Emil Steinberger
«Mein Alter spüre ich überhaupt nicht»
Happy Birthday! Der Kabarettist feiert seinen 90. Geburtstag – und ist immer noch äusserst aktiv. Umso mehr freut er sich, mit Gattin Niccel, seiner grössten Stütze, eine Zeitlang abzutauchen.
Emil ist im Stress, im Vor-Geburtstagsstress. Wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag am 6. Januar laufen die Telefonleitungen heiss, ein Termin jagt den nächsten. Wird ihm das nicht etwas zu viel? «Es geht mir gut, wir sind einfach jede Minute ausgelastet, aber das kennen wir seit Jahren», winkt er ab und lächelt, «das ist nichts Neues für uns. Aber wir sind froh, wenn wir dann bald mal für eine Zeit abtauchen können.»
Emil Steinberger ist die Schweizer Kultfigur schlechthin und schon heute eine lebende Legende. Auch im hohen Alter ist er noch immer äusserst aktiv. Einzig Corona bremste ihn für gut zwei Jahre aus. Hatte er in der Zeit auch viel den Fernseher laufen, um Netflix & Co. zu schauen? Emil lacht. «Nein, praktisch nie. Ich weiss genau, wie anfällig man sein kann, wenn man beginnt, eine Serie zu schauen. Die einzelnen Folgen sind ja so raffiniert gestrickt, dass immer am Schluss etwas passiert, dass man unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Schon schaut man die nächste Folge, ja grad die ganze Serie während fünf Stunden.» Was hat denn der nimmermüde Bühnenmensch sonst in solch humorlosen Zeiten gemacht? «Wacker gschaffed! Das ist eine gute Beschäftigung, wenn man an etwas arbeiten kann, an dem man auch selbst Interesse hat. Niccel und ich haben die Zeit reibungslos überstanden.»
Dass es Emil langweilig wird, gibt es nicht. Oder doch? «Nein, das gibt es wirklich nicht», bestätigt er schmunzelnd. «Seit ich 20 bin, hat es das auch noch nie gegeben.» Aber man habe das auch in der eigenen Verantwortung, meint er mit erhobenem Zeigefinger. «Man muss schon vor der Pension überlegen, was passiert nachher und nicht erst, wenn der 65. Geburtstag da ist. Man muss sich mindestens zehn Jahre vorher etwas zulegen, was einen am Laufen hält, was einen ausfüllen kann.» Und auch später: Wie etwa an einer Autobiographie zu schreiben, die er seit gut zwei Jahren in Arbeit hat. «Das wurde etwas gestoppt durch die vielen Tätigkeiten, wie das neue Programm ‹Emil schnädered› auf die Beine stellen», erzählt der Kabarettist. «Dann zu schreiben, wieder abbrechen müssen, wieder neu starten und so weiter. Es war eine hektische Zeit, und wenn man nur immer eine Stunde daran arbeiten kann, ist es auch nicht gut.»
Andererseits habe er sich gefragt, warum er sich eigentlich selbst feste Daten setze. So könne man doch keine freie Minute mehr geniessen ohne denken zu müssen, eigentlich sollte man ja zu Hause sein und am Buch schreiben. «Aber wüssed Sie was?», sagt er dann mit seinem breiten Emil-Grinsen, «ich setze mich nüme unter Druck. Mini Autobiographie isch dänn fertig, wenn sie fertig isch.»
Emil sprüht wie immer vor Energie. Woher nimmt er diese Kraft? «Dazu muss ich sagen: Ich bin ja nicht allein. Ich habe die beste Hilfe, die ich mir wünschen kann: meine Niccel», schwärmt er von seiner Frau. «Sie bereitet alles bis ins letzte Detail vor und nimmt mir so viel Arbeit ab, sodass ich mich voll und ganz auf das Programm und die Bühne konzentrieren kann.» Wie kein anderer hat der Luzerner die Schweizer Cabaret-Szene geprägt, hat uns in seinen zahlreichen Bühnenstücken den Spiegel vorgehalten. Kaum einer, der sich nicht schon in einem der Sketche wiedererkannt hat. Keiner, der Emil nicht kennt. Sogar in Deutschland, wo die Zuschauerinnen und Zuschauer hinterher der Meinung waren, sie verstünden jetzt Schwiizertüütsch. «Ja natürlich! Uiii, deswegen habe ich schon Katastrophen erlebt!», erinnert sich Emil. «Da kommen sie mit dem Flugzeug in die Schweiz, um mich auf der Bühne zu sehen – und verstehen kein Wort. Oder nur noch die Hälfte! Und fragen mich dann hinterher total verwundert: ‹Warum verstehen wir Sie denn plötzlich nicht mehr? In Deutschland haben wir doch alles verstanden!›» Und Emil zeigt einmal mehr sein fröhliches, ansteckendes Lachen.
Lachen – das ist etwas sehr Wichtiges für Emil Steinberger. «Wenn ich ein neues Programm schreibe, sollen die Leute von der ersten Minute an lachen können. Mir liegt es sehr am Herzen, dass es lustig ist, auch wenn die Aussage vielleicht satirisch gemeint ist.» Dabei spielt es keine Rolle, ob die Leute über sich selbst amüsieren, weil sie sich schon mal in so einer Situation befunden haben, oder sie es einfach nachempfinden können.
«Wenn es ans Herz geht, dann bleibt es in Erinnerung. Daher gibt es immer wieder Leute, die mir erzählen ‹daheim reden wir wie Emil› – also Sprüche aus einem meiner Programme verwenden, die dem Moment entsprechen», erzählt er und kommt so richtig in Fahrt. «Das muess ich Ihne verzelle: Kürzlich habe ich ein Video mit einem Vierjährigen bekommen, der meinen Kinderwagen-Sketch mit dem Bääbiwagen seiner kleinen Schwester spielt. Ist das nicht verrückt? Oder dann ein sechsjähriges Mädchen, das die ganze Eisenbahn-Szene ums Wassen-Chileli spielt – auswendig, mit allen Gesten! Ist das nicht unglaublich!?» Emil, ganz wie er leibt und lebt.
Nun feiert er seinen 90. Geburtstag. Erschreckt ihn die Zahl ein wenig? «Nein, aber das ist mir passiert, als ich 80 geworden bin. Ich weiss noch genau, wie ich aufgewacht bin und mich verwundert gefragt habe: ‹Was, ich bin 80? Weisst du, was das heisst? Oje, 80! Uiuiui, das kommt nicht gut!› Ja und jetzt bin ich bald 90 – und ich spüre es überhaupt nicht.» Er denke auch gar nicht an die Geburtstage, an die Jahreszahlen, denn die hätten ihn nie richtig interessiert. «Ich han immer gschaffed und gläbd, habe erledigt, was ich wollte, was schön und interessant ist.»
Emil, ein Glückspilz? «Unbedingt! Wenn ich schaue, was ich alles gemacht habe und ein Erfolg wurde: Kabarett, Film, Zirkus, Bücher, Schallplatten, Lesungen.» Dazu sein eigenes Kleintheater und Kino in Luzern. Ausverkaufte Vorstellungen waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel – bis heute. Nur lobende Worte von den Kritikern. Auch daran hat sich nichts geändert. «Vor allem basieren all die Erfolge ja auf etwas, das ich gar nicht gelernt habe, es ist einfach so passiert», freut sich der Jubilar.
Wird er seinen Geburtstag feiern? «Ja, aber ganz ruhig. Niemand weiss, wo ich bin. Niccel und ich tauchen konsequent ab für ein paar Tage.» Ihr Geschenk für ihn? «Ein Öl-Malkurs bei einem Kunstmaler.»