Tanya König
Gesicht mit Geschichte
Sie fällt auf – und manchmal auch aus dem Rahmen: Damit kann die «G&G»-Moderatorin sehr gut umgehen, denn verbiegen lassen will sie sich nicht. Grösstes kompliment: dass sie authentisch wirke, wie ihr oft gesagt wird.
Es ist nicht mein Ziel, allen zu gefallen», sagt Tanya König und lächelt. «Das wäre doch langweilig.» Nichts könnte die Persönlichkeit der 35-Jährigen wohl treffender beschreiben als dieser letzte Satz des Gesprächs. Sitzt man ihr gegenüber, spürt man sofort: Da ist eine Frau, die genau weiss, was sie will. Und sich nicht davor scheut, ihre Meinung entgegen üblichen Konventionen zu vertreten – ohne dabei überheblich zu wirken.
Die GlücksPost trifft die «Gesichter und Geschichten»-Moderatorin zu Hause im Zürcher Oberland. Mit ihrem Mann lebt sie seit zwei Jahren im ersten Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes etwas ausserhalb der Gemeinde Wald, umgeben von Hügeln und Wiesen. In unmittelbarer Nähe fliesst die Jona bedächtig in Richtung Obersee. Das trübe Wetter lässt die Landschaft beinahe mystisch erscheinen. «Manchmal können wir kaum fassen, wie schön es hier ist», schwärmt Tanya König, als sie sich für den Fotografen auf die breite Fensterbank setzt und dabei einen Schluck Tee nimmt.
Trotz dem loftartigen Charakter strahlt die Wohnung Gemütlichkeit aus. «Für die Einrichtung ist mein Mann zuständig, er hat ein sehr gutes Auge dafür», verrät sie. Tatsächlich wirkt vieles «gewollt zufällig», was eine besondere Atmosphäre verströmt: Am langen Holztisch in der Küche etwa gleicht kein Stuhl dem anderen, und im Wohnzimmer bringt ein grüner Salontisch aus China Farbe in den sonst blass gehaltenen Raum. Auf dem wuchtigen Bücherregal findet sich kaum ein freies Plätzchen. Mehrere kleinere Skulpturen und eine grosse rotbeige gescheckte Holzkuh stehen neben Wälzern wie «Die Geschichte der Philosophie», «Napoleons letzte Schlacht», der Politanalyse «Future Politics» von Jamie Susskind und diversen Büchern über Vincent van Gogh.
Kunst ist ohnehin ein wichtiges Thema im Leben von Tanya König. Eine Zeitlang produzierte sie gar einen eigenen Kunstpodcast. Und noch etwas fällt auf: zwei Original-Trolleys der Swissair – eine Reverenz an ihre Zeit als Flight Attendant bei der Swiss während des Studiums.
Sie nimmt einen weiteren Schluck Tee. Den brauche sie heute. «Ich war in den letzten Tagen nicht ganz fit.» Davon ist nichts zu spüren. Im Gespräch antwortet sie spontan und nicht zu knapp. Nur einmal überlegt sie überraschend lange: Bei der Frage nämlich, ob und wo sie ihre Wurzeln habe. Denn Tanya wurde in Australien geboren, wuchs in der Schweiz und Portugal auf und lebte während ihres Studiums der Sinologie (Chinawissenschaften) ein Jahr in Peking. «Interessanterweise stellte mir meine Tante vor ein paar Tagen dieselbe Frage», beginnt sie, setzt ab und überlegt erneut. Am stärksten verwurzelt fühle sie sich in der Schweiz, fährt sie dann fort. «Hier habe ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht.» Mit dem Begriff «Heimat» verbinde sie jedoch nicht zwingend einen Ort, sondern vielmehr die Menschen, die dort leben.
