«Wirbelwind hält mich auf Trab»

«Ich bin einfach zufrieden, dass es mir noch gut geht und ich jeden Tag reiten kann», sagt die Dressur-Ikone. Der Besuch bei der ältesten noch lebenden Schweizer Olympiasiegerin an ­Sommerspielen ist eine ­Reise in ein Tierparadies.

Von Thomas Wälti

Ein Milan kreist über dem Hasenberg. «Er heisst Jonathan», stellt Christine Stückelberger (77) den zutraulichen Greifvogel vor. Die Schweizer Dressur-­Ikone steht auf dem Aussenplatz ihres Pferde­ausbildungszentrums am Rande der Ostschweizer Ortschaft Kirchberg SG und schaut in den Himmel. «Im Sommer muss Jonathan seine Beute selbst jagen. Im Winter helfe ich ihm bei der Nahrungs­suche. Der Hasenberg ist mein Paradies!», schwärmt die gebürtige Zürcherin aus Wallisellen in breitem Berndeutsch. Die Dressur-Olympiasiegerin von 1976 hat ihre ersten 20 Lebensjahre hauptsächlich in Bern verbracht. «Kommen Sie, wir reden im Reitstübli weiter. Ich brauche etwas Schatten», sagt die Gastgeberin mit einem Lächeln, «hereinspaziert!»

Im Reitstübli sieht es aus wie in einem Sportmuseum. Überall entdeckt der Betrachter stumme Zeugen einer grossartigen Karriere. An der Wand hängt etwa ein Schwarz-Weiss-Bild, das Christine Stückelberger und einen Holsteiner Wallach mit Jahrgang 1965 zeigt. «Das ist Granat. Mit ihm habe ich an den Olympischen Spielen in Montreal die Goldmedaille gewonnen», klärt die Grande Dame des Dressursports auf. Im Reitstübli können auch Pokale, Zinnkannen, Siegerschleifen, Diplome, Fotos, Reithelm, Rückenschutz und Peitschen bestaunt werden.

Nur das wertvollste Exponat fehlt: das Olympia-Gold! «Mein 2013 verstorbener Lebenspartner und Dressurlehrer Georg Wahl hatte meine 40 Olympia-, WM-, EM- und Schweizermeisterschaft-Medaillen ­allesamt in einem Medaillenrahmen auf­gehoben. Nach seinem Tod habe ich die Plaketten Markus Osterwalder geschenkt», sagt Christine Stückelberger. Der 60-jährige Olympia-Historiker aus Herisau gehört weltweit zu den drei grössten Privatsammlern von olympischen Gegenständen. In den Archiven des ehemaligen Dressur­reiters sind rund 70 000 Exponate ausgestellt. «Die Goldmedaille meines Vorbilds Christine Stückelberger ist für mich die kostbarste Auszeichnung.