Marc Dietrich
«Ich musste die Handbremse ziehen»
In den 70er-Jahren eroberte er mit Peter, Sue & Marc das Publikum. Eine Rampensau sei er gewesen, sagt der Musiker. Dennoch geht er heute andere Wege – da die Stimme nicht mehr mitmacht.
Welcher Ort würde sich für ein Treffen mit dem Vollblut-Stadtberner besser eignen? Marc Dietrich (74) hat die Fasnachtsbeiz «Zunft zur füfte Jahreszyt» im Herzen der Berner Altstadt 2006 gegründet und führt sie seither, zusammen mit seiner Frau Trix, der Liebe seines Lebens. «I bi dr Cuco», sagt Dietrich spontan, reicht die Hand zur Begrüssung und bittet zum Abstieg in seine angenehm kühle Kellerbar. «Chömet ine, nämet Platz.»
GlücksPost: Peter, Sue & Marc – daran kommen wir nicht vorbei – waren das Traum-Trio der 70er-Jahre, ABBA der Schweiz wurden Sie sogar genannt …
Marc Dietrich: Es hat nur noch eine zweite Frau dazu gefehlt – und circa 1500 Franken. Dann wären wir fast wie ABBA gewesen (lacht herzhaft).
Und Marc Dietrich, mit Schnauz und sexy-rauchiger Stimme, war der Frauenschwarm.
Frauenschwarm? Wenn Sie mich so sehen – danke vielmal! (Grinst.) Aber Frauenschwärme waren wir alle drei. Es gab auch Frauen, die für Sue geschwärmt haben. Sagen wir es so: Peter war der Kopf der Gruppe, der Komponist. Von mir sind nur ein paar wenige Songs, denn ich bin von Natur aus «e fuule Cheib». Peter hat auch die Fäden gezogen, ohne ihn hätte es das Trio gar nicht gegeben. Natürlich haben die Stimmen von Susle und mir etwas ausgemacht. Kurz: Peter war der Drahtzieher im Hintergrund und ich die Rampensau.
Immer schon?
Ja, denn ich wollte etwas erzählen, mit den Leuten kommuni-zieren. Darum bin ich heute ja auch Stadtführer in Bern. Mit Leib und Seele zeige ich den Leuten meine Stadt – übrigens die schönste Stadt überhaupt.
Das sagen Sie …
Ja, ja, ich weiss, jeder behauptet von seiner Stadt, sie sei die schönste – aber bei Bern stimmt’s! (Lacht.)
Erkennen die Leute Sie noch nach so langer Zeit?
Zum Teil. Aber eben, das ist schon über 40 Jahre her.
Der Schnauz ist noch immer da, inzwischen ergraut und kombiniert mit Bart. Wie geht’s der Stimme?
Die ist noch da – aber 2019 war sie’s plötzlich nicht mehr. Ich hatte damals ein zweimonatiges Engagement als «Chachelihannes» nach Jeremias Gotthelf auf der Moosegg im Emmental. Die Titelrolle war mir auf den Leib geschrieben. Wir hatten eine wunderschöne Premiere. Es war leider mein erster und zugleich letzter Auftritt in dem Stück, denn am folgenden Morgen war die Stimme weg. So etwas ist mir vorher noch nie passiert.
Das hat sicher wehgetan, oder?
Ja, und wie! Vor allem, weil ich mich so sehr darauf gefreut hatte. Es war das letzte Engagement für mich – denn ich musste feststellen, dass das Risiko einfach zu gross ist für die Organisatoren.
Das heisst Schluss mit Singen – echt jetzt?
Rhythm and Blues, das geht noch. Aber auch dafür muss die Stimme ja noch da sein. Aber leider ist sie nicht mehr dort, wo sie sein sollte. Ich habe eine sogenannte Organverschiebung durchgemacht: Meine Stimme ist am Arsch (lacht). Ich habe geraucht «wi ne Moore», habe eine Zeitlang getrunken «wi ne Moore» – das ist nicht ohne Folgen geblieben.
Und dann?
Dann musste ich die Handbremse ziehen: Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, habe den Alkoholkonsum besser eingeteilt. Das ist nun schon fast 20 Jahre her. Heute geht es mir blendend. Ein Gläschen oder so gönne ich mir weiterhin. Wie heisst der Song noch mal: Ohne Gläsli geht der Cuco nie ins Bett.
Sie sind sehr offen und ehrlich – auch zu sich selbst …
Nicht nur zu mir, auch zu anderen. Ich erzähle einfach, was passiert ist. Ich lüge nicht gerne, nur damit ich besser dastehe, sondern ich sage, was Sache ist.
Die Musik ist aber noch immer Ihr Leben …
Das ist so. Ohne Musik weiss ich nicht, ob es mich noch geben würde. Musik war einer der Gründe, weshalb ich es geschafft habe, aus den Problemen, die ich hatte, rauszukommen. Die Musik, meine Freunde, mein positives Denken und meine Frau Trixli. Sie ist mein Anker und meine Seelenverwandte.
Zu jedem runden Geburtstag wollten Sie ein neues Album herausbringen. Und?
Das habe ich getan, wenigstens fast. Zum 50. brachte ich «Marcollage» raus, da habe ich allen, mit denen ich 30, 40 Jahre lang Musik machte, ein Lied gewidmet. Zum 60. Geburtstag dann mein «Bärn-Blues», alles Songs mit Texten auf Bärndütsch von mir, auf Blues–Standards arrangiert. Bei meinem 70. dachte ich mir aber: Was will ich denn noch? Ich mochte einfach nicht mehr.
Als selbst ernannte Rampensau: Fehlen Ihnen die Bühne, das Scheinwerferlicht nicht?
Mittlerweile nicht mehr. Mein Sohn Bruno macht ja Musik. Er ist ein Vollblutmusiker. Er spielt Schlagzeug und auch die gleichen Instrumente wie ich, er singt – und alles zehnmal besser, als ich es je konnte.
Peter, Sue & Marc erleben dieses Jahr ein Revival: Nach 2015 und 2016 wird in Zürich das Musical «Io senza te» vom 13. Juli bis 27. August bei den Thunerseespielen aufgeführt. Wird das Trio an der Premiere vereint sein?
Auf jeden Fall! Sicher an der Premiere und auch an der Dernière – und möglicherweise auch mal zwischendurch. Wir werden alle Künstlerinnen und Künstler persönlich begrüssen, wir werden Danke sagen und die Ehre entgegennehmen. Es ist halt einfach viel Herzblut drin. Ich freue mich riesig darauf!