«Erfreulicherweise sind wir immer noch da»

Das Brüderpaar aus ­Hessen ist das erfolgreichste Schlagerduo Deutschlands. Auch mit über 70 denken die beiden nicht ans Aufhören. Im ­Gegenteil: Sie planen ­weitere Alben und ihr 55-Jahr-Bühnenjubiläum im kommenden Jahr. 

Von Irene Lustenberger

Rund anderthalb Stunden vor ihrem Auftritt sitzen Bernd (73) und Karl-Heinz (75) Ulrich backstage, genehmigen sich die eine oder andere Zigarette und geniessen den lauen Sommerabend. Mit uns sprechen die Brüder über ihren späten Erfolg, ihr neues Album und den Tod von Karl-Heinz’ Frau Doris († 71).

GlücksPost: Was verbindet Sie mit der Schweiz?

Bernd Ulrich: Wir haben viele treue Fans in der Schweiz und kommen ­immer gerne hierher.

Die Amigos gibt es seit 1970, den Durchbruch schafften Sie aber erst 2006.­ Haben Sie nie daran gedacht, aufzuhören?

Karl-Heinz Ulrich: Zu Beginn waren wir zu viert unterwegs. Als 1980 ein Musiker ausstieg und unser Keyboarder 1985 an einem Hirn­tumor starb, dachten wir kurz übers Aufhören nach, fanden dann aber einen Ersatz. 2000 hatte dieser Musikerfreund einen Schlaganfall und lag acht Jahre im Wach­koma. Das war der Punkt, an dem wir dachten: «Wir sind schon so alt, wir lassen es sein.» Unsere Fans haben uns aber er­mutigt, weiterzumachen. 

Und ein paar Jahre später kam der Durchbruch.

Karl-Heinz Ulrich: 1992 begannen wir, eigene Lieder zu schreiben und CDs aufzunehmen. Diese wurden aber von allen Plattenfirmen abgelehnt. Als wir dann 2006 in «Achims Hitparade» Musikantenkaiser wurden, ging es richtig los. 

Sie waren Mitte und Ende 50, als sich der Erfolg einstellte. Hat es rückblickend auch Vorteile, dass es so ­lange ging?

Bernd Ulrich: Wir haben uns damals schon überlegt, ob wir unsere Jobs als Lkw-Chauffeur und Bierbrauer aufgeben und voll auf die Musik setzen möchten. Denn wenn man selbständig ist, muss man alles selbst machen und sich selbst versichern. 2007 gingen wir erstmals auf eine Tour mit anderen Künstlern und haben so viel verdient, dass wir ein Jahr lang hätten davon leben können. Ein Jahr später gingen wir auf Solo-Tour, und die Hallen waren voll. Da hatten wir keine Bedenken mehr. Bis vor zwei, drei Jahren gaben wir 200 bis 250 Konzerte pro Jahr.

Karl-Heinz Ulrich: Ich denke schon, dass es besser gewesen ist, dass wir schon so alt waren. Denn wenn wir mit 25 die Lieder gesungen hätten, die wir heute singen, hätte uns das ­keiner abgenommen. 

Und genau diese Authen­tizität macht Ihren Erfolg aus?

Bernd Ulrich: Genau. Wir hören oft von den Fans, dass sie sich mit den Liedern identifizieren können. Musik soll fröhlich machen, aber Musik kann auch Botschaften übermitteln und Menschen eine Stimme geben, die sonst kein Gehör finden. So kämpfen wir beispielsweise als Botschafter des Weissen Ringes gegen Kindesmissbrauch und haben darüber Titel geschrieben. Denn bei diesem Thema darf man nicht schweigen. Diejenigen, die das einem Kind antun, gehören nicht in die Gesellschaft, sondern hinter Gitter. 

Karl-Heinz Ulrich: Auf der neuen CD, die am 20. September erschienen ist, ist ein Lied drauf gegen Mobbing in der Schule. Es heisst «Und dann war sie verschwunden». 

Was können Sie über das ­Album «Stimmen der Nacht» sonst noch erzählen?

Bernd Ulrich: Im Titelsong geht es darum, dass Stimmen einen dazu auffordern, raus­zugehen und etwas zu ­unternehmen. «SOS im Paradies» handelt von Urlaubsgefühlen, «Nur Sieger stehn im Licht» von der Spielsucht und «Auch im Porsche fallen Tränen» davon, dass man Liebe auch mit viel Geld nicht kaufen kann.

Das Lied «Stark für dich» ist Karl-Heinz’ Frau Doris ­gewidmet, die Anfang Jahr an Krebs verstorben ist.

Karl-Heinz Ulrich: Das Lied habe ich im Sommer des vergangenen Jahres für Doris geschrieben, als es noch Hoffnung gab. Aber es hat ja leider nichts genützt. Auf der nächsten CD, die 2025 erscheint, singe ich ein weiteres Lied für sie.

Wie geht es Ihnen?

Karl-Heinz Ulrich: Wie soll es einem gehen, wenn man fast 45 Jahre verheiratet war und ­alles vor die Füsse getragen ­bekommen hat? Ich bin jetzt alleine in unserem Haus, und überall sind Bilder und Erinnerungen. Da wirst du verrückt, da kann es einem nicht gut gehen (er schluckt leer). Ich wollte nach ihrem Tod eigentlich aufhören mit der Musik. Wir haben dann aber entschieden, weiterzumachen. Das wäre auch der Wille meiner Frau gewesen. Und das hilft auch wirklich ein bisschen. Wenn wir unterwegs sind, sind Menschen um mich herum, und das bringt mich auf andere Gedanken. Aber wenn ich dann heimkomme, bin ich alleine.

Nicht nur Ihre Frau ist an Krebs gestorben, sondern auch Ihre Eltern. Haben Sie Angst, dass Sie auch daran erkranken könnten?

Karl-Heinz Ulrich: Unser Vater starb mit 62, andere in der Familie waren noch jünger. Vor 20 Jahren dachten wir, wir werden garantiert krank. Wir rauchen seit der Lehre und haben früher auch oft Alkohol getrunken. Eigentlich kann das nicht gut gehen. Aber erfreulicherweise sind wir immer noch da. 

Vor Jahren sagten Sie, dass Sie kürzer­treten möchten. Sie treten aber immer noch fast jedes Wochenende auf.

Bernd Ulrich: Wir geben jetzt nur noch etwa 70 bis 80 Konzerte statt wie früher 250. Wir haben also schon reduziert.

Sie wollen also auch mit 80 noch auf der Bühne stehen?

Bernd Ulrich: Wenn es geht, mit 90 noch! Wir machen es wie die Rolling Stones. Auf dem Album, das 2025 erscheint, ­singen wir das Lied «Wir hören niemals auf».

Nächstes Jahr feiern Sie Ihr 55-jähriges Bühnenjubiläum. Haben Sie – ausser einem Album – bereits Pläne?

Bernd Ulrich: Wir werden auf Tour gehen und auch ein Konzert in Sursee geben. Alles andere wissen wir noch nicht.

Haben Sie noch Träume oder Wünsche?

Bernd Ulrich: Wir sind stolz auf alles, was wir erreicht haben. Jeder Wunsch, den wir jetzt noch hätten, wäre unverschämt.