Semino Rossi
«Die Liebe verändert sich mit den Jahren»
Musikalisch ist der gebürtige Argentinier ein Meister der Gefühle. Der erfolgreiche Schlagersänger spricht mit uns auch über sein privates Leben, sein Opa-Glück und seine Träume.
Nicht einmal das Regenwetter im Berner Oberland kann die gute Laune von Semino Rossi (57) trüben. Und als er unsere süsse Überraschung sieht, strahlen seine Augen vor Freude. Wir servieren dem bekennenden Fan von Schweizer Schoggi vor dem Interview im «Spycher» im Kursaal Interlaken ein unwiderstehliches Schokoladen-Fondue.
GlücksPost: Sie sprühen vor Energie und Lebensfreude. Es scheint Ihnen richtig gut zu gehen.
Semino Rossi: Richtig erkannt! Ich bin ein sehr positiver Mensch und erlebe momentan die schönste Zeit meines Lebens. Ich habe alles erreicht, was ich mir je gewünscht habe. Ich bin Sänger und habe eine wunderbare Familie. Es liegt nur an mir, mein Leben zu geniessen. Ich bin glücklich und versuche, keine Kompromisse einzugehen. Es ist mein Leben, und niemand weiss, wie lange es dauert. Zu meinem Lebensgefühl passt auch der Titel meiner neuen CD perfekt: «So ist das Leben»!
Glauben Sie, dass in Ihrem Leben alles vorbestimmt ist?
Nicht alles. Ich habe gewusst, dass ich einmal Sänger werden will. Ich habe meine musikalischen Wurzeln daheim in Argentinien schon als kleiner Bub gespürt. Vielleicht weil ich aus einer Musiker-Familie komme. Ich bin davon überzeugt, dass der liebe Gott mir die Aufgabe gab, mit meiner Musik den Menschen Freude zu schenken und sie in der Seele zu berühren. Ich bin rückblickend sogar dankbar, dass ich einmal arm gewesen bin und mir alles selber erarbeiten musste. Vielleicht bin ich genau deshalb heute so zufrieden.
Haben Sie jemals mit Ihrem Schicksal gehadert?
Ich habe jahrelang in Hotels, Restaurants und auf der Strasse gesungen, auch in der Schweiz. Dabei habe ich mich schon gefragt: «Lieber Gott, wie lange muss ich den Menschen beweisen, dass ich singen kann?» Damals habe ich es nicht verstanden, heute schon. Der liebe Gott hat mich 20 Jahre trainiert, damit ich das, was ich jetzt erreicht habe, auch tragen kann. Ich musste Geduld und Disziplin lernen. Sicher auch dadurch habe ich nun die Basis, um mit dem Erfolg umgehen zu können.
Sie haben sich in den vergangenen Monaten optisch etwas verändert.
Sie schauen auf meinen Bauch? (Lacht.) Meine Mama hat während meiner Ferien in Argentinien so gut gekocht. Ich bin zufrieden, solange ich keine gesundheitlichen Probleme habe. Irgendwann geht der Bauch auch wieder weg. Ich versuche bewusst, mich nach meinen Möglichkeiten vom Stil her zu verändern. Ich möchte mit der Zeit gehen. Meine Haare werde ich sicher nicht färben. Aber ich zeige mich gerne auch mal in einer Lederjacke statt im Sakko, und trage einen Ohrring als Zeichen der Freude über meinen ersten Enkel. Dank jungen Künstlern wie Helene Fischer, Andreas Gabalier, Vincent Gross und Beatrice Egli weht ein frischer Wind in der Schlagerszene.
Sie erwähnten Andreas Gabalier. Sie haben seinen Hit «Amoi seg ma uns wieder» in einer spanischen Version neu aufgenommen. An wen haben Sie dabei gedacht?
Jeder von uns hat schon einen geliebten Menschen verloren. Vor 20 Jahren ist mein Papa gestorben. Er war eine starke Persönlichkeit für mich. Mit 47 Jahren habe ich dann leider auch meinen besten Freund Nika durch Krebs verloren. Ich glaube an Gott und möchte mit dem Glauben leben, dass es irgendwann vielleicht ein Wiedersehen mit den Liebsten gibt. Ich habe Andreas gefragt, ob ich sein Lied singen darf. Er sagte: Ja, selbstverständlich. Ich sei der Lieblingssänger seiner Oma gewesen. Wir haben den Text Wort für Wort ins Spanische übersetzt. Als ich das Lied im Tonstudio gesungen habe, war ich sehr berührt. Der Tod ist immer weit weg, aber manchmal kommt er ganz schnell zu uns. Man weiss nie, wie lange man auf dieser Welt bleiben darf, deshalb sollte man jeden Tag geniessen, als ob es der letzte wäre.
Ein Lied auf der neuen CD heisst «Das verflixte 7. Jahr». Sie sind schon viermal so lang, also 28 Jahre, verheiratet. Wie halten Sie Ihre Beziehung frisch?
Die Liebe verändert sich mit den Jahren. Gabi ist nicht nur meine Frau, sondern auch meine Freundin und Vertraute. Wir sind eigenständige Menschen mit eigenen Bedürfnissen. Gabi liebt das Skifahren, ich kann es nicht. Ich ermuntere sie, alleine oder mit Freunden Ski fahren zu gehen. Sie soll nicht meinetwegen verzichten. Wenn sie zurückkommt, habe ich eine feine Pasta für uns zwei gekocht. Wenn ich Fussball schaue, dann liest sie lieber ein Buch. Wir respektieren uns gegenseitig und geben uns Freiraum für eigene Interessen. Wenn Gabi glücklich ist, dann bin ich es auch.
