Walter Roderer
Walter Roderer: «Meine Todesanzeige ist geschrieben»
Noch ist der beliebte Volksschauspieler munter und geniesst das Leben in vollen Zügen. Aber mit 90, findet er, sollte man sich auch mit dem Sterben befassen.
Der alte Mann mit dem schlohweissen Haar und dem spitzbübischen Gesicht steht nachdenklich am Fenster seines Hauses, das er selber entworfen hat. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet. «Rodi», wie ihn seine Fans liebevoll nennen, wirkt völlig in sich gekehrt, als ihn die GlücksPost zu Hause besucht.
«Mir geht es gut», antwortet er auf die Frage nach seinem Befinden. «Es ist schön, alt zu werden, wenn man, wie ich, gesund ist und keine grösseren Beschwerden hat. Auch das Wissen, finanziell gut über die Runden zu kommen, ist ganz angenehm.»
Walter Roderer, der am 3. Juli seinen 90. Geburtstag feiern darf, hält sich mit täglichem Schwimmen in seinem Indoor-Swimmingpool im unteren Stock seines grossen Hauses fit. «Rodi» hat, wie er sagt, «zweieinhalb Herzinfarkte überlebt. Ich bekam fünf Bypässe und zwei Stents. Aber ich bin nur in den Beinen ein bisschen schwach.» Zum täglichen Spaziergang in der weitläufigen landwirtschaftlichen Umgebung hinter seinem Haus braucht er deshalb einen Stock.
Denkt er manchmal auch an den Tod? Walter Roderer: «Man denkt natürlich in meinem Alter generell daran. Zum Beispiel abends im Bett, wenn man den Tag Revue passieren lässt. Nach einem schönen Tag dankt man Gott auch schon mal dafür.» Angst vor dem Tod hat «Rodi» nicht. «Ich glaube, dass es nachher nicht fertig ist und hoffe auf einen schönen Tod. Mühsames Sterben mit einer schweren Krankheit müsste nicht sein.Auf jeden Fall geniesse ich jeden Tag.»
Walter Roderer überlässt nichts dem Zufall. Er hat ohne allen Druck, wie er sagt, bereits für alles vorgesorgt. «Ich habe nicht nur mein Testament gemacht, sondern auch schon meine Todesanzeige geschrieben sowie den Grabstein gestaltet, weil ich gerne Architekt geworden wäre. Nur das genaue Datum fehlt noch.» «Rodi», der kinderlos ist, lächelt sibyllinisch. Wer im Testament als Erbe berücksichtigt wird,möchte er nicht kommentieren.
Zu seinen grössten Genüssen gehört das Reisen. «Kürzlich war ich mit meiner Grossnichte in Venedig, einer Stadt, die ich fast jedes Jahr besuche. Ich habe fast die ganze Welt gesehen. Mein grosser Traum ist jetzt noch Dubai. Diese modernste Stadt der Welt interessiert mich wegen der Architektur.»
«Rodi» liebt auch noch etwas ganz Anderes: Autos. «Ich bin leidenschaftlicher Autofahrer», erzählt er. «Wenn es mir nicht gut geht, dann setze ich mich ins Auto und schaukle durch die Gegend. Ich könnte noch jederzeit zur Fahrprüfung antraben», sagt er stolz. Sein kleiner Audi Sport ist für die täglichen Bedürfnisse; die racing-grüne, ältere Bentley-Limousine zum Geniessen. «Für längere Strecken ein wunderbares Fahren», schwärmt er. «Da wirst du ein ganz anderer Mensch. In einem solchen Auto gibts kein Pressieren; ich geniesse das enorm.»
Wenn der gebürtige Sankt-Galler zuweilen gemütlich die Zürcher Bahnhofstrasse hinauf Richtung See schlendert, beobachtet er die Menschen. Einige drehen sich auch nach ihm um. «Ich merke sofort, wenn mich die Leute erkennen », freut er sich. «Das Schönste daran: Meistens geht dann ein Lächeln über ihr Gesicht. Das ist für mich ein Kompliment und zeigt mir, dass ich im Leben etwas Positives gemacht habe. Dass die Schweizer einen lieben, finde ich sehr schön. Ich war ja auch immer Volksschauspieler; ich gehöre dem Volk.»
Eine Szene ist «Rodi», der die Menschen im Radio als «Barbier von Seldwyla», im Film als bünzliger Buchhalter Nötzli und mit seinem eigenen Tournee-Theater und Stücken wie «Der Mustergatte »und«Charley’s Tante» zum Lachen brachte, noch in schmerzhafter Erinnerung. « Es war in Liestal BL nach einem Theaterabend. Ich gönnte mir in einem Beizli ein Feierabend-Bierli. Da haut mir einer saftig eins auf die Schultern und sagt freudestrahlend: ‹Du bisch denn no es Chalb, Rodi.› Auch wenn er mir körperlich weh tat, hat mir sein spontaner Freudenausdruck gefallen.»