Gilles und Raphaël Tschudi
Tiefer Respekt vor der Legende
Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne: Die sehnsüchtig erwartete Neuinszenierung von «HD-Soldat Läppli» ist für beide Schauspieler eine herausfordernde, aber auch haarige Angelegenheit.
Er will einfach nicht halten. Der Schnauz. Der Maskenbildner hilft mit Leim nach. Nun kann Gilles Tschudi (62) die berühmte Szene aus «HD-Soldat Läppli» weiterproben: Er muss Oberleutnant Clairmont erklären, warum dessen Kanarienvogel in Läpplis Obhut von der Katze gefressen wurde.
Noch trägt Tschudi nicht die monströse, rote Oberlippenbehaarung, die so charakteristisch ist für die von Alfred Rasser († 1977) erfundene Figur. Auch der Haarkranz um die Glatze fehlt noch. Der Basler Schauspieler wird Läpplis Frisur in Form einer Perücke auf seinem rasierten Schädel tragen.
Gilles’ Sohn Raphaël (32) spielt Oberleutnant Clairmont. Bis zu seinem Engagement hatte er nie von Läppli gehört. «Ich bin in der Westschweiz aufgewachsen», entschuldigt er sich. «Als ich den Film dann gesehen habe, dachte ich: Das ist nicht so mein Ding. Doch jetzt in den Proben muss ich oft lachen.»
Was unter anderem auch daran liegt, dass Vater und Sohn eine Gaudi haben auf der Bühne. Sie unterhalten sich in perfektem Französisch, scherzen viel und raufen gern. Gerade in der eingangs erwähnten Szene kann Gilles die diebische Freude kaum verstecken, wenn er seinen Chef-Sohn auf die Palme treiben kann.
«Wir stehen ja nicht zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. Es ist spannend, wie wir intuitiv gleich ticken. Er hat eine sehr ähnliche Wahrnehmung, das macht die Arbeit viel einfacher. Wir verstehen uns ohne Worte», sagt Gilles. Auch Raphaël muss bis zur Premiere am 8. November im Basler «Fauteuil» noch Haare lassen. Er wartet damit bis zur letzten Sekunde – Bart abschneiden ist schlimm für ihn. Doch in den 1950er-Jahren duldete das Militär eine solche Gesichtsbehaarung nicht.
Das Vorhaben, HD-Soldat Läppli, dieses einzigartige Schweizer Geschöpf, wieder auferstehen zu lassen, trägt Rassers Enkelin Caroline (48) seit Jahren mit sich herum. Doch dieses Projekt brauchte Zeit: Die letzte Inkarnation von Läppli – Alfred Rassers Sohn Roland (87) spielte ihn vor 30 Jahren – musste lange genug her sein. «2016 hatten wir erstmals mit Gilles gesprochen. Und uns trotzdem immer wieder hinterfragt. Es gingen Jahre ins Land», sagt Caroline.
Gilles war von Anfang an offen dafür: «Ich bin mir der Grösse des Unternehmens bewusst. Die Figur ist riesig, sie ist das Lebenswerk von Alfred Rasser, davor habe ich Respekt.» Doch er sei kein Kopist, wolle andere nicht nachmachen. «Es war ein langer Weg, bis ich meinen eigenen Ansatz gefunden habe. Läppli kommt aus einer ganz anderen Zeit, einem anderen Kontext. Ich musste seine Urseele finden, damit er auch heute noch funktioniert.»
Die Nachfrage nach Läppli hat nie nachgelassen – und seit bekannt ist, dass es eine Neuauflage gibt, gehen die Tickets weg wie warme Weggli.
Vergleiche mit dem Ur-Läppli scheut Gilles nicht. «Ich schütze mich, indem ich mich dem gar nicht aussetze, ich weise solche Gedanken von mir.» Caroline ergänzt: «Bei meinem Vater war der Druck viel grösser, als er in Grossvaters Rolle schlüpfte.» Zudem fände sie es merkwürdig, wenn es keine Kontroversen gäbe.
An Alfred Rassers Originaltextbuch sei für die neue Bühnenfassung nichts geändert worden. «Mein Grossvater hat über Jahre an der Dramaturgie gefeilt. Jeder Eingriff wäre fatal», sagt Caroline. Doch funktioniert dieser Humor heute noch? «Ich bin gespannt», meint Gilles. «Für mich ist Läppli eher berührend als lustig. Er hat sich wie Charlie Chaplins Tramp eine Kindlichkeit bewahrt, eine Freude am Leben. Heute ist alles viel berechnender. Deshalb ist diese Figur so wertvoll. Sie muss nicht komisch sein, sie hinterfragt das System, und das ist heute so aktuell wie damals.»