«Ruhe ist für mich ein grosser Wert»

Nach elf Jahren Theaterpause ist der Schauspieler zurück auf der Bühne. Der 67-jährige Basler spricht über seine Karriere, seine Ehe und die 36 Wohnungswechsel – zuletzt in ein ruhiges 80-Seelen-Dorf im nordischen Mecklenburg.

Aurelia Robles 

Sein Blick schweift von Wollishofen ZH aus über den Zürichsee. Ennet am See hat László I. Kish (67) einst gewohnt, als er die Schauspielschule besuchte. Und dort, am rechten Seeufer, genauer etwas oberhalb im Quartier Witikon, hat der inzwischen in Deutschland wohnhafte Schauspieler nun für ein paar Monate eine Wohnung bezogen. Denn bis zum 12. April steht der gebürtige Basler im Stück «Wir sind die Neuen» auf der Bühne des Bernhard Theaters Zürich, das ebenfalls von hier aus am ­Horizont ersichtlich ist. 

Elf Jahre sind vergangen, seit der frühere «Tatort»-Detektiv das letzte Mal in einem Theaterstück zu sehen war. «Als Freiberufler ist es so: Manchmal gibt es Anfragen, manchmal keine», sagt László Kish. Ein anderer Grund: «Ich will nicht mehr alles machen. War ich früher jung und brauchte das Geld, kommen meine Frau und ich heute gut klar, sind ja auch beide pensioniert.» 

Seit 40 Jahren sind László Kish und die deutsche Autorin und Schauspielerin Ulrike Bliefert (73) ein Paar, seit 35 verheiratet. «Schauspielkollege Klaus Hemmerle hat uns verkuppelt. Er hat sie mir damals vorgestellt.» Mit Klaus Hemmerle (65) ging Kish in jungen Jahren nicht nur in die Schauspielschule, sondern steht nun auch mit ihm in «Wir sind die Neuen» auf der Bühne, ebenso mit Hanna Scheuring (59). «Das Ensemble ist ein Goldgriff», schwärmt Kish. «Und Regisseur Daniel Rohr kenne ich seit 45 Jahren.» In der Komödie gründen drei Fast-Rentner eine Alters-WG, um der Wohnungsnot in Zürich zu entkommen. Doch durch ihre Lebensweise – laute Musik, lange Nächte am Küchentisch – geraten sie in Konflikt mit den jungen Nachbarn, die oberhalb in einer WG wohnen und vor wichtigen Prüfungen stehen. 

Eine Alters-WG sei zwar verlockend, meint László Kish. «Es müsste jedoch mit sehr guten Freunden sein. Denn ich merke, je älter ich werde, desto verknorzter bin ich.» In all seinen Lebensjahren hat er selbst nie in einer WG gelebt, sondern stets alleine oder später dann mit seiner Frau Ulrike. «Aber auch nur so, dass immer eine Etage zwischen uns sein kann, wir je ein Badezimmer haben und eine Putzhilfe, unabhängig vom eigenen finanziellen Zustand», erklärt er das erfolgreiche Zusammenleben. «Wir sind beide etwas nachlässig, wenn es um Ordnung geht», sagt er. «Und ich bin eigentlich ein Mönch, will meine Kammer und meine Ruhe. Und sie will das eigentlich auch.»

Von der Stadt aufs Land 

Berufsbedingt ist das Paar insgesamt 36 Mal umgezogen – zuletzt während der Pandemie. Nach 20 Jahren verabschiedeten sie sich von Berlin Richtung Landleben und sind in ein kleines Dorf in der Mecklenburgischen Seenplatte gezogen, wo bloss einmal pro Tag der Bus fährt. «Wir hatten das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug, beides sind für meine Frau und mich sehr grosse Werte. Als Freiberufler kann ich zudem wohnen, wo ich will.»  

Am Rande des 80-SeelenDorfes bewohnen Kish und seine Frau ein Haus auf einem 1500 m2 grossen Grundstück. Auch Tochter Anna Kiss (42), die Rektorin der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin ist, überlege sich, dorthin zu ziehen. «Ich persönlich will jedenfalls nicht mehr weg», sagt Kish und erzählt, dass er bereits seine Baumbestattung geregelt habe. Seine Asche soll mit dem ­Boden vermischt und darin eine Platane, sein Lieblingsbaum, gepflanzt werden, die dann daraus wächst. 

Mit dem Dorf, dessen Durchschnittsalter höher sei als sein eigenes, ist der 67-Jährige aber bereits verwurzelt. «Von diesem kleinen Ort bin ich Bürgermeister sowie Präsident vom Fussballverein in Personal­union. Die Ämter geben mir die Möglichkeit, etwas zurück­zugeben – dem Ort und den Leuten», erzählt Kish und schwärmt. «Wir sind nirgendwo so herzlich und mit offenen Armen empfangen worden wie hier im Norden. Und glück­licherweise reden die Leute nicht viel.» 

Den grossen Zusammenhalt spürt er auch aktuell während seines mehrmonatigen Engagements in Zürich. «Bei meiner Frau wurde durch Covid die chronische Multisystemerkrankung ME-CFS ausgelöst», erzählt Kish. «Sie kann sich nicht konzentrieren, hat Schlafstörungen und sitzt im Rollstuhl.» Deshalb musste vor der Abreise einiges organisiert werden, wie Essen vorkochen und tiefkühlen, Nachbarn mobilisieren und informieren. «Das war alles gar kein Problem.» Nur ihm falle es schwer, so lange von der Verantwortung daheim loszulassen. «Aber täte ich das nicht, würde es gleichzeitig bedeuten, dass ich meinen Beruf aufgeben müsste.» 

Spass an der Arbeit

Seit 1979 ist László Kish als Schauspieler tätig, wirkte in unzähligen deutschen Serien wie «Alarm für Cobra 11» mit, war in Filmen wie «Grounding» zu sehen oder über mehrere Jahre als Detektivwachtmeister Philipp von Burg in «Tatort». «Heute verspüre ich einen anderen Ehrgeiz. Ich will nicht mehr die Karriere, sondern dass die Leute Spass an unserer Arbeit haben – und ich auch», sagt Kish, der sich vor ein paar Jahren zum Kommunikationstrainer ausbilden liess. «Denn über Humor und Leichtigkeit erreicht man die Leute viel mehr und kann ­ihnen übers Lachen vielleicht einen Denkanstoss mitgeben.» So wie er es mit dem Stück «Wir sind die Neuen» aktuell in Zürich tut – dort drüben, am anderen Seeufer.