Sina
Ja nichts mehr verschieben!
Zusammen mit Musiker Adrian Stern, mit dem sie seit Jahren eng verbunden ist, entstand ihr neues Album. Darauf dreht sich alles um die Zeit: ein Thema, das in ihrem Leben enorm wichtig geworden ist.
Grün, soweit das Auge reicht, viel Forst und ein wunderbarer Ausblick belohnen die Besucher des Naturschutzgebiets Baldegg in Baden AG. Adrian Stern kommt zu Fuss zum Treffen mit Sina und der GlücksPost – der 47-Jährige wohnt gleich hinter dem Wald. In dieser idyllischen Szenerie haben die Musiker in den letzten Monaten viel Zeit verbracht. Um am neuen Werk der Walliser Künstlerin zu feilen – Adrian als Mitautor und produzent.
Der kreative Weg zu «Ziitsammläri» begann im Lockdown, als es noch keine Impfung gab. «Das war die gute Seite der Geschichte», sagt die 56-Jährige. «Endlich hatten mein Mann Markus und ich mal wieder Zeit, miteinander Musik zu machen. Wir hockten in unserem Home-Studio und schrieben rund einen Drittel der Songs.»
Und was sich da entwickelte, wurde zu Sinas erstem Konzeptalbum. «Alles dreht sich um die Zeit, die an Dringlichkeit gewonnen hat, wenn man sich bewusst wird, dass über die Hälfte des eigenen Lebens vorbei ist», erzählt sie. Im Gegensatz zur Musik sprudelte es textlich jedoch nicht: «Ich hatte eine Art innere Bremse und brauchte dringend Input. Deshalb fragte ich Leute an, deren Art von Geschichten ich mag – wie etwa Bänz Friedli und Sibylle Berg. Und alle haben zugesagt, einen Songtext zum Thema Zeit zu schreiben!»
Eine weitere Änderung kam hinzu: Sinas bisherige Band löste sich auf. Die Musiker hatten sich in der Pandemie neu orientiert oder andere Projekte. Zu Sinas Glück hatte Adrian Stern die Tour zu seinem 2021er-Album «Meer» beendet. Warum nicht bei seiner Freundin einsteigen? «Ich bin für alles zu haben, das Spass macht und wo man mit netten Menschen zusammen ist», erklärt er. Für Adrian ist die Konstellation perfekt: «Sänger meiner eigenen Band wurde ich nur, weil wir damals keinen anderen hatten, und Songs begann ich ebenfalls zu schreiben, weil niemand sonst dafür zu haben war.» Wenn er mit seinen eigenen Liedern unterwegs sei, vermisse er es manchmal, sich nur auf seine Gitarre konzentrieren zu können. «Wenn ich die Leute als Frontmann unterhalten und singen muss, kann ich halt nicht gleichzeitig noch virtuos die Saiten zupfen.» Deshalb freut er sich ungemein, dass er nun «nur» den Part des Gitarristen übernehmen darf. «In Sinas Band geht es einem super. Sie schmeisst den Laden gut. Ich lerne ganz viel von ihr – das habe ich schon getan, als ich vor 20 Jahren in ihrer Band spielte.»
Für Sina hingegen bedeutet Sterns Einstieg Sicherheit: «Ich kann mich einfach fallen lassen und weiss, hinten funktioniert es. Adi in der Band zu haben, ist ein riesiger Gewinn. Er kennt als Produzent von ‹Ziitsammläri› und dem Vorgängeralbum ‹Emma› alle Songs in- und auswendig.» Ein paar Mal wird allerdings ein Ersatzmann für Stern einspringen müssen. Er ist nebenbei Teil des Secondhand Orchestra, das ab 7. 12. mit der Produktion «Freddie – die Mundartshow» durch die Schweiz tourt (Infos und Tickets: www.secondhandorchestra.ch)
«Ziitsammläri» sei eine sehr aufwendige Produktion gewesen, meint Sina. «Ich redete schon lange davon, an einen Ort zu gehen und ungestört zusammen in die Musik einzutauchen.» Aber man müsse es dann halt auch mal tun. «Wenn nicht jetzt, wann dann?» So mieteten sich Sina und Co. im Grand Hotel Giessbach am Brienzersee ein. «Ich wollte mich voll und ganz in den kreativen Prozess vertiefen – zehn Tage nur Musik. Kein Alltagskram, kein Kochen. Es war eine super Erfahrung!» Für sie sei das Hotel ein Kraftort gewesen. «Wir bauten ein Aufnahmestudio in den Ballsaal und zogen etwa 20 Akustik-Wände hoch.» Immer wieder traf man sich am See. «Ich kam noch nie so erfrischt aus einer Produktion. Es war wie eine Zeitreise.»
Während der Pandemie habe sie an vielen Beerdigungen gesungen, erzählt Sina. «Deshalb: Wenn ich mir etwas wünsche, dann Zeit mit Menschen, die mir am Herzen liegen.» Es nimmt sie Wunder, was in den nächsten 30 Jahren passieren werde. «Ist vielleicht mal gut mit Musik?», fragt sie sich – nur um den Gedanken gleich wieder zu verwerfen: «Die Musik ist mein Motor. Ohne sie würde ich stillstehen.» Da Markus Kühne (59) der Hausmann des Paars ist, darf Sina «fliegen». Sie sagt: «Ich nehme mir grundsätzlich vor, Dinge, die ich erleben oder realisieren möchte, nicht mehr zu verschieben.»