Büne Huber
«Ich bin gut gebettet und umsorgt»
Seit über dreissig Jahren berührt der Musiker mit Patent Ochsner die Leute. Er lässt sich vom Leben und auch von seinen Ängsten inspirieren und findet für diese in seinen Liedern und im Gespräch den richtigen Ton.
Von Aurelia Robles
Zwischen den Monstera-Pflanzen und Kakteen fühlt sich Büne Huber (62) wohl. «Auch bei mir daheim hat’s viel Grün. Wir haben einen riesigen Baum in der Hütte», erzählt der Frontmann von Patent Ochsner in Zürich, wo sein Plattenlabel seinen Sitz hat. Er ist gelassen, denn mit «Tag und Nacht» erscheint das neuste und elfte Studio-Album der erfolgreichsten Berner Mundart-Band.
GlücksPost: Büne Huber, sind Sie ein Tag- oder ein Nachtmensch?
Büne Huber: Ich bin an dem Punkt, an dem man das nicht mehr sagen kann. Von meiner Mutter Elisabeth habe ich meine Schlafstörungen geerbt und habe deshalb wohl gelernt, mit etwas weniger Schlaf auszukommen. Ich bin also gewissermassen ein Tagundnachtmensch. Meine beiden Kleinen scheinen dieses Erbe auch angetreten zu haben. Sie kommen wann immer möglich mit auf Tour. Dann wirds oftmals spät, aber sie stecken das immer locker weg.
Wie flexibel lässt der Schulalltag Ihrer Kinder Sie als Künstler sein?
Ganz ehrlich, es funktioniert nur dank meiner Frau. Sue ist Lehrerin und nimmt sich dem sehr an. Ich bin ins Hausaufgaben-Ding nicht involviert, weil meine Frau das sehr gut macht. Ich koche lieber und bin die Axt im Haus. Auch wenn mich die anderen drei dabei eher belächeln, wenn ich im Blaumann mit dem Werkzeugkoffer wichtigtuerisch durch die Räume schreite.
Sie sind nicht nur dreifacher Vater, sondern auch zweifacher Grossvater. Wie unterscheiden sich diese Rollen?
Indem, dass ich nicht der Grossvater bin, der ich mal meinte, zu werden. Die Kinder meiner ältesten Tochter Hannah und meine Kinder sind altersmässig sehr nah beieinander. (Lacht.) Das verbindet Hannah und mich stark. Wir sind mit ähnlichen Themen beschäftigt. Ich konnte mir bei ihr schon oft guten Rat holen, weil sie eine ausgebildete FBK «Fachperson Betreuung Kinder» ist. Sie kennt alle Tricks, wie mir scheint.
Machen Sie bei Ihren jüngeren Kindern gewisse Sachen anders?
Ja, aber ich glaube, die sind eindeutig altersbedingt. Wenn du mit 35 Vater wirst, ist es tatsächlich nicht gleich, wie wenn du es mit 53 nochmals bist.
Sind Sie milder?
Das Gefühl habe ich schon, aber ich bin vor allem ängstlicher, als ich es bei Hannah war.
Ihre Eltern sind beide verstorben. Was empfinden Sie, als nun älteste Generation, als Ihre Aufgabe?
Ich weiss nicht, ob es mit der Sicht der älteren Generation zu tun hat, aber ich habe im Moment den Eindruck, dass in unserer Gesellschaft zu vieles polarisiert wird. Es gehört zu unserem Zusammenleben, dass nicht alle Leute die gleichen Werte vertreten. Wo ist das Problem? Das müssen wir aushalten. Mein Grossvater hat mir früh gesagt: «Weisst du Büne, eine Gesellschaft braucht alle Farben. Das ist wichtig.»
Haben Sie die Welt immer bunt sehen können, oder gab es für Sie Schwarz und Weiss?
Ich denke, dass ich milder geworden bin und andere Meinungen besser aushalten kann. Vielleicht bin ich auch weniger rechthaberisch und weniger arrogant. Aber ich bin schon sehr erstaunt, wie radikale und reaktionäre Positionen sich europaweit mehr und mehr Platz verschaffen. Meine persönliche Entwicklung tendiert eher zu Aussagen wie im Song «Sowieso». «Chum so, wie du bisch und mach das, wo du wotsch – i ha gwartet uf di. I bi da, wenn mi bruchsch – und wenn nid, bin i’s o – sowieso».
Ihre Frau Sue spricht im Lied den französischen Teil.
Ja, es kommt mir vor wie ein Gebet. Auf Korsika habe ich den Text geschrieben und bat sie, diesen zu übersetzen und mir ins Telefon zu reden. Ich wollte einfach ihre Stimme bei mir haben. Dabei merkte ich nach einer Weile, dass die Aufnahme wunderbar in eine meiner Songskizzen passen könnte.
Ihre Tochter Hannah ist auch auf dem Album zu hören. Lassen Sie Ihre Liebsten immer mehr einfliessen?
(Lacht.) Ich liebe den gemeinsamen Klang der Stimmen von Heidy Happy, Daniela Sarda und meiner Tochter Hannah, die sich um die Stimmen von Sue und von mir schmiegen. Ich glaube, ich funktioniere wie ein dummer Hirtenhund, der dauernd versucht, die Herde zusammenzuhalten.
Mit «Mariana Sanchez» und «Hannah Luna» haben Sie Lieder nach Ihrer Frau und Ihrer ältesten Tochter benannt.
