Bigna Silberschmidt
«Ich brauche die Abwechslung»
Für eine Doku-Reihe begab sich die «10 vor 10»-Moderatorin auf Entdeckungstour ins Grüne. Etwas, das ihr sehr entspricht – weil ihr die Natur am Herzen liegt. Und sie zudem gerne neue Herausforderungen annimmt.
Mit dem Velo kommt Bigna Silberschmidt zu dem kleinen Café in Zürich angeradelt – entspannt und pünktlich auf die Minute. Beides ist nicht selbstverständlich, hat sie doch einiges zu tun. Neben ihrem Job als «10 vor 10»-Moderatorin und Redaktorin ist die 36-Jährige Teil der Doku-Reihe «Rendezvous im Park» von SRF, RTS und RSI (siehe Box). Darin erkundet sie fünf Naturpärke der Schweiz, gibt mit Alain Orange und Christian Bernasconi, zwei TV-Kollegen aus der Westschweiz und dem Tessin, Einblicke in die verschiedensten Bereiche – vom Naturschutz bis zu möglichen Aktivitäten.
GlücksPost: Sie haben das Café «Zum Guten Glück» als Treffpunkt vorgeschlagen. Wann hatten Sie besonders Glück im Leben?
Bigna Silberschmidt: Oh, gleich zu Beginn eine so grosse Frage (lacht)! Ich schätze es extrem, dass ich in einem Land aufwachsen durfte, in dem so viel Stabilität herrscht, mit einem so guten Gesundheitssystem, und wo ich diesen Job machen darf. Privat, dass ich ein so schönes Umfeld habe, ein Umfeld aus Gold, sage ich immer. Das ist pures Glück. Ach ja, und natürlich, dass wir so tolle Landschaften hier haben.
Sie selbst leben aber in der Stadt Zürich. Was gefällt Ihnen hier?
Die Vielfalt, das kulturelle Angebot – Theater, Kino, Kleinkunst –, aber auch an den See gehen zu können, sich spontan mit Menschen treffen. Ich muss jedoch auch immer mal wieder raus.
Weil Ihnen die Natur fehlt?
Sagen wir es so: Wenn ich in der Stadt bin, ist alles gut. Doch ich plane mir Inseln ein: Es ist wichtig für mich, immer zu wissen, wann es wieder in die Natur geht. Ich will aber nicht das eine gegen das andere ausspielen: Es ist das Miteinander, das für mich ziemlich perfekt ist.
Wie sehen diese Ausflüge bei Ihnen denn aus?
Da gibt es die kurzfristigen, kleinen Inseln: Ich packe mein Gravel Bike – eine Mischung aus Rennvelo und Mountainbike – und mache Touren gleich ausserhalb der Stadt. Am liebsten solche, wo man ein bisschen herum und irgendwo hinaufkommt. Langsam ankommen, etwas entdecken und gleichzeitig Sport machen.
Und die grösseren «Inseln»?
Ich mag es, immer wieder neue Orte in der Schweiz zu erkunden. Ich habe eine «Zu entdecken»-Liste, wo ich Dinge aufschreibe, die mir Freundinnen und Freunde empfehlen oder die ich auf
Instagram sehe.
Was steht denn da so drauf?
Sehr vieles! (Sie lacht und schaut in ihrem Handy nach.) Zum Beispiel ein Bike-Trail im Berner Oberland mit der Notiz «grossartiges Felspanorama». Oder hier: der Google-Maps-Link zu einem Ort im Wallis mit der Bemerkung «zauberhafter Blick aufs Horu».
Das passt. Sie haben sich auch schon als «Bergkind» bezeichnet. Was lieben Sie so an den Bergen?
Es zieht mich automatisch in die Höhe, selbst bei meinen Bike-Touren in der Umgebung. Wenn ich dabei durch Wälder komme – etwa durch den Sihlwald, den wir in der Sendung auch vorstellen –, finde ich sie zwar häufig schön, etwa das Vogelgezwitscher oder die Lichtstimmung, gleichzeitig wird es mir aber im Wald schnell zu eng – als hätte man ein Dach über dem Kopf. Ich mag es, wenn der Himmel das Dach ist. Diese Weite … Sie lüftet mir den Kopf am besten.
Waren die Naturpärke, abgesehen vom Sihlwald, demnach eher Neuland für Sie?
Im Schweizerischen Nationalpark war ich schon mehrmals – jedes Jahr im Herbst gehe ich ins Unterengadin, das ist ein Fixpunkt geworden. Es hat dort so viele Lärchen, der einzige Nadelbaum im Alpenraum, der die Nadeln verliert. Davor verfärben sie sich und die ganze Landschaft leuchtet goldgelb. Als wäre man in einen Farbtopf gesprungen, ich nähre mich dort mit Farben für den Winter (lacht).
Und die anderen Pärke – den Parc du Doubs im Jura, die Unesco Biosphäre Entlebuch und das Val Calanca in Südbünden – kannten Sie nicht?
Nein. Es war total interessant. Wussten Sie, dass wir in der Schweiz 20 Pärke von nationaler Bedeutung haben? Ich nicht – und auch niemand aus meinem Umfeld. Das finde ich irgendwie krass, aber auch cool. Denn genau darum soll es in der Sendung ja gehen: dass man etwas lernt und diese Schätze mit uns zusammen entdecken kann.
