
Doris Knie zieht im Hintergrund die Fäden des Nationalzirkus.
Doris Knie
«Der Zirkus ist mein Zuhause»
Auftritte in der Manege überlässt sie lieber anderen. Seit rund fünf Jahren führt die Tochter von Franco Knie den Schweizer Nationalzirkus mit viel Herzblut. Sie mag es, im Hintergrund dafür zu sorgen, dass andere brillieren können.
Von Remo Bernet
Die Zirkusfrau hat gerade das Handy am Ohr. «Ich melde mich gleich wieder», sagt Doris Knie (44), als sie den GlücksPost-Reporter sieht, und beendet schnell das Telefongespräch. Wenige Sekunden später erklärt sie: «Das war Géraldine. Die Leute sagen oft, wir bräuchten eigentlich Funkgeräte, weil wir den ganzen Tag miteinander telefonieren, um uns auszutauschen.» Danach beginnt sie laut und ansteckend zu lachen – ihr Markenzeichen. Gemeinsam mit Géraldine Knie (52) und deren Ehemann Maycol Errani (39) führt sie den Nationalzirkus in der bereits siebten Generation.
Doch im Gegensatz zu ihrer Cousine zweiten Grades meidet Doris Knie die grosse Bühne. Als Leiterin der Administration hält sie der Zirkusfamilie den Rücken frei. «Ich wollte nie in der Manege stehen. Ich bin ein totaler Büromensch.» Dort fühle sie sich wohl. Sie habe zwar gerne mit Leuten zu tun, aber sie wolle nicht im Mittelpunkt stehen. «Dafür bin ich nicht gemacht», meint Doris Knie.
Zweifel schnell verschwunden
Aufgewachsen ist sie nicht im Zirkus. Nach der Trennung ihrer Eltern zog sie als Vierjährige zusammen mit ihrem Mami, Doris Agostini (83), weg vom Zirkus. Ihren Vater, Franco Knie sen. (70), besuchte sie aber regelmässig. «Für mich waren es immer die schönsten Ferien, wenn ich in meinem Zirkus sein durfte», erinnert sie sich.
Druck, in den Familienbetrieb einzusteigen, habe es nie gegeben. Trotzdem fing Doris Knie irgendwann in der Personalabteilung an. «Zuerst wusste ich nicht so recht, ob ich das wirklich will, und dann fand ich, warum nicht», erinnert sie sich. Und die Skepsis ist schnell verflogen.
Sie reist seither mit den Artisten mit und übernimmt immer mehr Verantwortung. Schliesslich geben ihr Vater Franco und dessen Cousin Fredy Knie jun. (78) die administrative Leitung ab. «Beide sind noch immer da, wenn wir Fragen haben – aber sie reden uns nicht rein», erklärt sie. «Mein Vater sagt immer, man darf Fehler machen. Aber nur einmal.»
Mit viel Leidenschaft dabei
Seit dem Rückzug ihres Vaters 2020 ist sie die einzige Nachfahrin des einstigen «Elefanten-Zweigs», also dem Teil der Familie, der einst mit den Dickhäutern in der Manege stand. Ihr Bruder Franco Knie jun. (46) hat sich bereits vor fünf Jahren vom Leben auf Achse zurückgezogen. Wann für sie der Moment komme, um sich vom Zirkus zu verabschieden? Doris Knie muss nicht lange überlegen: «Nie.» Es gebe sicher Tage oder Wochen, die anstrengend seien. «Aber der Zirkus ist mein Zuhause. Und vom Zuhause hat man nie genug.»
Und wenn sie dann doch einmal eine Pause braucht, widmet sich die 44-Jährige ihrer grossen Leidenschaft: dem Reisen. «Da kann ich runterfahren», sagt Doris Knie. Der grosse Vorteil ihrer Rolle im Zirkus sei, dass sie nicht immer vor Ort sein müsse. «Heutzutage kann man von überall aus arbeiten.» Einen freien Tag ganz ohne Arbeit vermisse sie nicht. «Ich glaube, ich kann gar nicht mehr ohne.»
Dass sie derart für ihre Arbeit brennt, liege auch an der Harmonie im familiären Führungsteam. «Meinungsverschiedenheiten gibt es bei uns wirklich nur sehr selten», erzählt Doris Knie. Es sei alles sehr harmonisch. «Und das ist jetzt wirklich keine Floskel», fügt sie an und lacht ein weiteres Mal herzlich.
Grosse Veränderungen
Gemeinsam mit Géraldine Knie und Maycol Errani hat sie den Zirkus in den letzten Jahren weiterentwickelt. «Es ist nicht mehr der klassische Zirkus von früher.» Inhaltlich will Doris Knie aber keinen grossen Einfluss auf die Show nehmen – das sei nicht ihre Aufgabe. «Was Géraldine sehr gut kann, ist der Spagat zwischen dem Modernen und dem klassischen Zirkus. Aber in der Zukunft wird nicht so sein, dass wieder viele verschiedene Tiere in die Manege kommen. Das ist der Zeitgeist.» Die Elefanten, die einst mit ihrem Vater in der Manege standen, bleiben also im Kinderzoo daheim. Dafür habe man in den letzten Jahren stark in die Technik investiert, habe unter anderem eine tolle Lichtshow. «So etwas habe ich noch bei keinem anderen Zirkus gesehen.»
Die konstante Weiterentwicklung des Circus Knie bedeutet auch, dass mit Géraldines Kindern, Ivan (23), Chanel (14) und Maycol junior (7), mittlerweile bereits die achte Generation in der Manege steht. «Sie zu sehen, macht mich stolz», erklärt sie. Ihr grosses Ziel: «Wenn ich mit 65 Jahren pensioniert werde, will ich sagen können, wir haben alles so gut gemacht, dass sie einen Zirkus mit Zukunft übernehmen.»