«Meine Mama sagte oft zu mir: Du bist eine typische Kosmopolitin. Das klingt nun vielleicht etwas hochgestochen, bedeutet ja eigentlich Weltbürgerin.» Mit just diesem Gedanken sei sie gross geworden und fühle sich daher bis heute stets sehr schnell wohl an einem neuen Ort. Nicht zu vergessen: Dank ihrem kosmopolitischen Leben spricht sie sieben Sprachen, was ihr als Moderatorin die Türen zu bedeutenden internationalen Events wie etwa dem «Bocuse d’Or» in Lyon oder der «Lions»-Verleihung in Cannes öffnete. Hier stand sie mit Friedensnobelpreisträgerin Malala, Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow oder Netflix-Co-CEO Ted Sarandos auf der Bühne.
Womit das Gespräch bei Tanyas beruflichem Leben angelangt wäre und einen Stock tiefer geht. Natürlich nur rein örtlich. Ihr Büro liegt nämlich im Erdgeschoss. Unter dem Dach ihrer eigenen Firma konzipiert und produziert sie hier Videobeiträge und bereitet sich auf ihre Event-Moderationen vor. Gebucht wird sie in erster Linie für diverse Wirtschaftsanlässe, was sicherlich auch von ihrer Zeit beim Schweizer CNN-Ableger Money Switzerland herrührt. Nachdem der -Fokus nun einige Jahre auf den Bereichen Kunst und Wirtschaft lag, bewegt sie sich seit Juli 2022 zusätzlich auf einem ganz anderen Parkett: jenem von «Gesichter & Geschichten».
Ein Engagement, das überrascht – wenn auch nur auf den ersten Blick. Denn längst hat sich «G&G» zu einem Gesellschaftsmagazin entwickelt, das gerade in Kultur- und Literaturkreisen immer mehr an Relevanz gewinnt. Wie auch Tanya König regelmässig bestätigt bekommt. «Leider stellen noch immer viele die Sendung in die reine ‹Glamour- und Cüpli-Ecke›, was seit dem Konzeptwechsel schlicht nicht mehr zutrifft», bedauert sie und schüttelt den Kopf. «Dabei müssten die Leute einfach mal einschalten. Viele würden ihre Ansicht mit Sicherheit revidieren.»
Für sie ist das 40-Prozent-Pensum bei SRF die perfekte Ergänzung zu ihrer sonstigen Tätigkeit. Im Moment sauge sie einfach alles auf, was sie über das Fernsehmachen lernen könne. Zudem habe sie in dieser Zeit die Schweiz von einer ganz neuen Seite kennengelernt. «Im Endeffekt spielt es doch keine Rolle, ob mir der CEO von Netflix, ein Spitzenkoch oder ein Popstar gegenübersitzt», meint sie bewusst etwas überspitzt ausgedrückt. «Ich möchte mit dieser Person ein spannendes Gespräch führen. Das allein ist mein Anspruch.»
Sie setzt sich an den grossen Schreibtisch, zupft für weitere Bilder ihre Haare zurecht und fragt schliesslich, ob sie diese vielleicht doch anders frisieren solle. Oha, ist die Frau, die kürzlich ein Instagram-Selfie mit den Worten «Graue Haare – interessiert mich (noch) nicht» postete, also doch ein bisschen eitel? Sie lacht herzhaft. «Nun ja, ich arbeite schliesslich für ein visuelles Medium. Da ist der äusserliche Eindruck nicht ganz unwichtig.»
Im Gegenteil, wie sie seit ihrem Start bei «G&G» vermehrt feststellen muss. Als sie bei ihren ersten Auftritten Birkenstock-Sandalen trug, sorgte dies für Reaktionen: Vom Publikum bekam sie viel Zuspruch, aber ebenso zu hören, sie solle «gefälligst Schuhe tragen, die der Sendung entsprechen». Damit kann sie umgehen.
Und verbiegen lässt sie sich erst recht nicht. «Du wirkst so authentisch», höre sie oft, was sie mitunter als grösstes Kompliment empfinde. Klar sei sie in der künstlichen Umgebung von Studio und Scheinwerfern nicht die exakt gleiche Person wie abseits der Kamera. «Ich nehme dies vielmehr als weitere Facette von mir wahr. Aber ich bin und bleibe ja dennoch die Tanya.»