Ja, Mariana ist der Geburtsname meiner Frau und «Hannah Luna» ist ein Vater-Tochter-Gespräch. Ich ging vom Bild aus, dass sich Vater und Tochter in der Dämmerung ans Cheminée setzen und die ganze Nacht hindurch miteinander übers Leben reden. Bis der Tag erwacht. Das Album heisst zwar «Tag und Nacht», aber eigentlich geht es mehrheitlich um die Übergänge, die mich reizen. Die Dämmerung, l’heure bleue, das Zwielicht. Mein Leben ist geprägt von Übergängen.
Mögen Sie Übergänge?
Manchmal sind sie eine Herausforderung. Es fällt mir schwerer, auf Tournee zu gehen, weil ich mich in meiner Familie sehr geborgen und wohl aufgehoben fühle. Vom Papa zum Popstar zu wechseln, ist für mich komplizierter als umgekehrt.
Können Sie sich gut jeweils wieder ins Familienleben einfügen?
Ja, aber meine Familie macht es auch leicht. Ich bin gut gebettet und umsorgt, in den Momenten, wenn ich es brauche. Und bin es nicht, wenn ich es nicht brauche.
Reden Sie mit Ihren Liebsten auch so bildhaft und ehrlich, wie Ihre Lieder sind?
Ja. Ich bin einfach naiv. Ich sage, was ich denke. Und rede viel Blödsinn. Aber ich sage Sue und den Kindern auch hundert Mal am Tag «Ich liebe dich». Das mag für ein paar furztrockene Bürger ein bisschen blöd oder simpel wirken. Aber ich habe festgestellt, dass es meine Familie mag, geliebt zu werden. Und manchmal staune ich selber über meine bildhafte Sprache.
Im kürzlich ausgestrahlten SRF-Dok-Film «Kosmos Büne Huber» liessen Sie tief in Ihr Leben und Wohlbefinden blicken.
Das inflationär angewandte Wort, das seit diesem Film in Zusammenhang mit mir benutzt wird, ist «authentisch». Ich glaube, das war ich schon vorher. Es ist bloss nicht so sehr aufgefallen. Ich verbiege mich nicht gern. Man entscheidet sich schliesslich nicht für die freie Wildbahn der Kultur, weil man allen gefallen und von allen geliebt sein möchte. Es gibt einen anderen Antrieb. Es geht vielmehr darum, mit dem Leben fertig zu werden, um die Dinge, die uns umgeben, einigermassen verarbeiten zu können. Ich versuche mich mit meinen Ängsten auseinanderzusetzen.
Die wären?
Trennungs- und Verlustängste sind zentrale Themen bei mir. Abschied und Tod. Und noch einiges mehr.
«Lümu» scheint wie eine Hymne aufs Leben, aber ich höre Torschlusspanik vor dem Tod.
Das haben Sie ganz genau erfasst. Mein Freund Wädi Gysi, den ich während quälend langen Monaten bis zu seinem Ende begleitet habe, versuchte seine Angst vor dem Tod und seine Verunsicherung mit viel Lärm um nichts wegzuwitzeln. Selbstverständlich kam es dadurch auch zu aberwitziger Situationskomik. «Jean-Pierre, kannst du mir sagen, wie man stirbt? Ich hab das noch nie gemacht.» Es war eigentlich ein Überspielen der Tatsachen. Der «Lümu» im Song versucht genau das Gleiche zu tun. Eine Verzweiflungstat. Und gewissermassen ist «Lümu» das auch für mich. Mit all diesen Bildern im Kopf, geht mir der Song ziemlich auf die Nerven.
Haben Sie denn das Gefühl, das Leben nicht richtig ausgeschöpft zu haben?
Nein, ganz und gar nicht. Ich habe ein pralles Leben mit vielen Schattierungen. Ich mache das, was ich gern habe, und bekomme sogar Zuspruch dafür. Ich versuche mir manchmal vorzustellen, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich damals vor 35 Jahren den Mut nicht aufgebracht hätte, mich den Dingen zuzuwenden, die mir wirklich etwas bedeuten. Ich wäre vermutlich untergegangen. Der graue Alltag hätte mich gefressen und am anderen Ende der Hölle wieder ausgespuckt.
Sie sind Künstler in Bild und Ton, kein Lied ohne Gemälde und umgekehrt. Welches Bild haben Sie von sich selbst in all den Jahren gemalt?
Eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, ich bin keiner Vorstellung von mir nachgejagt. Das Bild hat sich möglicherweise durch eine gewisse Kompromisslosigkeit ergeben. Wenn man mit seinem Tun Erfolg hat und Bestätigung erhält, gewinnt man Sicherheit und wird dadurch mutiger. Und wenn man, wie ich, seit Kindsbeinen ein Autoritätsproblem hat, tut man plötzlich Dinge, von denen andere behaupten, sie gingen nicht. Es geht vielleicht vor allem um die Frage: Stallhaltung oder die freie Wildbahn? Ich habe mich für Letzteres entschieden, weil ich die Unabhängigkeit will.
Aber emotional, so scheint es mir, sind Sie durchaus von einigen Leuten abhängig.
(Lacht.) Ja, das bin ich. Sehr sogar. Aber ich selbst entscheide, von wem ich abhängig bin und von wem nicht. Klingt das nicht schon fast nach Teilzeit-Unabhängigkeit?
Mit Ihrer Frau und den beiden Kindern gehen Sie bald auf grosse Reise.
Ja, wir ziehen um die Welt. Wir wollen uns richtig viel Zeit nehmen. Mein Bedürfnis nach Reisen und anderen Kulturen kam in den letzten Jahren viel zu kurz. Nun kommt der Moment, wo wir als Familie die Welt entdecken wollen. Neue Sprachen, Schriften und andere Kulturen. Ich freue mich unbeschreiblich auf das, was da kommt, und werde bestimmt explodieren, wenn wir wieder zu Hause sind.