Armon Orlik, Joel Wicki, Kilian Wenger & Co
Gefeierte Schwinger: Wie sie leben, wie sie fühlen
Sie lassen sich nicht gerne als Stars feiern. Genau deshalb sind unsere Schwinger für die stetig wachsende Fangemeinde Helden – und einer von ihnen sogar bald König.
Bis kurz vor dem mit Spannung erwarteten Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, welche Schwinger die besten Chancen auf den nur alle drei Jahre verliehenen Königstitel haben. Bei jedem Schwingfest davor, bei jedem Training droht die Gefahr, gesundheitsbedingt aus-zufallen. Oder ein Schwergewicht, das während der aktuellen Saison wegen einer Verletzung pausieren musste, steht plötzlich wieder da. Auch ein Talent, das bisher kaum jemand auf dem Radar hatte, kann zur Höchstform auflaufen.
Unsere Favoriten haben sich in der laufenden Schwingsaison als besonders starke, konstante Athleten hervorgetan. Wenn alles nach Plan läuft, sind sie am ESAF (23.–25. 8.) in Zug schwer zu übertrumpfen. Es bleibt spannend bis zum Schlussgang!
ARMON ORLIK (24) aus Maienfeld GR
Beruf: Bauingenieur-Student im 50-Prozent-Pensum
Karriere: Der ehemalige Judoka kommt aus einer Schwingerfamilie. Er stieg 2007 wegen einer Verletzung von Judo auf den Schweizer Nationalsport um. 2016 war sein grosses Jahr: Um ein Haar wurde er in Estavayer Schwingerkönig. Auch die aktuelle Saison läuft wie geschmiert: Er hat bis auf eine Ausnahme jedes Fest, bei dem er antrat, gewonnen. Rang 1 der laufenden Jahreswertung.
Grösster Erfolg: Schlussgangteilnahme beim Eidgenössischen 2016. Rang 1 der Jahresendwertung 2016.
Stärken: Starke Fokussierung. Erkannte früh das Potenzial von Mentaltraining: «Damit kann ich negative Gefühle oder Ängste wegschieben und mich voll auf Gegner und Kampf konzentrieren.»
Privates Glück:
Armon ist single. Er wohnt bei den Eltern. Vater Paul, früher selbst aktiver Schwinger, ist Kampfrichter und ein verlässlicher Berater für seinen Sohn. Auch Mutter Helena hilft beim Organisieren von Armons Karriere. Bruder Curdin schwingt ebenfalls erfolgreich.
JOEL WICKI (22) aus Sörenberg LU
Beruf: Wicki arbeitet als Baumaschinen-Mechaniker, auf seinem erlernten Beruf.
Karriere: Schon lange gilt Wicki als Anwärter auf grosse Siege. Mit 17 legte er König Arnold Forrer auf den Rücken. Am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag war er Bester seines Jahrgangs. Unter den Favoriten für das ESAF 2019 ist er der einzige ohne Eidgenossen-Status. Sein Handicap: Mit 183 Zentimeter Körpergrösse ist er eher klein. «Mit meinem kompakten Körper muss ich voll risikofreudig sein, immer alles geben. Sonst verliere ich.»
Grösster Erfolg: Zweiter Rang am Unspunnen-Schwinget 2017. In der Jahresendwertung 2017 und 2018 belegte er Platz 2 und ist ebenfalls auf Rang 2 der laufenden Jahreswertung.
Stärken: Einen solchen Teamplayer muss man suchen: Am prestigeträchtigen Brünig-Schwinget 2018 stellte er im Schlussgang und liess Verbands-Kollege Erich Fankhauser den Sieg erben.
Privates Glück: Wicki ist ein Naturbursche, wie er im Buche steht. Er liebt es, seinem Onkel auf dessen Bauernhof auszuhelfen. Seine Hobbys sind Jagen und Fischen. Auf privaten Schnappschüssen sieht man ihn stets in der Natur, meist hoch oben in den Bergen. Seine Freundin scheut wie er das öffentliche Interesse: «Sie sagt, sie habe mich ja nicht wegen des Schwingens. Ich bin ein wenig stolz darauf, dass sie das so durchzieht.»
