Blanca Imboden
Die Berge geben ihr Kraft
Mit ihrem aktuellen Roman stürmt sie die Bestsellerliste. Privat aber kämpfte die Autorin mit schweren Verlusten. Trost findet sie in der Natur – und im neuen Job.
Welch atemberaubende Aussicht! Das Wasser des Vierwaldstättersees schimmert tiefblau, in weiter Ferne erstrecken sich schneebedeckte Alpen. Hier, auf dem Urmiberg, einem Ausläufer der Rigi, ist Blanca Imboden (55) gerne und oft. «Der Urmiberg ist mein zweites Zuhause», sagt die Schrifstellerin, die im nicht weit entfernten Ibach SZ lebt. Das Bergrestaurant auf 1135 m ü. M. erreicht sie per Luftseilbahn. Gerade schwebt eine rote Gondel zurück ins Tal. «Hier mache ich mir Notizen für meine Romane. Einer davon, er heisst ‹Gipfeltreffen›, spielt hier oben.»
Die Leidenschaft für das Schreiben entdeckte Blanca Imboden bereits in der Schulzeit. Damals verfasste sie Erzählungen, weil ihrer Familie das Geld für Bücher fehlte. Irgendwann, sagt sie, hat sich das herumgesprochen und ihre Geschichtenhefte wurden auf dem Pausenplatz ausgetauscht. Sie schmunzelt. «Eigentlich hatte ich schon damals meine erste Leserschaft.» Mittlerweile zählt sie zu den erfolgreichsten Buchautoren der Schweiz. Ihre Romane schaffen es regelmässig auf die Bestseller-Liste. So auch ihr neuester: «Arosa – von Bären, Eichhörnchen und Mister 99-Prozent». Darin erzählt sie die Geschichte einer Bestseller-Autorin mit Schreibblockade, die sich in den Bündner Ferienort begibt, um ihr neues Buch zu schreiben.
Inspirationen für ihre Buchideen findet Blanca Imboden im Alltag. So kommt es vor, dass sie sich für die Recherchen selbst an die Orte ihrer Protagonisten begibt. Für ihren neuen Roman verbrachten die ehemalige Sängerin und ihr Ehemann Hans Gotthardt (†70), mit dem sie viele Jahre als Musikerduo unterwegs war, einen Monat in einem Aroser Kurhotel. «Wir hatten eine wunderschöne Zeit», sinniert sie. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der Eichhörnchenweg: «Mein Mann war hin und weg! Er dachte, er sei der Eichhörnchen-Flüsterer, weil die herzigen Tierchen immer zu ihm kamen», erinnert sie sich und lacht.
Über 30 Jahre war das Paar zusammen. Ein Leben ohne Hans – für die Schriftstellerin nicht vorstellbar. Doch Anfang Jahr der Schock: Hans Gotthardt erleidet während einer Wanderung einen Herzinfarkt und stirbt im Spital! Für Blanca Imboden, die sich selbst als Sonntagskind bezeichnet und sich deshalb zum Glücklichsein verpflichtet sieht, ein schwerer Schlag: «Ich hatte noch nie eine Zeit, in der ich monatelang jeden Tag geweint habe», sagt sie leise. Kaum zwei Monate später wird ihr Leben erneut auf die Probe gestellt: Auch ihre Mutter Madeleine (†87), mit der sie ein enges Verhältnis hatte, stirbt nach langer Krankheit.
Bevor die Autorin in ihre aktuelle Blockwohnung zog, lebte sie mit Hans Gotthardt im selben Wohnblock wie ihre Mutter, nur durch ein Stockwerk getrennt. «Jetzt bin ich 55 und lebe zum ersten Mal alleine», sagt Blanca Imboden.
Ob ihr das Schreiben dabei geholfen hat, die schwere Zeit zu überstehen? «Ja. Die Leute sagen oft, meine Bücher geben ihnen positive Gefühle. Bei mir ist es dasselbe mit dem Schreiben – das ist wie eine Parallelwelt, in die ich eintauchen kann.» Neben Freunden und Familie haben auch die Natur und die Berge einen wichtigen Teil zur Trauerbewältigung beigetragen.
«Bei den Bergen denkt man, die sind immer noch da – und das hilft enorm», sagt sie. «Und natürlich auch mein neuer Job!»
Seit rund einem Monat arbeitet Blanca Imboden als Fahrerin bei der Stanserhorn-Bahn, wo sie u. a. eine 125-jährige Standseilbahn steuert. «Am Abend bin ich jeweils ‹nudelfertig›, aber es ist super und genau so, wie ich es mir vorgestellt habe», schwärmt sie. Der Tag beginnt um sieben, aufstehen muss sie schon um fünf Uhr. Zur Arbeit fährt sie deshalb mit dem Auto, richtig wohl ist ihr dabei aber nicht: «Normalerweise benutze ich lieber den ÖV», erklärt sie. Der Job als Bähnlerin ist für die Schwyzerin zwar nicht neu, schon einige Jahre zuvor war sie als Fahrerin der Luftseilbahn im Wintersportgebiet Morschach-Stoos tätig. Dennoch, die Abwechslung zum Schreibpult tut ihr gut: «Ich habe ein tolles Team und bin nie alleine.»
Alleine ist sie auch auf dem Urmiberg nicht, denn hier oben kennt sie Wirte und Gäste. Und diese sind stolz auf die Schwyzer Schriftstellerin: Auf der Terrasse steht ein Korb, gefüllt mit einigen Exemplaren ihres Romans «Gipfeltreffen» – sogar ein Huhn hat man nach ihr benannt! «Es ist inzwischen leider gestorben. Das neue heisst Gertrud», sagt Blanca Imboden und lacht. Wer weiss, vielleicht kommt ihr hier oben ja schon bald die nächste Buchidee.