Marco Rima
«Ich bin vom Glück geküsst»
Seit 40 Jahren steht der Komiker auf der Bühne – was mit einer TV-Sendung gross gefeiert wird. Sogar seine Kinder mischen mit, die ihm nebst seiner Frau wichtiger sind als alle seine Erfolge.
Fürs Gespräch schlägt er eine Confiserie beim Marktplatz vor – er steht in Basel für «Art on Ice» auf dem Eis. Überraschende Wahl irgendwie, das ehrwürdige Lokal. «Chume, 4 Minute», schreibt Marco Rima dann und hängt einen Smiley an.
Unauffällig gekleidet wie er ist, erkennt ihn keiner im Raum – bis er zu sprechen beginnt. Bald schon aber senkt er die Stimme, denn einiges, was der 58-Jährige in den nächsten Stunden sagt, ist nicht für alle gedacht. Wer ihn nur von der Bühne kennt, wo er von Pointe zu Pointe jagt, wäre überrascht. Er redet langsam, kann auch feine Töne, Nuancen.
«Ich bin schon müde jetzt, nach so vielen Vorstellungen», erzählt er, «hatte auch sonst einiges um die Ohren in letzter Zeit.» Ab nächster Woche und bis im Mai ist Ausatmen in Australien angesagt. Noosa heisst sein wahrgewordener Traum vom Winter in der Sonne, an der Sunshine Coast. Hier, wo die Wärme die Gelenke weniger schmerzen lässt, kommt er zur Ruhe. Hier lernte er 2003 auch seine Frau Christina (45) kennen und lieben, das Land mit ihr. «Wir fingen an, es zu bereisen, letztes Jahr dann lebten wir acht Monate fix dort.» Nun denken Rimas über ein ganzes Jahr nach. «2020 und 2021 habe ich relativ viel zu tun mit meinem neuen Programm, aber nachher würde es gehen.» Es sei ein Privileg, dass er sich das leisten könne. «Ich arbeite natürlich auch da unten, aber der Daueralltag fällt weg.» Er greift zum Handy, zeigt Fotos vom Strand, von Malea (10) und Luca (7), die jüngeren seiner vier Kinder, wie sie glücklich in die Kamera lächeln.
«Haben Sie Schinken-Käse-Toast?», fragt er die Kellnerin. «Croque Monsieur», entgegnet sie und erklärt ihm, was das ist. «Schinken-Käse-Toast also», meint er sec. Und eine Schorle dazu. «Ich versuch’s jetzt dann nochmals mit dem Abnehmen», sagt er, als er genüsslich in den Toast beisst. Ja, er war auch schon schlanker, aber das ist eine alte Geschichte. Und nein, es ist sicher nicht lustig, auf der Bühne immer Witze übers Gewicht reissen zu müssen.
In einem klassischen Interview würde man jetzt so langsam mal fragen, was ihm aus 40 Jahren auf der Bühne besonders blieb – die SRF-Jubiläumssendung «Just for Fun» am 29. 2. ist der Anlass für das Treffen –, aber da er die Kunst beherrscht, wie ein Eiskunstläufer von Thema zu Thema zu gleiten, lässt man ihn einfach reden, wonach ihm grad ist. Über das also, was viele in seinem Alter beschäftigt: nichts aufschieben und geniessen. Alles geschehe aus grösserer Lust heraus, er sei entspannter geworden. «So wird ‹Ich will› ersetzt durch ‹Ich würde mir wünschen›.» Für seine Kinder etwa wünsche er sich ein gutes Leben. «Gebt uns mehr Elternzeit, weniger Hausaufgaben, damit wir den Kindern Werte weitergeben können. Man muss sie lehren, andere anzuschauen, anzulächeln, damit sie angstbefreit durchs Leben gehen können.» Lange spricht der einstige Lehrer nun über das, was er als Bub in der Schule lernte, aber nie brauchen konnte. Und dann wieder über seine Kinder, wie wichtig sie und Christina ihm sind. «Ich habe so ein Glück, das kann man sich nicht vorstellen. Ich bin anscheinend vom Glück geküsst.»
Seinen Humor versteht die «Tütsche» nicht immer. «Letztes Jahr in Australien musste ich manchmal meine Schwester anrufen, um sie zu fragen, ob das jetzt lustig sei.» Ja, er lasse sich verunsichern. Und ja, sicher habe Christina Humor, einfach einen verkopften, frage bei Witzen so oft nach, bis die wirklich nicht mehr lustig seien. «Sie hat aber ein gutes Gespür für Wichtiges und rät mir schon mal ab, einen Witz zu erzählen, wenn sie denkt, die Pointe könnte mir schaden.»
Reden mit Rima inspiriert, er sprudelt vor Ideen wie eine Flasche Prosecco, die vor dem Öffnen geschüttelt wurde. «Ich merke, dass ich ein paar Leben bräuchte für all die Geschichten, die ich noch machen möchte.» Man müsse nur hinsehen, das Leben halte ja so viel bereit, sagt er und erzählt von einem Kulturprojekt, zeigt auf dem Handy Fotos einer Installation, die 2022 an der Expo in Dubai stehen soll. «Ich möchte das um die Welt schicken. Ziemlich grosse Kiste.» Geld verdient er keines damit. «Einfach etwas bewegen, das möchte ich.» Ein Musical will er nochmals angehen, es wäre sein viertes. «Ich liebe es, Begeisterung auszulösen, Leute zusammenzubringen. Es gibt so viele Kreative in der Schweiz.» Am liebsten würde er gleich anfangen, aber gewisse Positionen seien nun mal mit Beamten besetzt. Mit dem Alter könne er leichter mit so negativen Energien umgehen, sei aber nicht immun. «Auch nicht gegen Kritik, habe noch nie drüber gejubelt», meint er und bestellt Vermicelles.
Es komme immer drauf an, wer Kritik anbringt und wie. «Meine Schwester sagte mir vor langer Zeit mal», er lächelt, «ich sei ein grossartiger Bruder, aber wenn ich so weitermache, würde ich ein riesengros-ses A…» Was das angehe, habe ihm Sohn Nicolas (29) neulich einen Clip der Harald-Schmidt-Show gezeigt. Aus den 90er-Jahren, als Rima in Deutschland abging wie ein Feuerwerk. «Ich schaute einem Fremden zu. Das bin nicht ich, wie ich mich so in den Vordergrund gestellt habe!» Dünkel sei das Schlimmste, was man in seinem Beruf haben könne. Die vergangenen 40 Jahre lehrten ihn Demut und auch, was funktioniert und was nicht.
Nun wird er mit einer grossen Kiste am Samstagabend gefeiert: das Beste aus all den Jahren, garniert mit Auftritten von Menschen, die ihm am Herzen liegen. Auch Nicolas und die jüngere Tochter wirken mit. «Malea ist wirklich talentiert.» Er greift zum Handy, sucht den Sketch. Während der Clip läuft, ploppt ein Whatsapp auf. «Ou, ich muss!» Rima besteht darauf, die Rechnung zu übernehmen. «In Australien gäb’s dafür ein Essen», kommentiert er den Betrag.
«Schön, lachen Sie, alles andere wäre nicht gut», sagt er zur Dame am Nebentisch, die erst jetzt merkt, wer ihr den Rücken zukehrte. Draussen verabschiedet er sich herzlich, sagt noch, er freue sich auf seine Lieben, die schon in Australien sind. «Sie fehlen mir.»