Otto Waalkes
Seine Sehnsucht nach einer heilen Welt
Mit bald 70 Jahren bringt der Komiker seine Biographie heraus. Abgesehen von zwei gescheiterten Ehen hat er immer Glück gehabt. Und eine Familie, die ihn liebte und förderte.
In bescheidenen Verhältnissen beginnt Ottos Leben. In seiner Heimatstadt Emden im Ostfriesland musste er sein Zimmer mit der Grossmutter teilen, die eines Morgens tot neben ihm lag. Abgesehen davon sind seine Erinnerungen glücklich. Die Eltern führten eine harmonische Ehe und liessen Otto, der früh ein Talent für Komik und Kunst zeigte, seinen Weg gehen.
GlücksPost: Was hat Sie dazu bewegt, Ihr Leben auf Papier zu bringen?
Otto Waalkes: Wenn man in meinem Alter nicht anfängt, gereift zurückzublicken – wann dann?
Sie sind nach dem Krieg in einer von Trümmern übersäten Stadt aufgewachsen. Hat Sie das geprägt?
Irgendwie schon, jedoch andersrum: Diese kaputte Umwelt ist für meine Sehnsucht nach Harmonie und heiler Welt sicher mitverantwortlich. Allerdings waren die Ruinen ein toller Spielplatz.
Ihr Vater hat Sie stets gefördert und ermutigt. Sogar seine letzten Worte waren «Mach so weiter, Junge.» Was vermissen Sie von ihm?
Ich vermisse vor allem IHN, den ganzen Menschen – nicht einzelne Eigenschaften oder Besonderheiten.
Ottos Vater, ein Malermeister, tat alles, um seine Familie glücklich zu machen. Seinem jüngeren Sohn baute er sogar ein Kasperletheater im Hinterhof des Hauses. Dort hatte der damals fünfjährige Otto seine ersten Auftritte vor den Nachbarskindern.
Ihre Mutter war strenggläubig. Wie hat Sie das geprägt?
«Sündig, sündig» war ihr Standardvorwurf für alles, was ihre streng protestantische Kirche ablehnte. Komik ist nun mal in der Bibel übel beleumundet. Dass sie mich trotzdem so lieb gehabt hat, zeigt, dass sie durchaus Sinn für meine Art von Komik hatte.
Sie galten in der Schule als total brav – ein Streber. Das scheint so gar nicht zu einem Leben als Comedian zu passen.
Brav war ich nur bis zur 8. Klasse ungefähr. Dann kamen die Beatles, ihre Musik, ihre Frisur und ihre Frechheit.
1970 ging Otto nach Hamburg und machte ein Kunstpädagogikstudium, obwohl er lieber freie Malerei studiert hätte, dafür aber keinen Platz bekam. Er widmete sich auch seiner grossen Leidenschaft Musik. Mit seiner Band The Rustlers trat er in vielen Clubs auf. Bei einem Konzert lernte er seinen Manager Hans Otto Mertens kennen, mit dem er noch heute zusammenarbeitet. In Ottos Hamburger WG wohnten unter anderen auch Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg.
Sie sagen, Sie haben das Bedürfnis, allen zu gefallen. Da Sie Ihren Zuspruch vor allem auf der Bühne holen – wie ist der Gedanke, einmal nicht mehr auftreten können?
Ich fühle mich prima! Ausserdem möchte ich nichts anderes, als Menschen zum Lachen zu bringen, ich kann ja nichts anderes.
Sie versuchen, auch im Alltag die Leute zum Lachen zu bringen, ob Kassiererin oder Kellner – steckt dahinter eine Philosophie?
Es macht mir einfach Spass – wenn Sie das Philosophie nennen, ehrt mich das sehr.
Das Publikum empfängt Sie mit offenen Armen. Trotzdem haben Sie heute noch Lampenfieber.
Mit Erfolg zu rechnen, ist der erste Schritt zum Misserfolg.
In Ihrer Karriere hatten Sie von Anfang an Erfolg. Ihre erste CD holte Platinstatus, Ihre erste TV-Show war ein Quotenhit. Nur mit den Frauen lief es weniger gut.
Heute weiss ich, dass sich das Leben eines fahrenden Gauklers mit dem eines sesshaften Familienvaters kaum vereinen lässt. Darauf hätte ich früher kommen können.
Die Trennung von Ihrer ersten Frau Manou war ein Schock für Sie.
Meine Eltern haben mir reine Harmonie vorgelebt, über 60 Jahre lang – wie man mit Konflikten umgeht, konnten sie mir da natürlich nicht beibringen. Bei mir lief immer alles so gut, und die Leute mochten mich – da konnte ich nicht verstehen, dass mich jemand nicht mehr mag.
Ihr Sohn Benjamin ist heute Ottifanten-Geschäftsführer und Chefkameramann bei Ihren Shows.
Ich sehe Benjamin praktisch jeden Tag und das sehr gern – ich hoffe, es geht ihm genauso. Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben und zum Glück etwas ruhiger und zuverlässiger als ich.
Ein Komiker altert nicht, schreiben Sie – wie ist das gemeint?
Als Trost – für mich selber.
Intimer Einblick
In «Kleinhirn an alle» (Heyne) beschreibt Otto sein Leben – von der Kindheit im kriegszerstörten Emden über die ersten Erfahrungen auf der Bühne bis zu seinen grossen Erfolgen. Ein schonungslos offenes und tiefgründiges Werk voller unbekannter Episoden.