Mona Vetsch
«Ich mag das Unbekannte»
Mal schuftet sie auf dem Feld, mal kämpft sie im Kinderspital mit den Tränen: Für ihre Sendung taucht die Moderatorin wieder in neue Welten ein – was sie trotz Kontrollzwang liebt.
Stockdunkel ist es, als sich das Kamerateam vor dem SRF-Gebäude in Zürich bereit macht, kurz nach vier zeigt die Uhr an. Der Dreh für eine Folge von «Mona mittendrin» beginnt. In der Serie begibt sich Mona Vetsch (43) jeweils für drei Tage an einen Schauplatz in der Schweiz – ohne vorher zu wissen, wohin es geht. Einen Anhaltspunkt liefert ihr einzig ein Gegenstand in einer schwarzen Box, die der Redaktor eben am Boden platziert. Und dann eilt die Thurgauerin auch schon herbei. Sie findet’s, obwohl sie 17 Jahre lang Morgen-Moderatorin beim Radio war, gar früh. «Schlaf ist etwas vom Besten. Wer lange schläft, verpasst den Tag? Findi also nöd!»
Genug lamentiert, es geht zügig los: Kamera an, Mona öffnet die Box – und zieht Fussball-Stulpen heraus. «Oje, was macht ihr mit mir? Fussball! Das spiele ich höchstens mit meinen Söhnen!», sagt die Mutter von Antonin (7), Dimitri (9) und Matteo (11), der aus der früheren Beziehung ihres Mannes Stephan (43) stammt. Mit ihren Jungs, erzählt sie später, sei stets Action angesagt. «Bei uns ist es immer laut und lustig, sie sind ständig in Bewegung – was mir sehr entspricht.» Sie sind gerne draussen, seien in den Ferien im Münstertal beispielsweise über Stock und Stein einem ausgetrockneten Bachlauf gefolgt. «Ich mag das Unbekannte, erlebe gerne Abenteuer.»
In «Mona mittendrin» bekommt sie diese. Mittlerweile ist sie mit dem Auto unterwegs Richtung Westen, bei Niederbipp BE soll sie die Autobahn verlassen. Firmen für Hygieneartikel tauchen auf. Sind sie ihr Ziel? Das Rätselraten geht weiter. Obwohl das Unbekannte sie reizt, ist es beruflich gesehen ein zweischneidiges Schwert: Ihre Abenteuerlust kollidiert mit ihrem Kontrollzwang. «Eigentlich bin ich eine Perfektionistin, die sich lieber doppelt und dreifach absichert. Hier muss ich aus meiner Komfortzone heraus. Aber das ist genau der Punkt, der es auch für die Zuschauer spannend macht. Und ich muss sagen: Ich mag den Kick. Er befreit mich auch davon, alles akribisch vorbereiten zu müssen.»
Inzwischen ist sie am Ziel angekommen. Ein Mann erwartet sie vor einer grossen Halle. Im Gespräch findet Mona Vetsch heraus: Sie hat es mit Beat Bösiger zu tun, Chef der Bösiger Gemüsekulturen AG. Das heisst: Wenig später, es ist erst sieben Uhr morgens, steht sie mit Saisonarbeitern auf dem Feld, schneidet Eisbergsalate, die direkt dort verpackt und etikettiert werden. In der Pause spricht sie mit einer Arbeiterin, die ihr mit feuchten Augen erzählt, dass sie Grafikerin sei, aber daheim in Portugal keinen Job finde. Zwei Kinder würden dort auf sie warten. Geschichten wie diese machen «Mona mittendrin» aus.
Für die aktuelle Staffel traf die Moderatorin u. a. Drogensüchtige in einer Gassenküche und lernte auf der Krebsstation im Kinderspital St. Gallen kleine Kämpfer kennen. «Das war wirklich …», sie atmet tief durch, «… das ging wirklich ans Herz.» Der Kontakt mit den Kindern und deren Eltern, die Gefühle zwischen Hoffnung, Angst und Ungewissheit: Das sei wohl ihr berührendster Einsatz gewesen. Hatte sie mit den Tränen zu kämpfen? «Ich habe nicht nur mit ihnen gekämpft. Es gibt dort ein Buch – mit den Kindern, die gestorben sind …»
Nach solchen Einsätzen brauche sie jeweils etwas Zeit für sich, um alles zu sortieren, bespreche es auch nicht mit der Familie. Das sei ähnlich, wie wenn ihre Buben aus der Schule kämen. Sie würden es auch nicht mögen, wenn sie immer frage: «Und, wie isch gsi?» Was sie aus jedem Dreh mitnehme, sei ein Gefühl der Dankbarkeit für die wichtige Arbeit, die viele Menschen in unserem Land ganz im Stillen verrichten.
So wie ihre «Kollegen» auf dem Feld. Mittlerweile ist es Mittag geworden, und nach der Pause, während der sie noch im Tomaten-Gewächshaus vorbeischaut, gibt Mona Vetsch ihr Bestes beim Ernten der Zucchini. Und dort löst sich dann auch das Rätsel um die Fussball-Stulpen. Sie werden über die Unterarme gezogen: Die Pflanzen haben kleine Stacheln.
Weder Zucchini noch Eisbergsalate wird Mona jemals mehr mit denselben Gefühlen in ihr Poschti-Körbli legen wie vorher. Sie geniert sich etwas: «Ehrlich gesagt habe ich mich nie gefragt, wo das Gemüse herkommt. Ich, als Bauerntochter!» Ihre Eltern hätten Kühe, Schweine, Ackerland und Bäume gehabt, erzählt sie noch, bevor sie sich verabschiedet. Die Nacht verbringt die TV-Frau in der Unterkunft der Saisonniers, bleibt auch da, wenn die Kamera längst aus ist. Nur so entstehe echte Nähe, nur so ist sie wirklich mittendrin in deren Welt.