Ihr Vermächtnis – ein Wegweiser zum Glück

Beim Betreten des Grundstücks in Erlenbach ZH hat man das Gefühl, in eine verwunschene Welt zu gelangen: Üppig bewachsen und wunderbar gepflegt präsentiert sich der Ort, an dem Regula Curti (64) wohnt und arbeitet. Auf der Wiese am See tollt ihr Hund. Auf dem Steg mit Blick auf den ganzen Zürichsee und die Berge meditiert sie gern. Hier ist auch ihr Yoga- und Therapiezentrum Seeschau. Das alles wird beschützt von einem riesigen, über 150 Jahre alten Mammutbaum.

Die Musikerin und Gründerin der «Beyond Music Foundation» ist eine langjährige Freundin von Tina Turner und gibt der GlücksPost an deren Stelle ein Interview zur eben erschienenen Biographie der Sängerin. Das neue Buch wollte die 80-Jährige schon lange schreiben, fand jedoch nie den richtigen Zeitpunkt. Regula Curti half ihr, das Projekt voranzutreiben und ist auch Co-Autorin von «Happiness» («Glück»). Die beiden Frauen verbindet ihr gemeinsames Interesse an Spiritualität und den buddhistischen Lehren. Sie haben zusammen im Rahmen des Musikprojekts «Beyond» mehrere CDs mit gesungenen Gebeten und Mantren aus allen grossen Weltreligionen aufgenommen.

«Ich bin so froh, dass Tina ihr Buch in ihrem hohen Alter noch geschrieben hat», sagt Regula Curti. «Der Gedanke, dass sie sterben würde, ohne ihr grosses Geheimnis preiszugeben, machte mich ganz krank. Die Welt muss erfahren, dass es einen Weg zum Glück gibt, den jeder und jede beschreiten kann.» Doch es brauche eine prominente Persönlichkeit, die dieses Wissen mitteile. Jemandem mit Tinas Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad höre man zu. «Und ihr Leben beweist, dass es kein abgehobenes Geschwätz ist, sondern tatsächlich funktioniert. Aber: Man muss es tun. Die tägliche Disziplin ist Voraussetzung.»

Tina und Regula Curti sind seit vielen Jahren eng befreundet. Curtis Gatte Beat half der Sängerin damals, ihr Zuhause am Zürichsee zu finden.

In «Happiness» erzählt Tina Turner, wie sie die vielen Hürden in ihrem Leben überwinden konnte dank der jahrzehntelangen Praxis im Chanten von Mantren. Oder anders gesagt: das tägliche, wiederholte Rezitieren von heiligen Versen aus dem Buddhismus.

Auf die Kraft des Chantens stiess Tina während ihrer schrecklichen Ehe mit Musiker und Bühnenpartner Ike Turner (†2007), der sie misshandelte und bevormundete. Ihr Drama blieb anderen nicht verborgen. Mehrere Personen empfahlen ihr unabhängig voneinander, es mit Chanten zu versuchen. Nachdem das Thema mehrfach an sie herangetragen worden war, erkannte Tina dies als spirituelle Botschaft, der sie dringend folgen sollte. Sie begann damit, täglich das Mantra «Nam-Myoho-Renge-Kyo» (grob übersetzt: «Ich widme mich dem mystischen Gesetz von Ursache und Wirkung») zu rezitieren. Es ist bis heute ihr Hauptmantra geblieben und gilt laut dem japanischen Mönch und Gelehrten Nichiren (1222–1282) als Essenz von Buddhas Lehren.

1976 war die Amerikanerin dank der täglichen spirituellen Übungen stark genug, sich aus der Ehe mit Ike zu befreien und ihren eigenen Weg zu gehen. All den vielen weiteren Hindernissen auf ihrem Weg, eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt zu werden, begegnete sie mit ihrer neu gewonnenen inneren Kraft: «Ich stellte der dröhnenden Unmöglichkeit, meine kühnsten Träume zu verwirklichen, mein kraftvolles Nam-Myoho-Renge-Kyo entgegen. Es ist wie das Brüllen eines Löwen. Was kann da noch ein Hindernis sein?», fragt sie die Leserin. «Es gab so viele äussere Umstände und Kräfte, die ich nicht ändern oder beherrschen konnte, aber ich hatte eine entscheidende Erkenntnis: Ich konnte die Art und Weise ändern, in der ich auf diese Herausforderungen reagierte. Die wertvollste Hilfe kommt von innen.»

In den vergangenen zehn Jahren war Tina mit einem Schlaganfall, Darmkrebs, Nierenversagen und einer Nierentransplantation konfrontiert. Dass sie all diese schrecklichen, potenziell tödlichen Krankheiten durchmachen musste und damit heute gut leben kann, ist für sie kein Zufall: «Hier hat sich der unschätzbare Wert meiner langen spirituellen Praxis erwiesen», schreibt sie. «Ich habe meine ganze Widerstandskraft aufgeboten. Und ich weiss, dass meine Fähigkeit, den Heilungsprozess gut zu durchlaufen, ebenfalls durch meine Praxis entstanden ist.»

Es gibt einen weiteren Grund, weshalb Tina diese Krankheiten überlebte: Es lag noch eine Aufgabe vor ihr – dieses Buch zu schreiben. Sie wollte der Welt neben ihren Superhits ein weiteres Vermächtnis hinterlassen: einen Wegweiser, der allen helfen soll, ihr Leben vorteilhafter und sinnvoller zu gestalten und so auch die Welt zu einem besseren Ort zu
machen. «Mein eigenes Erwachen begann vor fünf Jahrzehnten durch Praxis und Studium buddhistischer Lehren», erzählt die Rock-Ikone. «Schon lange habe ich den Traum, die Geschichte dieses wertvollsten Teils meines Lebens mitzuteilen. Nun ist die Zeit gekommen. Ich gebe dir meine Einsichten weiter, damit du die Werkzeuge hast, um deine Hindernisse zu überwinden und um deine Träume zu verwirklichen, sodass du wirklich glücklich werden kannst.»

Curti verrät, dass das Werk eigentlich schon früher fertig gewesen wäre, Tina es jedoch bewusst erst 2020 veröffentlichen wollte. Obwohl sie damals nicht wissen konnte, dass die Menschheit in diesem Jahr vor einer globalen Krise stehen würde. Die Leute im Lockdown auf sich selbst zurückgeworfen, entdeckten soziale Kontakte und gegenseitiges Helfen als wichtige Themen. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass spirituell weit entwickelte Menschen wie Tina immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind», sagt Regula Curti. «Die Welt muss reif sein, um diese Botschaft zu empfangen. Tina möchte, dass alle verstehen, worum es geht.»

Deshalb sei sie auch so fasziniert vom Nichiren-Buddhismus: «Seine Lehre ist sehr klar und einfach und für jeden zugänglich.» Die schöne Botschaft lautet: Jede und jeder kann jederzeit weiterkommen, aus jedem vermeintlich schlechten Moment etwas Gutes für sich herausziehen, daran arbeiten und wachsen: «‹Verwandle Gift in Medizin› ist Tinas grosses Motto», erklärt Regula Curti. «Ebenso wie das Prinzip von Ursache und Wirkung. Durch das Chanten reinigen wir unser Unterbewusstsein von Hindernissen, verhindern schlechte Entscheidungen. Das ist gerade in Zeiten grosser Herausforderungen wichtig.»

Den Weg zum Erwachen anzutreten, ist immer möglich. In Tinas Worten: «Der höchste Zustand im Leben zeichnet sich durch vollkommene Freiheit und Ganzheit und durch absolutes Glück aus. Wir verwirklichen ihn durch bewusstes positives Handeln, besonders durch solches, das im Zustand der Buddhaschaft geschieht, die geprägt ist von unermesslichem Mitgefühl, grenzenloser Weisheit und unerschütterlichem Mut. Wir verfügen alle über das Potenzial, in jedem Moment diesen Zustand hervorzubringen.»

Am Schluss des Buchs wünscht Tina dem Lesenden «auf deiner Reise zur Freude alles Gute», verabschiedet sich mit: «Bitte gib nie auf, mach weiter das Unmögliche möglich, verwandle Gift in Medizin, damit du wahrhaft glücklich werden kannst, denn Glück steht dir zu, für immer. In Liebe, Tina.»