Loïc Meillard
Der Herausforderer
Ein Segen für Swiss-Ski: Der zweitbeste Skirennfahrer der Welt wirft Überflieger Marco Odermatt im bevorstehenden WM-Winter den Fehdehandschuh zu. Dabei soll ihm auch Karate helfen.
Von Thomas Wälti
Loïc Meillard (27) träumt davon, einmal im Leben die Dent Blanche zu besteigen. Die 4357 Meter hohe Pyramide in den Walliser Alpen stellt das Wahrzeichen des Bergdorfs Hérémence VS dar. Dort ist der zweitbeste Skirennfahrer der Welt seit 15 Jahren zu Hause. Am 27. Oktober macht sich der gebürtige Neuenburger allerdings anderswo auf den Weg zu einem sportlichen Gipfelkreuz: Im Riesenslalom beim Ski-Weltcup-Opening am Rettenbach-Gletscher in Sölden (Ö) gehört er zu den absoluten Top-Favoriten.
Ski-Überflieger Marco Odermatt (27) bezeichnet seinen Landsmann heuer als grössten Konkurrenten im Kampf um die grosse Kristallkugel. «Odi» lobt den Gesamt-Weltcup-Zweiten des vergangenen Winters in den höchsten Tönen: «Technisch ist Loïc der wohl beste Skirennfahrer der Gegenwart! Er kann wie ich in drei Disziplinen Rennen gewinnen.» Es komme nun darauf an, wer schneller in den Flow komme, meint der dreifache Gesamtweltcup-Sieger.
Loïc Meillard ist ein aufmerksamer und freundlicher Gesprächspartner. Im Rahmen der Werbewoche von Swiss-Ski in Dübendorf ZH, wo Sponsorendrehs sowie Materialfassung für die bevorstehende Saison auf dem Programm stehen, nimmt er sich Zeit für die GlücksPost. «Der Gesamtweltcup ist für mich ein Traum. Dafür braucht es eine Saison, die perfekt verläuft. Wenn ich jedes Wochenende auf dem Podest stehe, kann dieser Traum in Erfüllung gehen.»
Das sieht auch Urs Lehmann, Co-Präsident von Swiss-Ski, so: «Loïc ist der vielleicht kompletteste Skirennfahrer der Welt und begegnet Marco Odermatt auf Augenhöhe.» Lehmann attestiert «Odi» ein Quäntchen mehr Killerinstinkt im Rennmodus.
Es ist dieser Vergleich mit Tennis-Star Stanislas Wawrinka (39), der oft bemüht wird, um Loïc Meillard einordnen zu können. Auch «Stan the Man» darf auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken, hat es aber nie geschafft, aus dem Schatten von Roger Federer herauszutreten. Auch Meillard musste bisher hinter Odermatt zurückstehen. «Mir gefällt dieser Vergleich. Denn ‹Stan› hat eine sehr schöne Karriere hingelegt. Wenn mir eine ähnlich erfolgreiche Karriere gelingt, bin ich zufrieden.»
Abstecher nach Paris
Nach seinem überzeugenden Schlussbouquet im vergangenen März mit sechs Weltcuprennen und fünf Podestplätzen (2 Siege) tankte Loïc Meillard seine Energiereserven im Kreis seiner Liebsten wieder auf. Der passionierte Naturfotograf, Weinkenner und Sammler alter Uhren fuhr mit Freundin Zoé Chastan (32), der Kommunikationsverantwortlichen Ski Alpin von Swiss-Ski, an die Olympischen Spiele nach Paris. Zu Hause im Unterwallis entspannte er sich bei sportlichen Aktivitäten wie Skitouren, Velofahren, Wandern, Klettern, Wassersport und Golf. «Ich genoss aber auch ein feines Essen und teilte mit Freunden eine gute Flasche Wein», sagt der Bruder von Mélanie Meillard (26), die auch dem Nationalteam angehört.
Die Vorbereitung auf den nahenden Winter verläuft sorgenfrei. «Es gibt kein neues Rezept. Mein Ziel war es, wieder auf das konditionelle Niveau der letzten Saison zu kommen», sagt der Edeltechniker. Allerdings: Der Gewinner von drei WM-Medaillen und vier Weltcuprennen hat im Training einen neuen Reiz gesetzt: Karate-Übungen. «Vielleicht hilft das ja bei schlechten Journalisten-Fragen», spasst er. Mit Hilfe der asiatischen Kampfsportart lernt Meillard seinen Körper besser kennen. Er muss neue Bewegungsmuster trainieren. Ein Skirennfahrer arbeitet zum grossen Teil mit den Beinen, Karatekas hingegen mit dem Oberkörper.
Bleibt die Dent Blanche der private und die grosse Kristallkugel der sportliche Gipfel von Loïc Meillard, hält der Ski-Winter mit der WM in Saalbach (Österreich, 4. bis 16. Februar 2025) als Höhepunkt attraktive Etappenziele bereit: «Ich möchte einmal den Disziplinen-Weltcup im Riesenslalom und Slalom gewinnen und an der WM eine Medaille holen – am liebsten die goldene. Sie fehlt mir noch in meinem Repertoire.» Loïc Meillard sorgt für goldene Aussichten bei Swiss-Ski.