Katja Stauber und Florian Inhauser
Viel Zuversicht – und etwas Ungeduld
Corona hier, Corona da: Ein Ausnahmejahr liegt hinter uns. Wie hat das «Tagesschau»-Paar dieses erlebt? Hatten auch die beiden mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen?
Freitag und ein freier Tag zugleich für die beiden, sie sitzen in ihrer Küche, telefonieren über Lautsprecher. «Äs höhlelet», konstatiert Florian Inhauser (52). Sonst ist das Paar nur nach Feierabend zu Hause. «Homeoffice hatten wir keinen einzigen Tag, wir sind zum Officeoffice verdammt wie alle, die mit tagesaktuellen Sendungen beschäftigt sind», frotzelt er.
Wie viele andere hätten auch sie das Ganze unterschätzt, sagt Katja Stauber (58). «In den 28 Jahren am Bildschirm habe ich über Schweine- und Vogelgrippe berichtet, über Sars und Ebola. Ich dachte, Corona sei eine ähnliche Krise.» War’s nicht, wie wir nun wissen.
GlücksPost: Wie geht’s Ihnen so?
Katja Stauber: Bei uns ist wie bei allen ein bisschen der Deckel drauf, man ist vorsichtiger. Ich bedaure, dass man sich nicht mehr die Hand geben oder bei-einanderstehen kann. Aber was will man tun, irgendwann geht das wieder vorbei. Ich bin da pragmatisch.
Florian Inhauser: Alles geht seinen geregelten Corona-Gang. Es ist eine etwas bleierne Zeit. Ein guter Freund und Arbeitskollege ist Single. Er erzählte neulich, dass er seit März von niemandem mehr umarmt worden sei. Dann haben wir beide die Luft angehalten – und haben uns umarmt. Das hat gutgetan.
Das taten Sie auch am 3. April, als Sie Ihre Frau vor laufender Kamera verabschiedeten. Wussten Sie davon, Frau Stauber?
K. Stauber: Dass ich nicht einfach «uf Widerluege» sage und heimgehe, vermutete ich schon und wusste auch, dass irgendetwas geplant war, aber nicht im Detail. Eigentlich wollte ich einen grossen Apéro machen mit DJ und Musik, aber schlussendlich nahmen wir ein paar Flaschen Champagner mit und stiessen von weitem mit den paar Leuten an, die gekommen waren.
F. Inhauser: Es war eine im wahrsten Sinn des Wortes nüchterne Veranstaltung.
Solche sprachlich farbigen Sätze bauen Sie gerne auch in Ihre Moderationen ein – das findet nicht überall Anklang.
F. Inhauser: Die Moderation ist immer ein Balanceakt – und natürlich passt man sich dem Thema an. Wenn etwas Furchtbares passiert, wird sachlich moderiert. Aber gerade in einer schweren Zeit wie dieser darf man nicht in den «Alles ist schrecklich»-Modus verfallen. Ich erhalte immer wieder Rückmeldungen vom Publikum, dass die Ironie oder der Sarkasmus, die ich auch mal einbaue, etwas Licht in diese dunkle Corona-Zeit gebracht habe.
Sie sagen es, dunkle Zeit. Wem von Ihnen beiden macht die Sozialdiät mehr zu schaffen?
K. Stauber: Mir!
F. Inhauser: Wenn ich auf Reisen bin, bin ich mit leidenschaftlicher Neugier auf alles unterwegs. Aber wenn ich wie jetzt zu Hause bin, dann bin ich ein leidenschaftlicher Stubenhocker.
K. Stauber: Ich gehe einmal pro Woche mit einer Gruppe von Freundinnen zwei Stunden laufen, mit gebührendem Abstand natürlich. Das finde ich schön, so kommt man doch zu einem sozialen Austausch.
F. Inhauser: Was mich sehr beelendet, sind all die Sportveranstaltungen, die ohne Publikum stattfinden müssen. Ich bin ein geradezu fanatischer Tennis-Schauer, bringe das aber kaum fertig, wenn da keine Fans sitzen. Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, wie wichtig das Publikum ist, was es atmosphärisch ausmacht – sei es beim Sport oder bei kulturellen Veranstaltungen.
