Eine Geste für die Ewigkeit

Die Fünfkampf- und Weitsprung-Legende gewinnt an der EM 1971 Silber. Nicht diese Medaille macht den ersten weib­lichen Schweizer Leichtathletik-Star unsterblich, sondern dessen Fairness-Geste.

Von Thomas Wälti 

Der Besucher hört Vogelstimmen, als Meta Antenen (75) die Tür öffnet. «Es ist nur die Zwitscherbox», begrüsst die frühere Schweizer Fünfkampf- und Weitsprung-Meisterin ihren Gast mit einem herzhaften Lachen. «Kommen Sie herein! Die echten Vögel singen im Garten.» Die Schaffhauserin wohnt mit ihrem Partner René Meier (81) in Walchwil ZG. Die Terrassenwohnung mit heimischer Lärchenfassade thront hoch über dem Zuger­see, der Blick auf die Rigi und den ­Pilatus raubt einem fast den Atem. «Seit 25 Jahren lebe ich hier im Paradies», sagt die Hausherrin.

Meta Antenen tigert im Garten herum: «Ich bin etwas aufgeregt, denn ich brauche stets ein wenig Überwindung, um Interviewanfragen anzunehmen. Aber es passt schon. Ich habe ja Erfahrung damit: ­Immer, wenn ich im Sport vor einem Wettkampf nervös war oder gar Angst hatte, habe ich abgeliefert.»

Weltrekord im Fünfkampf

Am 7. Juli 1969 schreibt Meta Antenen Sportgeschichte. Anlässlich der Schweizer Fünfkampf-Meisterschaften in Liestal BL verbessert sie den Weltrekord von Heide Rosendahl (D) um 23 Punkte. Es ist bis dato der dritte und letzte Schweizer Freiluft-Weltrekord (siehe Kasten). «Es tschuderet mi no hüt», erzählt sie, wenn sie an die zwei denkwürdigen Tage zurück­-denke. «Mein Bruder hörte am ersten Tag im Radio, dass ich auf Weltrekordkurs bin. Tags darauf hat er mit seiner kleinen Tochter im Ziel auf mich gewartet und mich in die Arme ­genommen.» Meta ­Antenen absolviert den Fünfteiler mit folgenden Leistungen: 13,5 Sekunden über 100 m Hürden, 11,28 Meter im Kugelstossen, 1,71 Meter im Hochsprung, 6,49 Meter im Weitsprung und 24,6 Sekunden über 200 Meter.

Eine ganz besondere Medaille

Auch am 14. August 1971 liefert Meta ­Antenen ab. An der Leichtathletik-EM in Helsinki macht sie sich mit einer heute ­undenkbaren Fairness-Geste im Olympiastadion unsterblich. Punkt 18 Uhr taucht ihr Name auf der elektronischen Anzeigetafel auf. Die 22 Jahre alte Ausnahme­athletin des LC Schaffhausen muss die Weitsprung-Konkurrenz eröffnen. «Noch als ich am Start der Anlauf­bahn stand, glaubte ich, Gummiknie zu ­haben», erzählt sie bald 53 Jahre nach dem Wettkampf.