Wenn ein Kindermädchen das Leben umkrempelt

Die Thuner Seebühne präsentiert das berühmte Musical «Mary Poppins». Die 14-jährige Karin Anreiter hat eine der Kinderhauptrollen ergattert, Musicaldarsteller Patrick Imhof spielt ihren Vater. Die beiden sprechen über ihre Bühnenfiguren.

Von Irene Lustenberger

Vom 10. Juli bis 24. August kommt das berühmteste Kindermädchen der Welt auf die Thuner Seebühne. Das Musical «Mary Poppins» erzählt die Geschichte der Familie Banks. Deren Kinder Jane und Michael tanzen ihrem Kindermädchen auf der Nase herum. Die Eltern entscheiden: Sie brauchen dringend eine neue Betreuerin. Das Ehepaar Banks hat klare Vorstellungen davon, wie die Nanny sein soll, doch keine der Bewerberinnen hat die nötige Strenge. Mit der Anstellung von Mary Poppins kommt neuer Wind ins Haus. Humorvoll und einfühlsam gestaltet die junge Frau den Alltag mit Jane und Michael. Sie nimmt sie mit auf zahlreiche magische Abenteuer und Traumreisen. Dabei verändert sich nicht nur das Wesen der Kinder, sondern die Dynamik der ganzen Familie.

Während das Kindermädchen Mary ­Poppins von der in Deutschland auf­gewachsenen Bulgarin Alexandra-Yoana Alexandrova und die Mutter Winifred Banks von der Leipzigerin Johanna Zett gespielt werden, schlüpft der Basler Patrick Imhof in die Rolle des Vaters George Banks. Der 53-Jährige wirkt bereits zum vierten Mal bei den Thunerseespielen mit. Obwohl er seit seiner Kindheit Theater spielt, schloss er in seiner Heimatstadt ­Basel ein Musikstudium mit dem Hauptinstrument Kontrabass ab. «Erst gegen Ende des Studiums wurde mein Wunsch, professioneller Schauspieler zu werden, immer deutlicher. Und so zog ich los und machte Aufnahmeprüfungen», erklärt ­Imhof. Seine Schauspielausbildung absolvierte er in Leipzig, wo er mit seiner Familie heute auch lebt. «Auf die Musicalbühne zog es mich erst später, ­obschon ich viele Jahre als Lehrer und Dozent in der Sparte Musical unterrichtete.» Es war seine Schwester Caroline, die ihn anrief und fragte, ob er nicht versuchen wolle, bei «Ewigi Liebi» in Zürich mit­zuspielen, wo auch sie mitwirkte. «Ich bekam den Job und spürte, dass die Sparte Musical mein neues Zu­hause werden sollte», erinnert er sich.

Patrick Imhof ist vierfacher Vater. Sieht er Parallelen zu seiner Rolle als George Banks? «Mir wurde sehr spät bewusst, wie wichtig mir eine Familie und Kinder sind.» Als sein erster Sohn zur Welt kam, sei er noch nicht bereit gewesen, seine Karriere zurück­zustellen. «Erst als ich fast zwanzig Jahre später erneut Vater wurde, merkte ich, wie kostbar und erfüllend die Zeit mit meinen Söhnen ist», sagt er. «Jeden Tag erfreue ich mich daran, ihre Entwicklung zu begleiten, und kann trotzdem meiner Leidenschaft nachgehen.» Er sei ruhiger und weiser geworden, brauche nicht erfolgreich oder berühmt zu sein und setze Prioritäten. «Auch George Banks ändert im Verlauf des Stücks seine Einstellung grundlegend und sagt am Ende, dass seine Familie vorgehe», erklärt er. Weil seine Zwillinge erst fünf Jahre und der jüngste Sohn zwei Jahre alt sind und somit noch nicht zur Schule gehen, nimmt er seine Familie oft mit – auch nach Thun BE. «Wir haben ein paar nette Familien kennengelernt und fühlen uns hier wie zu Hause. Gleich­zeitig ist es aber auch ein bisschen wie Urlaub.» An den freien Tagen geht er mit seiner Familie auf den Skatepark in Steffisburg, an den See oder in die Berge wandern. An anderen Spielorten müsse er abwägen und verhandeln, wie oft er nach Hause fahren kann oder ob er eine Wohnung für die Familie bekommt. «Am liebsten nehme ich Engagements an, die nicht so weit von zu Hause weg sind und wo ich nach einer Vorstellung wieder zurückfahren kann.»

Und worin liegen die grössten Unterschiede zwischen dem Darsteller und seiner Rolle? «George Banks legt sehr viel Wert auf den Schein und seine Stellung in der Gesellschaft. Alles muss akkurat und korrekt sein. Auch die Kinder müssen der Norm entsprechen. Mir ist es ziemlich egal, was andere über mich denken. Dinge wie Status oder Äusserlichkeiten liegen mir nicht», sagt er und fügt lachend an: «Wenn es für die Produktion wichtig ist, lass ich mir sogar einen Schnauz wachsen, auch wenn das bescheuert aussieht.» 

Könnte er sich denn vorstellen, ein ­Kindermädchen wie Mary Poppins anzustellen? «Da wir viel unterwegs sind, sind die Kinder auch ununterbrochen bei uns. Manchmal wäre es schön, wir könnten sie für ein paar Stunden jemandem über­lassen, dem wir vertrauen. Meine Kinder lieben Mary Poppins, und ich denke, sie würde das phantastisch machen.» Auch er würde sich gerne etwas von ihr abschauen: «die Küche aufräumen, indem ich mit dem Finger schnipse»