Fabien Rohrer
Endlich richtig angekommen
Er stand in seinem Leben schon ganz oben, durchlief aber auch tiefe Talsohlen. Jetzt ist der Snowboard-Champion wieder auf dem Weg zum Gipfel. Aber es ist anders als beim ersten Höhenflug – gemächlicher, dafür beständiger und mit seiner Familie ganz nah bei sich.
Der vierjährige Jeremy strahlt verschmitzt. Während der Fotosession mit Mutter Gabi Vögeli (42) und Papa Fabien Rohrer (40) hat er plötzlich eine Gähn-Attacke – er weiss genau, dass der Fotograf nichts mit dem Bild anfangen kann, wenn der Kleine den Mund weit aufgerissen hat. Eine Zurechtweisung vom Vater, dann lacht er wieder und wickelt mit seinem Charme jeden um den Finger – genau wie sein Papa. «Ich kann nicht leugnen, dass er mein Sohn ist», meint der Snowboard-Champion.
Vater und Sohn verbringen viel Zeit miteinander. Fabien arbeitet halbtags, die Nachmittage gehören Jeremy. Kaum konnte der auf eigenen Füssen stehen, nahm ihn Fabien mit aufs Snow- und Skateboard. Jeremy bewegt sich darauf, als wäre es das natürlichste Fortbewegungsmittel. Und mit einem erstaunlichen Bewusstsein für Gefahr und Sicherheit. Fabien lässt ihn viel machen und ausprobieren, aber wenn Papa ernst wird, dann weiss Jeremy: Jetzt ist fertig lustig. «Mir ist es unheimlich wichtig, dass Jeremy sich auf dem Brett richtig verhält. So kann ich ihn ohne Angst fahren lassen.»
Fabien ist gelöst. Er scheint angekommen zu sein, nach einem Leben voller Höhen und Tiefen. Auf seine unglaublichen Erfolge als Snowboarder – er wurde unter anderem 1996 Europa-, 1997 Weltmeister – folgte der Fall in ein tiefes Loch. «Ich kannte ja nur das Leben als Star. Da wird dir alles serviert, alles für dich gemacht. Jahrelang habe ich mein Essen in Hotelzimmern bestellt und wurde von einem Ort zum anderen chauffiert. Ich hatte keine Ahnung, wie man sich im normalen Leben zurechtfindet, sollte das aber plötzlich können. Ich wurde depressiv, hatte hohe Schulden.» Und ihm fehlte der Grossvater. Heinrich Rohrer, Erfinder des Putzmittels Sipuro, trieb seinen Enkel zu Höchstleistungen an. «Immer, wenn ich etwas erreicht hatte, sagte er: ‹Gut, dein nächstes Ziel ist noch mehr.› Er wollte, dass ich eines Tages in die Politik gehe wie Adolf Ogi.»
Fabien arbeitete sich alleine wieder hoch. Seit zehn Jahren ist er erfolgreich als Immobilien-Manager tätig, hat seine eigene Firma. Ebenfalls seit zehn Jahren ist er mit Arztgehilfin Gabi liiert. Sie kennen sich aus Kindertagen. Heiraten ist kein Thema, Jeremy hält sie zusammen. Beide lassen dem anderen Raum. Gabi arbeitet 70 Prozent und hat ein zeitintensives Hobby: Sie ist Dressurreiterin, hat eigene Pferde, zu denen sie schauen will und muss. Fabien hat dafür die Freiheit, sich Auszeiten mit seinen Snow- und Skateboard-Kollegen zu nehmen. Er ist immer noch aktiv in der Snowboard-Szene und will nun mit «Grindelwald Sports» ein Snowboard-Schulprogramm für Unter-Fünfjährige aufbauen.
Sie haben schon viel durchgemacht zusammen. Gabis Scheidung von ihrem Ex-Mann war alles andere als einfach. Sie brachte Tochter Jasmine (17) mit in die Beziehung. Dann kam Jeremy – eigentlich ungeplant. Der Lebemann fühlt sich mitunter in seiner Freiheit beschnitten. «Ich bin es gewohnt, um die ganze Welt zu reisen und plötzlich sitze ich da mit Kind, Frau, Hund und Heim.» Aber im Grunde weiss er genau, was er damit gewonnen hat.
Denn er hat selbst erlebt, wie Familienbindungen zerbrechen können. Bis vor zwei Jahren wohnten Fabien und Gabi im grossen Rohrer-Anwesen mit vielen Mitgliedern von Fabiens Familie. Es gab Differenzen, heute ist der Kontakt abgebrochen. Aber das hindert Fabien nicht daran, sein Leben zu leben. So normal das als ehemaliger Snowboardstar eben geht.