Jörg Kachelmann
Jörg Kachelmann – Waren es Schreie nach Liebe und Geborgenheit?
Der Wetter-Moderator und seine vielen Frauen: Jahrelang soll der Schweizer ein Doppelleben geführt haben. Was machte ihn so unwiderstehlich? Weshalb diese angeblich vielen Lügen? Eine Gerichts-Psychologin versucht für die GlücksPost das Phänomen Kachelmann zu ergründen.
Der Schweizer TV-Wettermoderator Jörg Kachelmann (51) sitzt seit dem 20. März im Gefängnis. Er wird verdächtigt, seine Ex-Freundin vergewaltigt zu haben. Inzwischen hat sie die Darstellung der Tatnacht bereits etwas korrigiert. Kachelmann selber schweigt. Dafür sprechen immer mehr ehemalige Freundinnen des TV-Stars.
In der Zeitschrift «Bunte» erzählte Isabella M., wie Kachelmann sie und andere Frauen betrogenundbelogen haben soll. Ihre traurige Bilanz nach sieben gemeinsamen Jahren: «Jörg hat meine Seele missbraucht. Jahrelang hat er mit meinen Gefühlen gespielt.» Laut «Bunte» sollen sich darauf weitere Frauen gemeldet haben, die sich von ihm hintergangen und ausgenutzt fühlen. Mehr als ein halbes Dutzend Frauen also, denen er allen das Gefühl gegeben haben soll, sie seien «seine Königin».
Die GlücksPost wollte wissen, was in seiner Seele vorgeht und hat bei der deutschen Psychologin EddaGräfe nachgefragt. Die Expertin erstellt regelmässig Gutachten für das Straf- und Familiengericht. Im Falle des TV-Moderators Andreas Türck (41), der sich wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten musste, erstellte sie ein Glaubhaftigkeitsgutachten über das mutmassliche Opfer. Türck wurde damals freigesprochen. Wenn es im Fall Kachelmann zu einem Prozess kommen sollte, rechnet Gräfe ebenfalls mit einem Glaubhaftigkeitsgutachten.
GlücksPost: Wie schätzen Sie den Menschen Jörg Kachelmann ein?
Edda Gräfe: Er hat sich Parallelwelten aufgebaut, um ein übersteigertes Bedürfnis nach familiärer Nähe, Zuwendung und emotionaler Wärme zu befriedigen. Er schreit geradezu nach Liebe, Wärme und Geborgenheit. Für Menschen mit solchen Handlungsweisen stehen die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund. Herr Kachelmann ist vermutlich nicht in der Lage, eine tragfähige, stabile Paarbeziehung einzugehen. Er funktionalisiert Beziehungen und, folgt man den Angaben seiner Partnerinnen, soll er auch zu drastischen Mitteln gegriffen haben, um sein Parallel-Leben aufrecht erhalten zu können. So soll er beispielsweise schwere Krankheiten erfunden haben. Dies bindet einen Partner natürlich in ganz besonderer Weise: Man nimmt vermehrt Rücksicht, stellt eigene Wünsche und Bedürfnisse in den Hintergrund und die emotionale Zuwendung erhöht sich. Ein überaus strategisches Vorgehen.
Also wusste er, was er tat?
Herr Kachelmann selbst hat die Beziehung zu seiner Mutter einmal als schwierig beschrieben, seinen Vater hat er früh verloren. Unsichere, instabile Beziehungen und Bindungen in der Kindheit wirken sich meist schädigend auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit eines Menschen aus, als Erwachsener tragfähige Partnerschaften eingehen zu können. So könnten auch bei Herrn Kachelmann ungünstige Kindheitserfahrungen, wie zum Beispiel das Gefühl, nicht genügend geliebt worden zu sein, zu einer Beziehungsstörung geführt haben. Dass es ihm aber nicht nur um sexuelle Abenteuer ging, zeigt die Tatsache, dass er das Familienprogramm gesucht hat, wie beispielsweise den Einbezug der jeweiligen nahen Verwandtschaft der Partnerinnen mit gemeinsamen Aktivitäten und Planungen.
Ist ein Mann wie Jörg Kachelmann therapierbar?
Eine Psychotherapie könnte ihm helfen zu erkennen, warum er nicht nur eine, sondern mehrere Partnerschaften brauchte, um das Gefühl zu haben, geliebt zu werden. Eine Psychotherapie kann auch dazu dienen, sich in das Erleben eines anderen Menschen hinein versetzen zu können. Im Fall von Herrn Kachelmann also, wie seine Partnerinnen ihn und sein Handeln erlebten und wie sie mit der Enttäuschung umgehen.
Sind die Aussagen seiner vielen Partnerinnen glaubwürdig und ist auch der Vergewaltigungsvorwurf glaubwürdig?
In solch komplizierten Fällen wird häufig ein sogenanntes Glaubhaftigkeitsgutachten in Auftrag gegeben. Mit den Methoden der forensischen Aussageanalyse prüft der psychologische Sachverständige dann die Aussagen des mutmasslichen Opfers hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben. Es geht hierbei nicht um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, dies würde eine Bewertung der Person bedeuten, sondern um die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen. Möglicherweise gibt die Staatsanwaltschaft ein solches Glaubhaftigkeitsgutachten in Auftrag, das dann die Aussagen der Partnerin von Herrn Kachelmann, die von ihm vergewaltigt worden sein will, prüfen würde. Um sich ein Bild von der Person Kachelmann machen zu können, kann es auch zu Vernehmungen seiner anderen Partnerinnen kommen.