PIRMIN REICHMUTH (23) aus Cham ZG
Beruf: Der gelernte Metzger studiert zurzeit Physiotherapie in einem 50-Prozent-Pensum und arbeitet daneben einen Tag pro Woche in seinem alten Beruf.
Karriere: In seinen ersten drei Jahren bei den Aktiven bewegte sich Reichmuth im guten Mittelfeld. 2017 und 2018 musste er nach drei Kreuzbandrissen pausieren. Er stand kurz davor, zurückzutreten. «Ich habe mir gesagt, wenn noch einmal etwas passiert, dann höre ich auf. Denn es gibt auch noch ein Leben neben dem Schwingen.» Als Physiotherapie-Student wusste er, dass er seinen Schwingstil anpassen muss. Das tat er und feiert diese Saison ein sensationelles Comeback. Alle sind sich einig: Reichmuth schwingt zurzeit in seiner eigenen Liga. Wegen einer Oberschenkelprellung muss er gerade jetzt kurz pausieren, plant aber, am Brünig-Schwinget (28. 7.) wieder dabei zu sein. Rang 5 der laufenden Jahreswertung.
Grösster Erfolg: Kranzgewinn am Eidgenössischen 2016.
Stärken: Ein richtiger Stehaufmann. Für König und SRF-Kommentator Matthias Sempach ist Reichmuth der Geheimtipp der Saison: «Er ist einer der komplettesten Schwinger überhaupt.»
Privates Glück: Seit 2014 ist «Piri» mit Handball-Torhüterin Marion Betschart (25) vom LK Zug zusammen. Der Sport verbindet sie. «Wir beide trainieren sehr oft. Würde das nur einer tun, wäre der andere immer alleine zu Hause. Das wäre für eine Beziehung schwierig.»
SAMUEL GIGER (21) aus Ottoberg TG
Beruf: Der gelernte Zimmermann arbeitet mit viel Freude als Lastwagenfahrer. «Das Manövrieren mit dem grossen Gefährt finde ich cool. Für mich muss es möglichst lang, breit und schwer sein. Das fordert einen beim Fahren, das gefällt mir.» Er arbeitet 100 Prozent, verzichtet bislang freiwillig auf Sponsorengelder. «Ich will mir keinen zusätzlichen Druck aufladen.»
Karriere: Gigers Vater Emil war schon Schwinger. Samuel gehörte 2016 neben Armon Orlik zu den jungen Gipfelstürmern. 2018 gewann er alle Feste. Nach einer Schulter-Verletzung griff er erst ab 30. Juni wieder in die laufende Saison ein. Zuerst noch zurückhaltend, lief er am 20. 7. auf dem Weissenstein eindrücklich zu alter Form auf und dominierte das Turnier scheinbar mit links. Rang 15 der laufenden Jahreswertung.
Grösster Erfolg: Zweiter Platz beim Eidgenössischen 2016, eidgenössischer Kranz. Erster Rang der Jahresendwertung 2018.
Stärken: Selbstbewusst und angriffig. Lässt sich weder durch Erfolge, Niederlagen noch Erwartungen anderer beeindrucken oder verunsichern. «Der Druck von aussen ist gross. Ich bekomme es gut hin, dass ich mir dazu nicht viele Gedanken mache.»
Privates Glück: Giger hält sich bedeckt, was sein Privatleben angeht. Er hat zwei Schwestern und drei Brüder, von denen einer auch schwingt. Freundin Anja begleitete ihn bis 2016 an die Schwingfeste, bleibt seit seinen grossen Erfolgen aber so sehr im Hintergrund, dass nicht einmal bekannt ist, ob die beiden noch ein Paar sind. Giger ist leidenschaftlicher Nationalturner und darin dreifacher Schweizermeister (2014–2016).
CHRISTIAN STUCKI (34) aus Lyss BE
Beruf: Den erlernten Beruf als Forstwart musste Stucki aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Heute arbeitet er an drei Tagen pro Woche als Chauffeur für eine Fleischwarenfirma.