Wir sind nun in der zweiten Welle – wie erleben Sie diese?
F. Inhauser: Obwohl die Zahlen bedenklicher sind als im März, stellt man fest, dass viele – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – unvorsichtiger geworden sind. Ich merke das auch bei mir, zum Beispiel beim Abstandwahren. Mit der ersten Welle ging’s auf in den Frühling. Jetzt schwappt die zweite Welle in die dunkle Jahreszeit.
K. Stauber: Speziell so graue Tage wie jetzt gerade sind schwierig.
Haben Sie ein Patentrezept dagegen?
F. Inhauser: Gelassenheit. Und berechtigter Optimismus.
Und was tun Sie in Ihrer Funktion als «Tagesschau»-Produzentin dagegen?
K. Stauber: Ich sehe zu, dass jede Sendung einen versöhnlichen Schluss hat. Etwas zum Durchatmen fürs Publikum, etwas Tröstliches. Das muss man nicht erfinden. Diese Nachrichten gibt es. Man muss nur auf sie achten.
Sind Sie sich einig, was die Massnahmen angeht?
F. Inhauser: Da sind wir simultan unterwegs und der Ansicht, dass sie einzuhalten sind, die Vorschriften Sinn machen. Unsere Mütter leben beide in der Nähe – wir halten Abstand, wenn sie bei uns sind, passen auf.
K. Stauber: Als meine Mutter gestern zum Tee bei uns war, nahm sie ihre Maske nur ab, wenn sie trank.
Verstehen Sie Menschen, die Mühe damit bekunden?
K. Stauber: Dieses Virus ist nun mal da, und wir haben alle dasselbe Ziel: so bald wie möglich zur Normalität zurückzukehren. Masken nerven, mehr aber auch nicht. Falls Sie mit Ihrer Frage aber Verschwörungstheoretiker meinen – da fehlen mir die Worte.
F. Inhauser: Es geht um Gemeinsinn. Sonst wird das für den Zusammenhalt der Gesellschaft ganz schwierig. Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jeder gleich mit der Unsicherheit und der Ungewissheit in dieser Pandemie umgehen kann, finde es aber wahnsinnig gefährlich, wenn man sich auf der Suche nach bequemen und simplen Antworten in komplett faktenbefreite Welten flüchtet.
Frau Stauber, Sie waren 28 Jahre am TV zu sehen. Fehlt Ihnen die Kamera?
K. Stauber: Überhaupt nicht. Mein neuer Job ist anspruchsvoll und anstrengend, aber er macht Spass. Es ist schön, zu sehen, wenn eine Sendung die eigene Handschrift trägt.
Lassen wir Corona mal beiseite. Was hat 2020 bewegt?
K. Stauber: Thema Nr. 2 waren natürlich die US-Wahlen und sind es immer noch. Hoffentlich nicht mehr lange! Ansonsten finde ich es echt schwierig, etwas zu nennen. Und du?
F. Inhauser: Hatten wir überhaupt mal eine coronafreie Sendung?
K. Stauber: Eine, im Sommer, da hatte ich es geschafft, dass das Wort kein einziges Mal fiel. Das war schon speziell.
Hat das Ganze auch etwas Gutes?
F. Inhauser: Ja. Wir sehen, was die Schweiz aushalten kann. Und sie könnte noch viel mehr aushalten. Wir sind vielleicht etwas geschichtsvergessen: Was haben dieses Land und frühere Generationen auf diesem Kontinent schon überstanden! Der heutige Wohlstand ist auch Verpflichtung zu Solidarität. Mit Kulturschaffenden. Mit Geringverdienern. Bundesrat Parmelin sagt: «Wir schaffen das zusammen!» Er muss recht behalten. In einer Pandemie nur für sich selbst zu schauen, das geht schief. Fragen Sie mal die Pfahlbauer aus den Schweizer Geschichtsbüchern: Allein wird das nix.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie aufs Jahr 2021?
K. Stauber: Mit grosser Zuversicht.
F. Inhauser: Mit grosser Zuversicht. Und etwas Ungeduld: 2020 war ja doch etwas zähflüssig.