«Ich fühle mich beschenkt»

In einem «G&G»-Spezial blickt die Moderatorin auf viele TV-Highlights zurück. Im Interview erzählt sie von ihren persönlichen Höhepunkten – und davon, was sie beim Blick in die ­Zukunft beunruhigt.

Woran erinnern Sie sich besonders gern zurück?

Etwas vom Schönsten waren sicher die grossen Kulturevents, «La Traviata» im Hauptbahnhof, «La Bohème» im Hochhaus, die «Aida» am Rhein. So etwas zu realisieren, ist undenkbar mit den heutigen Budgets. Der Kultur in dieser Form trauere ich schon ein wenig nach. Oder auch kleineren Formaten, Gesprächssendungen oder Berichterstattungen vom Lucerne Festival oder von den Bregenzer Festspielen, die aus Kostengründen nicht mehr stattfinden. Ich fand es immer schön, die sogenannte Hochkultur einem breiteren Publikum verständlich vermitteln zu dürfen. Und dadurch neue Türen zu öffnen. 

Hat sich SRF gut gehalten über all die Jahre?

Ich finde schon. Es ist mit der Zeit gegangen, hat sich entwickelt, ist modern. Dass Formate gestrichen wurden, der Fächer kleiner ist, seit ich vor 30 Jahren dort anfing, bedauere ich. Aber wie soll das auch anders sein, wenn man heute  nicht nur mit anderen Sendern, sondern zudem mit Streaming und Social-Media-Kanälen konkurriert, die einem die Zuschauer wegnehmen? Und dann heisst es auch noch Sparen.

Das ist vermehrt angesagt, sollte die Halbierungsinitiative angenommen werden.

Das wäre nicht gut. Ich habe gesehen, was bei der ersten Kürzung passiert ist. Sie hat die Bandbreite nochmals reduziert. Am Ende bleiben irgendwann nur noch News und Sport übrig. Meines Erachtens gehören auch sorgfältig produzierte Kultur und Unterhaltung zum Service public. Sie widerspiegeln Seele, Temperatur und Befindlichkeit in unserer Gesellschaft. Ich erinnere an die Zeiten, als die Privaten aufkamen, und schnell war klar, dass der journalistische Anspruch ein anderer war. Das Schweizer Fernsehen hielt immer ein gewisses Mass an Niveau und Anstand entgegen. 

Sie befürchten also?

Dass man hier im Affekt abstimmt. SRF ist nach wie vor ein wichtiger Garant für Qualität, für Service public, für ausgewogene, unabhängige Berichterstattung. Alles andere findet man auf Social Media und allen möglichen Plattformen. Das Schweizer Radio und Fernsehen hat einen Auftrag, der zu erfüllen immer schwieriger wird. Ich möchte in einem Land leben, in dem ich möglichst unabhängige Informationen erhalten kann. Sägt man entsprechenden Institutionen am Bein, sägt man meines Erachtens am Bein unserer Bildung, unserer Demokratie.

So deutlich äussern sich nicht alle.

Ich sage das als Zuschauerin und Konsumentin. Für SRF habe ich schon länger keine Sendungen mehr gemacht und beziehe keinen Lohn.

Reden wir nochmals über die Vergangenheit: Nicht nur SRF blickt zurück, auch andere tun’s. Wie erklären Sie sich den Retroboom?

Damit, dass man mit den Jahren über ein immer grösseres Archiv mit immer mehr Perlen verfügt und dass es sehr schade wäre, diese einer jüngeren Generation nicht zu zeigen. Netter Nebeneffekt: Man kann günstig Sendungen produzieren, die trotzdem sehr attraktiv sind.

Wieso?

Weil sie ein nostalgisches Bild einer Schweiz zeigen, die sich so verändert hat, dass es für ein jüngeres Publikum amüsant und verblüffend ist und manchmal sogar erschreckend. Zudem wird das klassische TV-Publikum älter, blickt gern zurück, ich beobachte das ja auch an mir. Wenn ich eine Heidi Abel oder einen Léon Huber sehe, geht mir eine Welt der Erinnerungen auf, es zeigen sich viele Bilder, und ich sitze wieder mit «Chnüüsöcke» und Zahnspange auf dem alten Sofa und weiss noch genau, wie ich mich damals fühlte.

Ertappen Sie sich in so Momenten dabei, dass Sie denken, früher war alles besser?

Ja, und dann aber gleich auch das Gegenteil. Alles hat zwei Seiten. Das Fernsehen und das Leben im Allgemeinen waren früher bedächtiger. Und dadurch war in Kopf, Bauch und Herz etwas weniger Sturm. Die Unruhe, die wir heute mit uns herum-tragen, da uns einfach so viele Impulse kirre machen, ist kein Gewinn. Umgekehrt ist uns nicht zuletzt durch die Technologie die Welt aufgegangen, und wir sind heute allgemein als Gesellschaft sicher offener und toleranter.