Karriere: Seit seinem Einstand bei den Aktiven 2001 ist er ein konstanter, starker Athlet, der bis auf sein Verletzungsjahr 2006 stets zu den Spitzenschwingern zählt. Der ganz grosse Wurf – der Königstitel – gelang ihm allerdings bisher nicht. Schon am zweiten Wochenende der aktuellen Kranzfestsaison zog sich Stucki eine Verletzung am Innenband zu. Laut eigenen Aussagen ist er auf bestem Weg zurück ins Sägemehl. Sein Comeback sieht er am Berner Kantonalen am 11. 8. «Ich will auf dem Weg zum Eidgenössischen keine Risiken eingehen, sondern mir bewusst Zeit lassen.» Wegen diesem Ausfall ist Stucki in der laufenden Jahreswertung nicht vertreten.
Grösster Erfolg: Sieg am Unspunnen-Schwinget 2017 und am Kilchberger Schwinget 2008. Schlussgang am Eidgenössischen 2013.
Stärken: Eine richtige Berner «Gmüetsmoore», die sich mit allen gut versteht. Manche sagen, dass seine Gutmütigkeit und Freundlichkeit ihn daran hinderten, rücksichtslos und egoistisch zu schwingen. Doch das hat sich geändert: Seit der Saison 2017 hat er einen zusätzlichen Betreuer und schwingt seither aggressiver und explosiver. Dass er damit auf dem richtigen Weg ist, zeigte sich umgehend am Unspunnen 2017. Privates Glück: Mit seiner Frau Cécile (38) hat Stucki zwei Söhne: Xavier (6) und Elia (3). Er hat sein Arbeitspensum verkleinert und ist nun einen Halbtag pro Woche für die Kinder da, hilft im Haushalt mit. So kann seine Frau ihrer Arbeit als Notariatsangestellte nachgehen. «Meine Söhne geben meinem Leben einen Sinn. Ich möchte ihnen Dankbarkeit und Anstand vermitteln.»
KILIAN WENGER (29) aus Horboden BE
Beruf: Der gelernte Metzger und Zimmermann arbeitet heute an drei Tagen pro Woche als Lastwagenchauffeur. Und das mit Leidenschaft: «Ich bin selbständig und lerne die Schweiz kennen. Ich bin mit Lastwagen aufgewachsen, weil auch mein Vater Chauffeur ist. Wenn ich fahre, tauche ich in eine andere Welt ein. So kann ich vom Schwingen abschalten.»
Karriere: Wenger schwingt, seit er neun ist. Mit 17 gewann er sein erstes Kranzfest. Seither ist er ein Mann, mit dem man stets rechnen muss, der aber auch oft die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen kann. Er ist im Besitz sämtlicher Teilverbands- und Bergkränze. Rang 17 der laufenden Jahreswertung.
Grösster Erfolg: 2010 wurde er als einer der Jüngsten am Eidgenössischen in Frauenfeld König. Nach diesem Triumph waren die Erwartungen riesig: «Ich setzte mich selbst stark unter Druck. Ich musste schwingen und musste gewinnen. Das lähmte mich in vielen Wettkämpfen.» Mit der Hilfe eines Sportpsychologen fand Wenger seine Mitte wieder.
Stärken: Offen, bodenständig, umgänglich – ein Publikums- und Frauenliebling.
Privates Glück: Seit fünf Jahren ist Wenger mit Kathy Hunziker (30) zusammen. Die beiden wurden vor drei Monaten Eltern der kleinen Mena Léanne.
Schwingen auf SRF
Das Team rund um Stefan Hofmänner berichtet ganztags live auf www.srf.ch/sport und der SRF-Sport-App über die grossen Schwingfeste. Einzelne Schlussgänge sowie das Eidgenössische als Ganzes werden auf SRF 2 übertragen.
28. 7. Brünig-Schwinget;
04. 8. Nordwestschweizerisches Schwingfest;
11. 8. Bernisch Kantonales Schwingfest und Schwägalp-Schwinget;
24./25. 8. Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest.