Hanna Scheuring und Daniel Rohr
«Wir haben wahnsinniges Glück»
In bedrohlichen Zeiten das Beste draus gemacht: Die Theaterleiter und Schauspieler gehen nicht nur gemeinsam durchs Leben, sie arbeiten auch zusammen. Ob es da wohl Machtkämpfe gibt?
Tief ins Gespräch vertieft sind Hanna Scheuring (57) und Daniel Rohr (62), als sie uns auf der Zürcher Seepromenade entgegenkommen. Liebesgeflüster? Aber nein: Das Paar spricht übers Theater. «Wir sind nicht so gut darin, Privates und Berufliches zu trennen», sagt sie schmunzelnd. «Manchmal wäre es zwar schön, den Blick einfach mal auf etwas anderes zu richten, aber gleichzeitig geniessen wir den Austausch auch.»
Aktuell dreht sich der um das von Franz Hohler (79) geschriebene Stück «ÖV» über kuriose und berührende Begegnungen in Zug und Tram (siehe Box). Aufgeführt wird es im Zürcher Bernhard Theater, das Hanna Scheuring leitet. Sie selbst steht als Schauspielerin auf der Bühne, Daniel Rohr – Leiter des Theaters Rigiblick – führt Regie. Premiere ist diese Woche, am 22. 9. Wobei es keine «echte» Premiere sei: Während Corona konnten sie einige Vorstellungen vor 50 Leuten spielen. Scheuring: «Gefühlt ist es für uns aber noch nicht richtig angelaufen. Wenn du vor so wenig Publikum auftrittst, kommt es dir vor, als würden da einfach ein paar Freunde sitzen.»
Die Pandemie sei zwar nach wie vor eine Bedrohung, aber jede Medaille habe zwei Seiten, sagt Rohr. Der schöne Aspekt war: Die Künstlerfamilie sei näher zusammengerückt. Und am Ende entstand «ÖV» – aus der Corona-Not heraus. Hanna Scheuring: «Der Spielplan war leer, die Leute hatten keine Arbeit: Wir haben es aus der Not heraus aus dem Theaterboden gestampft.»
Das Paar arbeitet oft zusammen. Diesmal führt er Regie, ein anderes Mal sie – so ab 25. 10. im Rigiblick im Radiohead-Stück «Fahrenheit 451». Machtkämpfe gebe das nicht. «Klar haben wir mal
unterschiedliche Ansichten, aber ich halte so viel von dem, was Dani macht, kenne sein Gespür und sein Wissen.» Er könne das nur zurückgeben, sagt er, es gehe immer um die Sache. Sie: «Eigentlich ist es wie in der Beziehung – mal übernimmt er den ‹Chefposten›, mal ich. Und weil ja vielfach jeder in seinem Theater ‹wurstelt›, sind Zeiten wie diese toll, und ich freue mich morgens schon, dass ich den ganzen Tag mit ihm zusammensein kann.»
Harmonisch wirkt das Paar denn auch für Aussenstehende. Viel Wärme und Nähe – und gemeinsame Interessen, wie sie erzählen. Eine ihrer Leidenschaften gilt der Natur: Gut die Hälfte ihrer Zeit verbringen sie in ihrer Stadtwohnung in Zürich, den Rest in ihrem Riegelhaus im Grünen mit grossem Garten, direkt am Naturschutzgebiet. Beide sind Bewegungsmenschen, gehen joggen, Velo fahren oder wandern. Daniel Rohr: «Im Sommer sind wir zum Beispiel über den Simplon gelaufen. Irgendwann würden wir gerne eine weitere Strecke gehen, zum Beispiel nach Apulien.»
Und dann ist da natürlich die Liebe zur Kultur, die sie in Theater- und Konzertbesuchen ausleben. Oder eben bei der Arbeit! «Wir haben wirklich wahnsinniges Glück, dass wir das zusammen machen dürfen», sagt Daniel Rohr. Projekte wie «ÖV» sind für die beiden, die aus früheren Beziehungen je zwei Kinder haben, wie gemeinsame Babys. «Das ist wirklich so», sagt Hanna Scheuring. «Wir erfreuen uns daran, sie wachsen zu sehen, uns darüber auszutauschen, und am Ende kommen sie dann zur Welt.»