David Garrett
«Es gab nie einen Plan B»
Auch wenn er schon seit über 30 Jahren musiziert, die Liebe des Musikers zur Geige ist ungebrochen. Eine dauerhafte Beziehung hatte da lange keinen festen Platz in seinem Leben – bis jetzt!
Von Irene Lustenberger
Er ist der Rockstar und Frauenschwarm unter den Geigern. Und genau so kommt David Garrett (42) daher: cooles Outfit, Biker-Boots, Tattoos, Dreitagebart, die langen blonden Haare unter einer Mütze versteckt. Von seiner Geige scheint sich der grossgewachsene Deutsch-Amerikaner nie zu trennen: Diese liegt auch während des Interviews neben ihm. Bevor es losgeht, setzt er sich erst um: Das zu bunte Bild an der Wand gefällt ihm nicht. «Das kann ich nicht anschauen», sagt er, wechselt auf die andere Seite und lehnt sich im Stuhl lässig zurück.
GlücksPost: Womit überraschen Sie auf Ihrem neuen Album «Iconic»?
David Garrett: Es ist mein erstes Klassik-Album seit acht Jahren. «Iconic» bezieht sich auf die Idole meiner Kindheit und Jugend – von Jascha Heifetz über Fritz Kreisler bis zu Yehudi Menuhin –, die dieses Repertoire zelebriert haben. Es sind sogenannte Zugabestücke – Stücke, die am Ende eines Rezitals gespielt werden.
Es gibt auch Duette zu hören.
Diese haben sich spontan ergeben. Ich gehöre nicht zu den Künstlern, die im Voraus eine Liste machen, wen sie anrufen wollen. Es muss einfach passen. So spiele ich die Duette von Dmitri Schostakowitsch zusammen mit meinem ehemaligen Lehrer Itzhak Perlman. Über seine Zusage habe ich mich sehr gefreut. Zusammen mit Andrea Bocelli habe ich Schuberts «Ave Maria» aufgenommen. Ich habe schon oft mit ihm zusammen gespielt, und wir haben einen guten Draht zueinander. «Hora staccato» ist ein sehr virtuoses Stück für Trompete und Orchester. Da gab es für mich keinen besseren Duett-Partner als den Jazztrompeter Till Brönner.
Bald geht es mit «Iconic» auf Tour, dabei kommen Sie auch in die Schweiz. Welchen Bezug haben Sie zu unserem Land?
Ich liebe Käsefondue (lacht)! Mit der Schweiz verbinde ich einen Teil meiner musikalischen Ausbildung, weil ich hier oft mit grossartigen Musikern zusammengearbeitet habe, unter anderem Zakhar Bron und Yehudi Menuhin. Auch Isaac Stern traf ich oft in Zürich und am Verbier Festival. Und natürlich gab ich in der Schweiz bereits zahlreiche Konzerte. Ich habe also viele Erinnerungen an die Schweiz.
Auch daran, als Sie als Sechs-jähriger in einem Schweizer Kloster die Kollekte haben mitgehen lassen?
(Lacht.) Da schäme ich mich bis heute, aber ich gehe mit meinen Schandtaten immer offen um. Ich habe damals Geld nicht als Mittel zum Zweck wahrgenommen, sondern ich habe Münzen gesammelt. Ich habe die Münzen voller Stolz meinen Eltern gezeigt, die natürlich eine andere Sichtweise hatten. Mein Vater hat mir eine Ohrfeige verpasst. Danach war mein Kompass geeicht, was richtig ist und was nicht.
Apropos Geld: Sie haben im Sommer für 3,5 Millionen Euro eine Geige ersteigert. Wie kam das?
Das war ein echtes Schnäppchen. Ich war lange auf der Suche nach einer Guarneri del Gesù, die einigermassen finanzierbar ist. In den letzten Jahren gab es keine del Gesù unter 11 oder 12 Millionen Euro zu erwerben. Diese wurde nun in einem kleinen Auktionshaus für diesen Preis angeboten, da musste ich zuschlagen. Ich habe mich riesig darüber gefreut, auch wenn ich erst im Nachhinein meine Bank angerufen und ihnen von ihrem Glück erzählt habe (lacht). Aber ich bereue es bis heute nicht. Es gibt weltweit nur 170 Stück, die meisten davon sind in Museen und privaten Sammlungen. 25 bis 30 Geiger spielen eine Guarneri del Gesù, und ich bin einer davon. Das ist eine grosse Ehre und auch für das Publikum etwas Besonderes.
Seit Sie vier Jahre alt sind, gibt es für Sie nur das Geigespielen. Gab es nie einen Plan B?
(Schüttelt den Kopf.) Nein, den gab es nie. Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen, die einen Plan B für nicht gut halten. Denn so hat man im Hinterkopf: «Ist nicht so schlimm, wenn es nicht klappt.» Und meiner Meinung nach braucht es einen gewissen Anspruch, um etwas wirklich durchzuziehen.
Ihre grosse Liebe ist die Musik. Und doch hat eine Frau Ihr Herz erobert.
Ja, wir sind seit dreieinhalb Jahren ein Paar. Wegen des Lockdowns hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, eine Frau richtig kennenzulernen. Vorher war ich so oft unterwegs, dass eine Beziehung nicht funktionieren konnte, weil man einfach nicht genug Zeit füreinander hatte.
Sie haben einige Tattoos, wie auf Ihren Armen zu sehen ist. Wie viele?
Das erste machte ich nach dem College-Abschluss zusammen mit drei Freunden in einer Nacht-und Nebel-Aktion. Je älter ich wurde, desto bedeutungsvoller wurden Tattoos. Inzwischen sind es neun. Wo sich diese befinden, verrate ich nicht. Aber meine Freundin kennt sie (schmunzelt).
Sind Sie jemand, der sich fürs neue Jahr etwas vornimmt?
Der Vorsatz ist jedes Jahr derselbe: weniger arbeiten. Aber das schaffe ich einfach nicht. Mein Team ist genauso ambitioniert wie ich, und unser Ziel lautet «höher, schneller, weiter». Mein Körper wird das nicht ständig mitmachen. Aber bis es so weit ist, geben wir alles. Auch wenn ich seit 32 Jahren berufstätig bin und eine gute Rente verdient hätte (lacht).
Was ist 2023 geplant?
Bis am 10. Februar habe ich Ferien, die ich aber dazu nutze, die Tour vorzubereiten. Diese führt mich durch Asien, Europa – davon 32 Konzerte in Österreich, der Schweiz und Deutschland – USA, Mexiko, Südamerika und erstmals nach Australien und Neuseeland. Es wird also anstrengend, was ein gesundheitsbewusstes Leben verlangt.