Mein Gott, Herr Pfarrer!

Im Religionsunterricht der Primarschule hatte Bänz Simmen ein Schlüsselerlebnis. ­Allerdings nicht so, wie es sich der Andermatter Dorfpfarrer einst vorgestellt hatte.

Zuerst schaute mich der Inder ungläubig an», erzählt Bänz Simmen auf der Wanderung Richtung Mettlen im Unteralptal, «aber dann steckte er sich die ­Brunnenkresse in den Mund, die ich ihm hinhielt.» Simmen lächelt: «Der Mann war total überrascht, dass ein Schweizer Kraut wie ­Wasabi schmeckt, das in der japanischen Küche, die er so mag, eine wichtige Rolle spielt.»

Ähnliche Situationen erlebt der 59-Jährige immer wieder. Nicht nur mit reichen Gästen des Fünfsternehotels The Chedi in Andermatt UR, mit welchen er oft unterwegs ist, sondern auch mit Schweizern. Die buchen ihn für eine Kräuterwanderung jedoch direkt über seine Website und nicht über den Hotelconcierge.

«Die meisten Leute haben keine Ahnung mehr von der Natur. Schon gar nicht von Blumen und Kräutern.» Simmen glaubt, das rühre von der Arbeit am Computer her und von der Verstädterung. Dass er ein so grosses Wissen von Flora und Fauna hat – eigentlich von praktisch allem im Urserental –, nahm seinen Anfang in Simmens Kindheit.

Unabhängig im Denken

Neugierig und aufgeschlossen, wie Klein Bänz war, stellte er fast alles in Frage, selbst den Religions­unterricht. Als ihm der Pfarrer in der 6. Klasse eines Tages sagte, wenn er ihm nicht glaube, könne er nach Hause gehen, packte Bänz sein Sachen ein und spazierte hi­naus. «Meine Eltern unterstützten damals mein unabhängiges Denken und kuschten nicht vor dem Dorfpfarrer.» Das habe ihn stark geprägt. Fortan wandelte der Bursche selbstbewusst und mit einem noch offeneren Geist durchs Leben.

Ende der 70er-Jahre hatte Bänz ein Erlebnis mit Folgen: Er versuchte, auf einem breiten, abgebrochenen Sprungski seitwärts einen Hang runterzugleiten. Ein amerikanischer Tourist sah das und sagte, das, was er da tue, werde in Amerika Snowboarden genannt. Klar, wollten Simmen und seine Freunde auch so ein Brett. Er bestellte sich eines im Sommer 1980 in den USA und übte im darauffolgenden Winter fleissig damit. 

«Es kostete 1400 Franken – ein Vermögen!» Doch das war erst der Anfang. Nach seiner Lehre als ­Chemielaborant reiste Simmen mit einem Freund in die USA und nahm an ersten Snowboard-Freestyle-Wettkämpfen teil.