
Sie verbrachte schon ihre Jugend im Zirkus: Bettina Cavallini.
Bettina Cavallini
«Die Knies sind wie meine Familie»
Der Zirkus ist für die Kassiererin mehr als nur ein Arbeitsplatz. Seit ihrer Kindheit ist sie auf Tournee mit dem Knie und hat dort sogar ihren Ehemann kennengelernt. Auch mit 67 denkt sie noch lange nicht ans Aufhören.
Von Remo Bernet
Kassenmitarbeiterin Bettina Cavallini (67) ist die erste Person, die viele Besucherinnen und Besucher vom Circus Knie sehen. Mit viel Herzblut packt sie seit über 50 Jahren mit an. Im Zirkus landete sie bereits im Alter von 12 Jahren, besuchte dort die Schule. Ihr Mami und ihre ältere Schwester hatten damals ein Engagement. «Meine Mutter hat hier meinen Vater kennengelernt und wir sind geblieben», erzählt Cavallini.
Über die Jahre hinweg wechseln die Rollen von Bettina Cavallini immer wieder. «Als ich 15 war, habe ich mit allem angefangen: Ich habe in der Restauration gearbeitet, Programmhefte verkauft und beim Ponyreiten geholfen.» Ausserdem habe sie in einigen Nummern mitgemacht – mit Elefanten und Pferden. Doch für sie war klar: «Ich wollte nie in die Manege und meine eigene Nummer haben.» Sie habe als Kind miterlebt, wie ihre 18 Jahre ältere Schwester sich schwer verletzte und wollte dieses Risiko nicht eingehen.
Weltstars getroffen
In ihrer Rolle hinter den Zirkuskulissen geht sie mehr auf als in der Manege: Seit Jahren betreut sie Stargäste. Cavallini beginnt aufzuzählen: Opernsänger Plácido Domingo (84), Filmstar Alain Delon (1935–2024), Sängerin Caterina Valente (1931–2024) und der «King of Pop» Michael Jackson (1958–2009) waren während dieser Zeit alle im National-Circus zu Gast. Sie erinnert sich an den Besuch von Letzterem: «Anfangs haben wir es nicht geglaubt, als es hiess, dass Michael Jackson fast drei Reihen reserviert hat, weil er niemanden vorne und niemanden hinter sich haben wollte.» Doch er sei dann wirklich aufgetaucht – und habe sichvon seiner besten Seite gezeigt. «Er kam in den Gästewagen und war sehr sympathisch. Machte sogar Fotos.»
Ausserdem arbeitet Cavallini schon seit mehreren Jahrzehnten an der Zirkus-Kasse. Besucherinnen und Besucher würden sich freuen, Jahr für Jahr ein vertrautes Gesicht zu sehen. «Und ich mag es auch, zwischendurch mal mit ihnen schwatzen zu können.» Denn trotz des Internets würden es viele schätzen, bei ihnen ihre Tickets persönlich kaufen zu können.
Was sich seit ihrem ersten Arbeitstag nicht geändert hat: Cavallinis Begeisterung für den Zirkus. Auch mit 67 Jahren denkt sie nicht an die Rente. «Meine Arbeit ist mein Hobby», sagt sie. Bei Zirkusleuten sei es schwer, einen Strich zu ziehen und aufzuhören. Das beste Beispiel dafür sei ihre Schwester Angelina, die mit 85 Jahren noch immer an ihrer Seite im Kassenwagen sitzt. «Sie war früher als Artistin und später als Ansagerin dabei. Bis heute liebt sie den Zirkus so sehr, dass sie nicht loslassen will.»
Im Zirkus verliebt
Doch nicht nur ihre Schwester ist immer mit Bettina Cavallini unterwegs: Im Schweizer National-Circus hat sie auch ihr Herz verschenkt. Genau wie sie ist ihr Ehemann von Kindheit an mit den Knies unterwegs. «Er arbeitete erst 20 Jahre in der Restauration und dann 30 Jahre als Oberrequisiteur.»
Gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern und Artisten reisen sie von einem der 24 Tourstopps zum nächsten. Und auch wenn sie seit einiger Zeit eine Wohnung in Rapperswil-Jona SG besitzen, fühlen sie sich am wohlsten in ihrem Wohnwagen. Auf die Schattenseiten des Lebens auf Achse angesprochen, bleibt die Zirkusfrau mit japanischen Wurzeln deshalb auch gewohnt positiv. «Wir sind im Wohnwagen aufgewachsen, und wir lieben unseren Wohnwagen. Wir kennen einfach nichts anderes.» Das Zuhause auf Rollen sei ja auch gut ausgerüstet. Früher sei das noch anders gewesen. «Wir fühlen uns sehr wohl – und wenn wir mal länger in der Wohnung sind, vermissen wir den Wohnwagen und den Zirkusalltag», fügt sie an.
Wegbegleiterin der Knies
«Der Circus Knie ist meine Heimat», sagt Bettina Cavallini mit unüberhörbarem Stolz in ihrer Stimme. Sie habe die siebte und achte Generation der Knies aufwachsen und sich entfalten sehen. Wenn sie vom ältesten Spross von Direktorin Géraldine Knie (52) spricht, kommt sie ins Schwärmen. Denn der 23-jährige Ivan begeistert nicht nur mit seinen Pferdedarbietungen, sondern übernimmt hinter den Kulissen immer mehr Verantwortung. «Er hat sich vom kleinen Jungen zu einem super Mann entwickelt.» Das mache sie sehr stolz. «Die Knies sind wie meine eigene Familie. Wir sind schon so lange zusammen unterwegs.»