depression»
In ihrer Seele war es stockfinster: Nach dem plötzlichen Krebstod ihres Partners zerbricht Antjes ganzes Glück, und sie fällt in ein tiefes Loch.
Sie lacht viel, und wenn sie spricht, leuchten ihre Augen lebhaft. Die 53-jährige Antje aus Leipzig (D) steckt voller Tatendrang: Sie möchte wieder erfolgreich als Maklerin arbeiten, mit ihren drei erwachsenen Kindern verreisen.
Wer Antje so glücklich sieht, ahnt nicht, dass schlimme Jahre hinter ihr liegen. Jahre, in denen ihr nicht nach Lachen und Planen zumute war. Denn Antje war innerlich erstarrt, ihre Seele taub. «Ich habe keine Freude mehr empfunden. Ich habe funktioniert», sagt sie. «Ich hatte so schlimme Depressionen, dass ich zeitweise nicht mehr leben wollte. Aber mit drei Kindern kann man sich nicht aus dem Staub machen. Da muss man einfach weitermachen. Zum Glück habe ich das gepackt.»
Alles beginnt 2004: Damals lebt Antje mit ihrem Partner Harry (†45) schon seit fünf Jahren auf der Ferieninsel Teneriffa. Sie hat sich ein gut gehendes Immobilienbüro aufgebaut. Das Paar wohnt mit den damals drei, zehn und 14 Jahre alten Kindern in einer Villa mit Meerblick. «Es ging uns prächtig», erinnert sich Antje. Doch das Glück zerbricht jäh. Harry fühlt sich plötzlich schlapp, nimmt ab und hustet viel. Der Arzt schickt den sportlichen Mann ins Spital. Dort erfährt er die Schockdiagnose: Lungenkrebs. Sieben Wochen später, im Mai 2004, stirbt er in der Klinik.
«Ich habe versucht, das Erlebte auszublenden und einfach so weiterzumachen wie bisher. Mein Harry war in meinem Kopf einfach nur weggefahren.» Erst Ende 2007, also drei Jahre nach der Katastrophe, realisiert sie, dass er nicht mehr zurückkommt. Damals fällt sie in ein tiefes Loch. «Es war, als ob eine Wasserwand auf mich zukommt und mich verschluckt», erinnert sich Antje. Halt gibt ihr das leere Doppelbett, da fühlt sie sich Harry nah.
Dass sie längst eine handfeste Depression hat, will Antje nicht hören. Der Hausarzt verschreibt ihr Medikamente. Sie lehnt sie ab. In der Notlage erkennt sie immerhin, dass sie etwas ändern muss. Sie bemüht sich, gesund zu leben, merkt aber, es reicht nicht. Als die Eltern krank werden und sie brauchen, nimmt die dreifache Mutter es zum Anlass, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben in der Heimat zu beginnen.
Antje verkauft auf Teneriffa alles, zieht im Sommer 2015 zurück nach Leipzig, in die Nähe ihrer Eltern. Der Neustart ist hart. Sie ist jetzt offen für eine Therapie, kehrt in klitzekleinen Schritten zurück ins Leben. «Ich habe viel über Depressionen gelesen und gemeinsam mit einer Therapeutin einen Weg aus der Erstarrung gesucht.»
Antje setzt dabei auf Bewegung, frische Luft, ein Leben in der Natur. Aber auch auf Auseinandersetzung. «Ich habe vieles mit meinem Harry noch einmal durchlebt, in meinem Kopf auch mit ihm gesprochen und so langsam Adieu gesagt.» Monat für Monat fühlt sie sich kräftiger, sie ernährt sich gesund, nimmt 20 Kilo ab, macht ihren Maklerschein für Deutschland und möchte ein kleines Büro eröffnen.
Heute, 13 Jahre nach dem Schicksalsschlag, hat sie die Depression bezwungen. «In meiner Seele ist wieder Musik», sagt sie. «Ich kann lachen und weinen, schimpfen und loben – und geniessen. Ich lebe!»