Sehnsuchtsziel am Jakobsweg
Santiago de Compostela ist nicht nur ein Reiseziel für Gläubige und Suchende. Die Stadt bietet eine überwältigende Architektur und eine einzigartige Atmosphäre, die alle in ihren Bann zieht.
Auf der Praza do Obradoiro trifft sich die ganze Welt. Das Herz von Santiago de Compostela ist das Sehnsuchtsziel der Pilger. Die einen sind hunderte Kilometer zu Fuss gewandert, und andere sind mit ihrem Velo den Jakobsweg entlanggeradelt. Es ist ein bewegender Moment, wenn die Menschen schliesslich vor der mächtigen Westfassade der Kathedrale stehen, den Rucksack erleichtert aufs Kopfsteinpflaster legen und diesen Augenblick wohl nie mehr vergessen werden. Schon seit Jahrhunderten nehmen Gläubige die Strapazen auf sich, um an diesen mystischen Ort zu gelangen. Im mittleren Turm der barock angehauchten Fassade steht eine Statue des heiligen Jakobus als Pilger und scheint wohlwollend auf sie hinunterzublicken.
Seine Gebeine liegen in der Krypta unterhalb des Hauptaltars der Capilla Mayor in einem silbernen Sarkophag. Die Kapelle mit dem Jakobsgrab ist das eigentliche Wallfahrtsziel. Entsprechend gross ist der Andrang, und auch wir reihen uns in die Warteschlange ein. Davon kann manches Gotteshaus nur träumen. Kurz vor zwölf Uhr sind die meisten Plätze belegt. Dann findet in der Kathedrale die Pilgermesse statt. Wer es bis Santiago de Compostela geschafft hat, lässt sich diese nicht entgehen. Die Dimensionen im Innern der Kathedrale sind gewaltig. Ein 53 Kilogramm schwerer, riesiger Weihrauchkessel (Botafumeiro) wird an Festtagen aus zwanzig Meter Höhe durch das Gotteshaus geschwenkt.
Doch nicht nur die beeindruckenden Gebäude im Renaissance- und Gotikstil machen die Hauptstadt Galiciens zum attraktiven Reiseziel. Wir lieben es, durch die Gassen der Altstadt zu bummeln, die seit 1985 ein von der Unesco geschütztes Weltkulturerbe ist. Als eine Oase der Ruhe entpuppt sich das 1538 von Erzbischof Alonso de Fonseca III. erbaute Colegio Fonseca. Eine Statue des Bischofs befindet sich im gepflegten Innenhof. Wenn der Himmel mal wieder seine Schleusen öffnet, findet man in einer der zahlreichen Cafés und Bars im historischen Zentrum einen trockenen Unterschlupf. Das ist eine gute Gelegenheit, den knurrenden Magen mit ein paar Tapas zu beruhigen.
Für uns Schweizer sind die Essenszeiten etwas gewöhnungsbedürftig. Besonders zum Abendessen, denn das ist in den Restaurants üblicherweise ab 21 Uhr möglich. In den belebten Strassen wimmelt es dann von Pilgernden, Einheimischen und vor allem Studenten. Ein beliebter Treffpunkt ist der Fonte dos Cabalos auf der Praza das Praterías. Seinen Namen hat der Brunnen von den vier wasserspeienden Pferden. Der hübsche Platz liegt an der Südfassade der Kathedrale und ist auch bei Nacht ein Hingucker. Wer die Umgebung etwas genauer betrachtet, entdeckt an einer Wand einen ganz besonderen Schatten. Ist es nur ein Pilger oder gar der Apostel Jakobus mit seinem Hut und dem Stock?