Iris Berben
Zwischen grosser Dankbarkeit und Ungeduld
Kaum zu glauben: Die Schauspielerin feiert ihren 70. Geburtstag – und beweist in zwei neuen Filmen einmal mehr ihre Vielseitigkeit. Das soll so bleiben: Sie kann es kaum erwarten, wieder vor der Kamera zu stehen. Und ist auch sonst rundum zufrieden mit ihrem Leben.
Für Überraschungen war Iris Berben in ihrer Karriere immer gut. Und so dürfen es auch zu ihrem 70. Geburtstag zwei besondere Rollen sein, die das TV beschert: Im Thriller «Nicht tot zu kriegen» verkörpert sie eine alternde Filmdiva, die von einem Stalker bedroht wird. Und in ein Bärenkostüm schlüpft die Schauspielerin im Drama «Mein Altweibersommer», da sie als Geschäftsfrau aus ihrem Leben ausbrechen will und sich deshalb einem Wanderzirkus anschliesst.
GlücksPost: Am 12. August werden Sie 70 Jahre alt. Manche Leute stellen zu Geburtstagen eine Liste von Dingen auf, die sie noch erleben wollen. Wie ist das bei Ihnen?
Iris Berben: Das mache ich nicht. Ich habe in meinem Leben wenig ausgelassen. Mit Sicherheit passiert deshalb nicht, dass ich zurückschaue und denke: Hätte ich das doch nur gemacht!
«Ich bereue nichts» könnte also Ihre Aussage sein?
Richtig. Ich bereue gar nichts. Da waren immer die Dinge, die ich zu dem Zeitpunkt für das Richtige gehalten habe. Wenn du dich als Mensch finden willst, musst du gegen die Erwartungen anderer ankämpfen und deine eigenen erfüllen. Du musst Haltung beweisen, und diese wird ständig herausgefordert. Das macht dich zu dem Menschen, der du bist.
Und Sie sind auch der Mensch geworden, der Sie sein wollten?
Ich bin einfach sehr dankbar dafür, dass ich genau so selbstbestimmt leben kann, wie ich will.
Im Film «Nicht tot zu kriegen» spielen Sie eine Diva, die einen wehmütigen Blick auf ihre jungen Jahre wirft. Können Sie das verstehen?
Wehmut kenne ich schon auch. Ich hatte ja auch dieses grosse Glück, in den 60er- und 70er-Jahren gross zu werden, und da hatten wir eine enorme Spielwiese. Wir hatten so viele Forderungen an das Leben, weil wir uns vom Leben unserer Eltern und Grosseltern abheben wollten. Das betraf nicht nur das Politische, sondern war eine Rebellion, die sich auch in der Musik, in der Kleidung, im eigenen Selbstverständnis ausgedrückt hat. Ein Minirock zum Beispiel hiess nicht «Ich bin verfügbar für euch!», sondern war eine Form von Freiheit.
Wie fühlen Sie sich mit Ihrem Freiheitsdrang in einer Welt, in der es aus aktuellem Anlass viele Einschränkungen gibt?
Als sehr ungeduldiger Mensch bin ich in dieser Zeit schwer zu zügeln. Es gibt Filme, die nicht fertiggestellt wurden. Das ist jetzt ein ewiges Überlegen und Herumprobieren, wie sie zu beenden oder wie noch nicht gedrehte Projekte neu anzufangen sind. Im Gegensatz zu anderen Menschen, denen es wirklich an die Existenz geht, bin ich aber in einer sehr positiven Situation. So gesehen ist meine Gefühlslage sehr ambivalent.
Im zweiten Film «Mein Altweibersommer» bricht Ihre Figur aus den Zwängen ihrer bürgerlichen Existenz aus. Verspüren Sie da auch manchmal die gleiche Lust?
Ich würde es anders ausdrücken: Ich hoffe, dass wir alle auch immer verführbar bleiben. Das heisst, dass wir uns nicht in einer absoluten Sicherheit und Gewissheit wiegen. Man kann ein spannendes Leben führen, wenn man sich nicht in ein Korsett zwängt, das einem die Gesellschaft vorgibt oder das man sich selbst
anlegt.
Könnten Sie sich theoretisch vorstellen, das Korsett Ihres Berufs abzulegen?
Als ich jung war, wollte ich Jura studieren. Aber heutzutage wäre höchstens das Kochen eine Alternative. Das hat auch etwas Kreatives. Und es hat etwas sehr Erdendes, wenn du dich mit Lebensmitteln und der Natur auseinandersetzt. Ich selbst esse gerne, und gleichzeitig zählt es zu den kraftvollsten und wärmsten Geschenke, für seine Freunde zu kochen. Da zelebriere ich ein Fünf- oder Sechs-Gänge-Menü. Und es darf keiner in die Küche!
Sie schaffen das alleine?
Ja. Wie in meinem Beruf liebe ich es, mich beim Kochen auf ungesichertem Terrain zu bewegen und nicht bei allem auf Nummer sicher zu gehen.
Was tun Sie sonst noch für Ihr Wohlbefinden?
Ich bin kein grosser Partygänger, das habe ich hinter mir. Und heute weiss ich, dass ich sehr gut mit mir alleine sein kann. Ich esse gerne gut, versuche mich intensiv zu pflegen, lasse mich auch gerne verwöhnen, mit einer Massage zum Beispiel. Ich brauche nie lange zur Regeneration. Vielleicht weil ich das, was ich mache, gerne mache.
Was ist eigentlich Glück für Sie?
Das ist eine sehr philosophische Frage. Da gibt es zum einen das grosse Glück. Zum Beispiel, dass man an Kopf, Leib und Seele gesund ist. Dann ist es auch ein Glück, eine Arbeit zu haben, die man gerne macht, speziell wenn man in seinem Beruf vom sogenannten Applaus der anderen abhängig ist. Dass man Erfolg hat. Glück ist für mich auch, dass ich mir in der aktuellen Situation nicht überlegen muss, wie ich in zwei Monaten die Miete zahlen kann. Oder dass ich einen Sohn grossgezogen habe, der selbst eine glückliche Familie hat. Ebenso dass ich jetzt einen Film mit Regisseur Ruben Östlund drehe, der mit seinem vorherigen Film die «Goldene Palme» von Cannes gewonnen hat. Mein Gott, was für ein Glück ist es, da dabei zu sein.
Und wie ist es mit dem kleinen Glück?
Die winzigen Momente zählen für mich genauso. Ich lese im Moment sehr viel. Da gibt es Bücher, die dich glücklich machen, weil du entweder etwas Neues entdeckt hast oder etwas für dich bestätigt wurde. Ich bin auch glücklich, weil meine Tomaten anfangen zu wachsen. Und es gibt noch viele andere wunderbare Facetten – ein tolles Essen kochen, ein anregendes Gespräch, eine schönen Blick, den dir jemand zuwirft oder den du in die Welt werfen kannst.