Das klingt sehr harmonisch. Dennoch gab es vor einigen Monaten Schlagzeilen, dass Sie und Ihre Frau sich getrennt hätten.
Ich weiss, dass ich in der Öffentlichkeit stehe und man sich auch für mein Privatleben interessiert. Gabi und ich haben uns versprochen, immer ehrlich zueinander zu sein. Und es freut mich riesig, dass sie mich im September auf die Mittelmeer-Kreuzfahrt begleitet.
Einem freudigen Ereignis verdanken Sie momentan viele turbulente Momente in Ihrem Leben. Sie sind im April erstmals Opa geworden.
Ich kann mein Glück, einen Enkel zu haben, kaum beschreiben. Er ist unser neuer Sonnenschein. Jetzt bestimmt Leonardo, wann und wo gegessen wird, und wir sind ruhig, wenn er schläft. Der kleine Prinz hat unser Leben ganz schön durcheinandergebracht, natürlich im positiven Sinn. Für meine Frau war es eine sehr emotionale Zeit, als Hebamme und Mama das eigene Kind bei der Geburt des Enkels zu begleiten. Gabi hat 40 Jahre Erfahrung in ihrem Beruf, half über 4500 Kindern auf die Welt. Unsere Tochter Laura hatte es sich gewünscht, dass ihre Mama als Hebamme bei der Geburt dabei ist.
Was bedeutet Ihnen Leonardo?
Er ist der Sohn meiner Tochter, die nächste Generation. Wir danken alle dem lieben Gott, dass Leonardo gesund ist. Der Kleine hat nicht nur mein Leben, sondern das der ganzen Familie verändert. Er kennt schon meine Stimme. Ich habe für ihn das Kinderlied «Manolito» aufgenommen, damit schläft er jeden Abend ein. Ich bin auch der Einzige, der mit ihm Spanisch spricht. Es ist besser, wenn er später meine Muttersprache gut spricht und nicht so ein gebrochenes Deutsch wie ich es tue (lacht herzhaft). Deutsch soll er mit Mami, Papi und Oma lernen. Ich schenke ihm Spanisch, wie ich das schon bei meinen Töchtern gemacht habe.
Sie sind so viel unterwegs, dass Sie Leonardo wohl wenig sehen?
Meine Tochter wohnt mit ihrem Mann zum Glück im selben Ort. Und ich bin sehr froh über die neue Technologie. Sie ermöglicht es mir, dass ich meine Lieben dank WhatsApp sehen und stundenlang mit ihnen telefonieren kann, auch wenn ich unterwegs bin. Ich fühle mich dann nicht so weit weg von meiner Familie. Auch mit meiner Mama in Argentinien halte ich so Kontakt.
Sie haben Ihrer Mutter auf dem neuen Album den Song «Mütter sind die wahren Engel» gewidmet. War dieses Lied ein Herzenswunsch?
Oh ja! Ich habe es zu ihrem 80. Geburtstag geschrieben. Es heisst im Original «Ochentas Primaveras» also «Achtzig Frühlinge». Ich werde es am 14. September anlässlich meiner Mittelmeer-Kreuzfahrt live für sie singen. Es wird sicher ein sehr emotionaler Moment für uns beide. Ich habe Mama mit ihren sechs besten Freundinnen zu dieser Reise eingeladen. Ich weiss nicht, wie lange ich meine Mutter noch habe. Es war mir ein Bedürfnis, ihr auch einmal mit einem Lied Danke zu sagen für all die Liebe, die sie mir geschenkt hat. Diese Liebe ist das wertvollste Erbe, das ich von ihr bekommen habe, und diese Liebe habe ich an meine wundervollen Töchter Laura und Vanessa weitergegeben.
Haben Sie noch Träume?
Irgendwann möchte ich eine kleine Tournee in Lateinamerika machen, egal ob ich dabei vor 100 oder 1000 Leuten auftrete. Ich möchte in meiner Heimat in meiner Muttersprache singen und sprechen. Das ist mein letzter grosser Wunsch als Sänger, eine Herzensangelegenheit.
Warum haben Sie sich kürzlich ein Wohnmobil gekauft?
Für mich bedeutet der Camper ein Stück Lebensqualität und Unabhängigkeit. Und er ist sehr praktisch. Ich brauche meine vielen Sachen nicht mehr hin und her zu tragen. Wartezeit bei Fernsehsendungen und vor Konzerten kann ich nun entspannt in meinem kleinen privaten Reich verbringen. Meistens bin ich mit meinem Freund und Fahrer unterwegs. Es macht mir aber auch Spass, selber am Steuer zu sitzen, am liebsten in kurzen Hosen. An schönen Plätzen mache ich unterwegs gerne eine Pause. Ich setze mich draussen auf eine Decke, trinke Mate-Tee und spiele Gitarre. So bekomme ich die nötige innere Balance. Ich bin ein Genussmensch und habe gelernt, den Augenblick zu geniessen.
Wo würden Sie heute stehen, wenn Sie vor über 30 Jahren nicht nach Europa gekommen wären?
Ich glaube, ich wäre wohl Koch in einem kleinen Restaurant mit fünf, sechs Tischen am Meer und würde nach dem Essen meine Gitarre nehmen und für die Gäste etwas singen. Doch wer weiss, vielleicht könnte das in ferner Zukunft auch in Griechenland, der Türkei oder in Spanien noch wahr werden? Ich koche und singe – und Leonardo hilft seinem Opa.