Nicole Kündig-Torriani
Liebevolle Erinnerungen
Wie die Zeit vergeht: Am 21. September wäre der grosse Schweizer Entertainer Vico Torriani 100 Jahre alt geworden. Seine Tochter blättert für die GlücksPost im ganz privaten Familienalbum.
Sein Markenzeichen: dauergebräunt und immer bester Laune. Vico Torriani (†1998, Sänger, Schauspieler, Showmaster und Vorzeigebündner wusste, wie man das Publikum dieser Welt erobert. Aber wer war Vico Torriani wirklich?
Seine Tochter, Nicole Kündig-Torriani (67), muss nicht lange überlegen: «Für mich war er ein Mensch mit sehr vielen Facetten. Er liebte Blumen, Tiere, die Berge, das gute Essen, schätzte elegante Leute und lernte viel von anderen – er war ein guter Zuhörer.»
Wir sitzen in ihrem wunderbar gepflegten Garten am Steintisch unter einer Pergola. Fast andächtig blättert Nicole Kündig-Torriani im Familienalbum, entdeckt das eine oder andere Foto aus ihrer Kindheit, lächelt dabei verschmitzt.
Wie war es für sie und ihren jüngeren Bruder Reto (62), einen berühmten Vater zu haben? «Es war für uns eher lästig, wenn wir mal zusammen irgendwo schön auswärts essen wollten. Das war halt im Rahmen der Öffentlichkeit nicht möglich.» Dass sie immer geordnet ins Lokal laufen mussten, nicht nach links oder rechts schauen durften, sei nicht immer angenehm gewesen.
«Ich bin kein Mensch, der gern im Rampenlicht steht. Das zeigt schon meine Berufswahl», sagt die ausgebildete Ergotherapeutin. «Mein Bruder liebte das schon mehr, durfte auch bei verschiedenen Sachen mitmachen, ist in Filmen und TV-Sendungen mit Papa aufgetreten.» Er ist der Showman der Familie. «Er ist ein grosser Schauspieler, kann viele Sprachen und wenn er mit mir auf dem Balkon sitzt, haben die Nachbarn das Gefühl, ich hätte 20 Leute aus Indien und überall zu Besuch», erzählt sie und lacht.
1959 erobert der Troubadour mit der samtigen Stimme mit seiner ersten eigenen Show «Grüezi, Vico» das Publikum der ARD, im gleichen Jahr vertraut ihm der Sender die Show «Hotel Victoria» (1959–68) an – die erste TV-Kochshow weltweit. «Als singender Hotelier und Koch schrieb er Fernsehgeschichte», erzählt seine Tochter. «Umgarnt vom Fernsehballett sang er oft geschlagene neun Minuten Rezepte, während er mit Töpfen, Kellen und Pfannen hantierte, um etwa seine Paella Valenciana zuzubereiten.»
Und das war nicht gespielt, denn Vico Torriani war auch ein begnadeter Koch, kreierte eigene Rezepte, schrieb Kochbücher. «Und er hat auch immer daheim für uns gekocht. Er hat es wirklich zelebriert.»
Sein Erfolg blieb auch beim Schweizer Fernsehen nicht unbemerkt. Mit «Vico, ist’s wahr?», einer Co-Produktion mit der ARD, schickten sie den munteren Engadiner 1963 auf helvetische Reise. Ihm zur Seite ein kleines deutsches Mädchen, das ihm klischeehafte Fragen stellte wie: «Vico, ist’s wahr, dass die Schweizer geizig und temperamentlos sind?»
Wenn Vico Torriani eines nicht fehlte, dann sicher Temperament. Davon hatte der Hobbygärtner («Mit der Rosenschere kann ich genauso umgehen wie mit dem Mikrofon») mehr als genug. Geizig? Im Gegenteil! «Er war fast zu grosszügig, hat immer alle eingeladen, die um ihn herum waren.» Seine Frau Evelyne war es, die
das Geld zusammenhielt. «Sie war eine strenge, aber liebevolle Managerin.» Und die Liebe seines Lebens.
Aber auch im Hause Torriani herrschte nicht immer eitel Sonnenschein. «Mein Vater liebte und sammelte Porzellan-Engelchen. Davon standen zwei auf dem Schrank im Elternschlafzimmer», erzählt Nicole Kündig-Torriani. «Immer, wenn sie nicht so gut Wetter miteinander hatten, wurden die Engeli Rücken an Rücken gedreht. Ein Zeichen für uns Kinder, sehr vorsichtig zu sein. Schauten sich die Engeli wieder an, wussten wir, dass alles wieder gut ist. Das war unser Code.»
Vico Torriani starb im Alter von 77 Jahren in seinem Haus in Agno TI – für immer eingeschlafen bei einem Nachmittagsnickerchen. Am 21. September würde der grosse Entertainer 100 Jahre alt werden. SRF ehrt den unvergesslichen Künstler u.a. mit der Hommage «Grüezi, grüezi mitenand» (20.09., 18.15 Uhr, SRF1).
Eine ganz besondere Würdigung ihres geliebten Papas hat seine Tochter: Die Biographie «Vico Torriani – Ein Engadiner singt sich in die Welt» (in Zusammenarbeit mit Autorin Barbara Tänzler) erscheint am 19. September.
Natürlich darf eine Feier nicht fehlen. Am 19. September findet in St. Moritz die Gala, am 20.9. die Buchvernissage statt. «Beide Anlässe werden live auf vicotorriani.ch übertragen.»
Ein Blick auf die Uhr zeigt: Nicole Kündig-Torriani muss weiter. «Es gibt noch so viel zu erledigen. Aber es macht mit Freude – ich mache es für meinen Papa.»