Können Sie uns sagen, wo Sie speziell überrascht wurden?
Ich würde sagen im Entlebuch. Obwohl es in der Deutschschweiz liegt, kannte ich es kaum. Es hat die grösste Moorlandschaft der Schweiz, und ich hatte dort viele Aha-Erlebnisse. Beispielsweise wachsen Moore pro Jahr rund einen Millimeter: Da wird einem erst bewusst, wie uralt sie sind. Dazu unterstützen sie den Klimaschutz: Moore sind riesige CO2-Speicher. Ach, und bei dieser Sendung durfte ich mich mit dem Parkdirektor am Alphorn versuchen. Es kamen tatsächlich Töne heraus!
Welcher Park hat Ihnen am besten gefallen?
(Lacht.) Ich mache bestimmt keine Rangliste! Und ehrlich: Jeder einzelne von ihnen ist eine Perle. Im Sihlwald war ich mit einer Kräuterexpertin auf den Spuren von essbaren Wildpflanzen, im Parc du Doubs habe ich viel über Freiberger gelernt, die letzte ursprüngliche Schweizer Pferderasse. Im Nationalpark war ich mit einem Ranger unterwegs, der mir Spannendes über die Wildtiere, aber auch über die Forschung erzählt hat.
Gab es auch Dinge, die Sie beelendet haben – zum Beispiel im Bereich Umweltschutz?
Natürlich gibt es auch weniger schöne Dinge, aber grundsätzlich bin ich eher positiv überrascht. Es war inspirierend, mit wie viel Herzblut all die Menschen, die wir angetroffen haben, sich engagieren. Ich fände es grossartig, wenn wir mit diesen Filmen erreichen könnten, dass diese «Fünkli» zum Publikum überspringen.
Ist das etwas, was Ihnen bei Ihrer Arbeit wichtig ist?
Ja. Das andere – Investigatives, Missstände aufzeigen, News-Journalismus an sich – ist genauso wichtig. Aber konstruktiven Journalismus, für den wir ja auch bei «10vor10»-Gefässe haben, braucht es meiner Meinung nach unbedingt mehr: nicht nur über das Negative berichten, sondern Lösungen aufzeigen, gerade auch beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Wir brauchen Lösungen.
Ihnen selbst liegt das Thema Nachhaltigkeit bekanntlich sehr am Herzen …
Ja, das ist ein grosser Teil meines Lebens und begleitet mich eigentlich tagtäglich. Ich bin ein Mensch – ich glaube, das darf ich so sagen –, der sich sehr bewusst Gedanken macht und Entscheidungen trifft.
Stichwort ÖV zum Beispiel?
Klar, ich benutze öffentliche Verkehrsmittel und das Velo, und auch bei der Ernährung: Ich kaufe wenn möglich lokal und saisonal ein, Fleisch seit Jahren nicht mehr. Luft nach oben gibt es klar bei den Kleidern. Wobei ich auch dort versuche, auf nachhaltige Labels oder Secondhand zurückzugreifen. Da ich mich intensiv mit der Thematik auseinandersetze, kann ich gar nicht mehr anders. Es fällt mir darum aber auch nicht schwer.
Was bringt Sie diesbezüglich auf die Palme?
Diese Fast-Fashion ist schon eine Industrie, wo man viele Fragezeichen dahintersetzen kann. Es wird wahnsinnig viel Neues produziert, zu viel zu günstigen Preisen, auf Kosten der Arbeitnehmenden und der Umwelt. In unseren Breitengraden kaufen wir pro Mensch und Jahr 60 neue Kleidungsstücke. Das ist einfach unfassbar viel! Für mich selbst regle ich es so, dass für alles, was in den Schrank reinkommt, etwas raus muss. Das schärft auch das Bewusstsein für diese Thematik.
Die Filmreihe haben Sie neben Ihren «normalen» SRF-Jobs realisiert. Ging das zeitlich gut aneinander vorbei?
Es war zeitweise schon sehr streng, aber ich fand es einfach ein tolles und wichtiges Projekt.
Und sicher ist es auch eine schöne Abwechslung.
Natürlich. Ich brauche die Abwechslung, das gehört zu mir. Zwar realisiere ich auch für die «Tagesschau», «10 vor 10» und «Schweiz aktuell» Beiträge, aber Teil eines so langen Projekts sein zu dürfen, war schon sehr spannend. Alle Arten von Menschen treffen – von der Direktorin bis zum Pferdezüchter –, mich auf die Situation einlassen, Informationen erhalten und weitervermitteln. Und das in den vier Landessprachen! Das ist einfach einzigartig.
Könnten Sie sich vorstellen, mal eine eigene Sendung zu haben?
Sag niemals nie! Ich kann mir im Moment vor allem sehr gut vorstellen, weiterhin Projekte wie «Rendezvous im Park» mit meinem Studiojob zu kombinieren.
Apropos: Hatten Sie privat schon viele Rendezvous im Park?
Na klar, immer wieder – mit mir selbst (lacht). Wirklich: Ich bin, ob alleine oder in Gesellschaft, sehr gerne im Friedhof Sihlfeld in Zürich unterwegs, eine grüne Oase mitten in der Stadt. Das ist einer meiner absoluten Lieblingspärke: Du tauchst ein in eine andere Welt – runterfahren, einsaugen, auftanken!