In Ehren von Vater Charlie

Charlie Chaplin schätzte die Privatsphäre und Ruhe in der Romandie. Sein Sohn bewahrt das ­Vermächtnis ­seines weltberühmten ­Vaters durch ­Führungen im ­Museum und ­Erzählungen bei musikalischen Veranstaltungen.

Von Remo Bernet

Hunderte Besucherinnen und Besucher strömen Tag für Tag durch sein Elternhaus oberhalb von ­Vevey VD. Denn heute ist das einstige Daheim von Eugene Chaplin (71) ein Museum, das an seinen prominenten Vater und sein ­Leben in der Schweiz erinnern soll. Er selbst wohnt 40 Minuten weit weg, noch immer sei es ein spezielles Gefühl, durch die Zimmer seines alten Zuhauses zu spazieren. «Ich wurde hier sogar geboren», erzählt Eugene Chaplin. 

Wieso es seinen Vater, den weltbekannten Schauspieler und Künstler Charlie Chaplin (1889–1977), an den ­Genfersee zog? «Er hat sich in diesen Ort verliebt», erzählt sein Sohn. Und das ist gut nachvollziehbar: Vom Anwesen aus hat man eine wunderbare Sicht auf den Genfersee und die ­Berge. Aber es gibt noch einen weiteren Grund: «Meine ­Mutter war schwanger, als sie hierherzogen. Und für meinen Vater war es der ideale Ort, um die Kinder grosszuziehen.»

Charlie Chaplin selbst schwärmte einst in einem Brief über seine Wahlheimat: «Das Leben in der Schweiz ist wirklich schön, kann man sich hier doch nach Herzenslust ent­falten.» Er liebe es hier von Tag zu Tag mehr.

Ruhe in der Westschweiz

Auch soll der gebürtige Brite die Privatsphäre extrem geschätzt haben. «Die Schweizer sind viel zurückhaltender, sie lassen einen in Ruhe. Papa konnte hier das Leben leben, das er immer wollte», erklärt Eugene. Ungestört konnte der Weltstar hier an Filmmusik ­arbeiten, aber auch entspannt in der nahe gelegenen Stadt Lausanne eine Zeitung kaufen gehen. «Er fühlte sich en Suisse zu Hause.»

Dennoch: Wirkliche Freundschaften pflegte der Macher von cineastischen Meisterwerken wie «Lichter der Grossstadt» (1931) und «Moderne Zeiten» (1936) nicht zu den Einheimischen. «Er wollte die Zeit lieber mit meiner Mutter und uns Kindern geniessen. Ausserdem bekam er ja ganz oft Besuch von Freunden aus aller Welt, welche die Ruhe hier ebenfalls sehr geschätzt haben.»

Charlie Chaplin sei ein humor­voller und guter, aber auch strenger Vater gewesen. «Ihm lag viel daran, dass ­meine fünf Geschwister und ich eine solide Ausbildung bekamen und gute Manieren hatten. Für ihn war das der Grundstein für ein erfolgreiches Leben», sagt Eugene Chaplin.

Der grossen Karriere seines Vaters nachzueifern, war für ihn nie eine Option. «Ich habe schon früh erkannt, dass ich niemals so begabt bin wie er, und habe ­deshalb auch nie versucht, in seine Fussstapfen zu treten», sagt Eugene. «Ich war mehr ­darauf konzentriert, Erfüllung zu finden, mit etwas, was mir persönlich Spass macht.» Also ging Eugene Chaplin seinen ­eigenen Weg. Als Tontechniker arbeitete er mit grossen Musikkünstlern wie The Rolling ­Stones, Queen und David ­Bowie (1947–2016). Ausserdem war er mit dem Circus Nock als künstlerischer Direktor auf Tournee. «Das waren sechs intensive, aber sehr schöne Jahre», sagt er über sein letztes ­Engagement. Noch ­immer treffe er die Leute von damals. Das seien immer ­wieder schöne Wiedersehen, meint er nostalgisch.

Mit viel Leidenschaft setzt sich Eugene Chaplin dafür ein, das Vermächtnis seines Vaters aufrechtzuerhalten. «Papas einzigartige Pantomime hatte eine grosse Wirkung auf die Menschen: Jeder auf der Welt konnte sie verstehen, kann das noch heute. Und die ­Themen, die er in seinen ­unvergesslichen Filmen ansprach, sind bis heute verständlich und in vielen Belangen ja auch aktuell geblieben.»

Deshalb sei das Museum Chaplin’s World, das Fans aus der ganzen Welt in die Westschweiz lockt, eine Herzensangelegenheit für ihn. Er und seine Geschwister würden sich mit viel Engagement dafür einsetzen, dass diese Erinnerungsstätte einen möglichst authentischen Einblick in das Leben und Wirken der Stummfilm-Legende gebe. 

Sein persönliches Herzensprojekt in seinem Zuhause? «Ganz klar ‹Chaplin Pianis­simo›!», antwortet Eugene. ­Darin erzählt er, begleitet von Pianisten, schöne Anekdoten seines Vaters. Lächelnd erzählt er eine solche: «Papa hat Albert Einstein in den  1930er-Jahren an die Premiere von ‹Lichter der Grossstadt› eingeladen. Während der Anfahrt meinte dieser im Auto zu ihm: ‹Weisst du, was das Unglaub­liche an dir ist? Du musst nicht sprechen, dennoch versteht dich jeder.› Papa antwortete: ‹Das Unglaubliche an dir ist, dass du sprichst, aber ­niemand versteht dich.›» 

Auch wenn ­Eugene Chaplin diese Geschichte schon hunderte Male erzählt hat, muss er noch ­immer lachen. Ein weiteres Zeugnis für den zeit­losen Humor des ­grossen ­Charlie Chaplin.