Emil und Niccel Steinberger
Das wunderbare Glück mit der späten Liebe
Mit 86 Jahren stemmt der beste Schweizer Kabarettist aller Zeiten Shows vor ausverkauftem Hause. Sechs Abende pro Woche! Wie er das schafft, hat die GlücksPost vor Ort in Basel erleben dürfen. Und mit ihm auch über seine späte, grosse Liebe gesprochen.
Im neuen Programm «Alles Emil, oder?!» bleibt einem nur das grosse Staunen. War der populäre Kabarettist je besser als heute? Ganz offensichtlich hat Qualität mit dem Alter nichts zu tun.
Wie glücklich das die Menschen im kleinen Basler Fauteuil-Theater macht, ist nach dem grossen Applaus beim Herausgehen an ihren Gesichtern abzulesen. Der drahtige Mann auf der Bühne, 86 Jahre alt, wirkt wie ein Jungbrunnen. Wie schafft er es nur, immer wieder die Lachmuskeln der Zuschauer zu kitzeln und für wohlige Schauer zu sorgen?
Emil bietet das volle Programm. Natürlich die Klassiker seines über 60-jährigen Schaffens, aber auch neue Nummern. Die Leute können gar nicht genug davon bekommen. Dabei geht es mehr um die feinen Zwischentöne als um Klamauk. Emils Sprachwitz, sein Mienenspiel mit den unnachahmlichen Grimassen, all das spiegelt sich in den Reaktionen der Zuschauer: Hier ein Schmunzeln, da ein leises Kichern, mal prustet jemand hemmungslos heraus. Im Herbst geht er damit auf Schweizer Tournee und im Frühjahr 2020 gastiert er im Bernhard-Theater in Zürich. «Ich bin glücklich, dass man in meinen Vorstellungen viel lachen kann», sagt Emil. «Das Lachen tut nicht nur den Leuten gut, sondern auch mir.» Der Kabarettist wird auch auf der Bühne von seiner Frau Niccel (54) begleitet. Wie schon in «Emil – No einisch!» ist sie als Requisiteurin aktiv, schleppt Tische heran, stellt Stühle auf oder hilft Emil hinter dem Vorhang beim blitzschnellen Umziehen.
Niccel organisiert aber auch die Tourneen, gibt Inputs und notiert jeden Abend neue Pointen und Gags, die spontan entstehen. Emil: «Niccel und ich ergänzen uns perfekt, arbeiten Hand in Hand.» Ihre Beziehung sei seit der ersten Minute total harmonisch. Das Klischee, er sei nur wegen seiner jüngeren Frau so jung und aktiv geblieben, findet er absurd.
Hinzu kommt noch, dass viele denken, Niccel habe seiner ersten Ehefrau den Mann ausgespannt. «Aber hallo! Ich war nach der Scheidung sieben Jahre ganz allein in meinem Leben, bevor ich mich in New York in Niccel verliebt habe. Bei mir hat sich niemand in die Ehe eingemischt.»
Emil war damals 63. «Ich habe die neue Beziehung nicht gesucht. Und natürlich fragte ich mich auch, ob ich nach sieben Jahren ‹Einzelhaft› überhaupt noch fähig zu einer neuen Beziehung bin?» Seit sie ein Paar geworden sind, waren sie praktisch keinen Tag voneinander getrennt. Sie wollen nicht mehr ohne den anderen sein. Niccel: «Ich ging nicht wegen dir nach New York, ich ging wegen New York dorthin. Alles andere ist einfach passiert.»
Emil und Niccel Steinberger freuen sich auch, dass immer wieder Kinder in die Vorstellung kommen. «Gestern war ein sechsjähriges Mädchen mit seinen Eltern hier. Die Kleine habe schon mit vier Jahren meine Kinderwagen-Nummer gespielt. Eine andere Sechsjährige hat mir ein Video geschickt, auf dem sie meine Nummer ‹S Chileli vo Wasse› spielt. Köstlich, wie sie das Prinzip der Kehrtunnels erklärt und am Schluss fragt: ‹Wottsch e chli Tee?› Sie träumt davon, eines Tages mit mir auf der Bühne zu spielen. Das sind Momente, die mir sehr zu Herzen gehen.» Man sieht es ihm an, wie stolz ihn das macht.
Emil ist kerngesund und fit. Der Grund: gute Gene, seriös leben, ohne Alkohol und Nikotin. Zudem gehe er mit Niccel einmal pro Woche bei «Gsünder Basel» eine Stunde ins Ganzkörpertraining. «Täglich so etwas ohne Anleitung zu machen, diese Disziplin hätte ich nicht», gesteht er. Es seien ganz einfache Körperübungen, aber mit enormer Wirkung.
«Bei mir ist das zugleich auch ein Gleichgewichtstraining. ‹Ich bin umgheit›, heisst es oft bei älteren Menschen, und oft haben solche Stürze dramatische Folgen. Beim Matterhorn-Sketch steige ich jeden Abend auf einen Stuhl. Zur Sicherheit haben wir als Zwischenstation ein Böckli platziert, das nun die Hörnlihütte symbolisiert.» Sie seien beide keine Sportler, «aber es war trotzdem an der Zeit, etwas zu machen».
Heute sprechen alle von Comedy, die an allen Ecken und Enden boomt. Emil: «Ich bin ein Kabarettist. Mir gefällt das Simple: Mimik, Hut, Brille, Mantel, dazu viele Situationen, in denen sich die Menschen wiedererkennen können.» Spassvogel sei despektierlich, Peach Weber etwa hasse es, wenn man ihn Blödler nennt.
Emil bringt es auf den Punkt: «Ich bin einfach Emil.» Guido Baumann, einst Berufsberater im deutschen Fernsehen (in Robert Lembkes «Was bin ich?»), habe einmal einen schönen Satz zu ihm gesagt: «Für mich bist du kein Kabarettist, sondern ein Menschendarsteller, der auch in bösen Mustern das Menschliche und Liebenswürdige durchscheinen lässt.» Genau, das ist Emil.
Und was noch? Er lese zum Vergnügen ab und zu Horoskope und staune zuweilen über deren Trefferquote. «1960 gab es in Paris die ersten automatischen Horoskop-Computer, in die man seine Daten eintippen konnte. Dort stand, ich solle auf mein Knie aufpassen.» Tatsächlich bekam er in den 90er-Jahren grosse Gelenkprobleme, unheilbar, wie die Ärzte sagten.
«Aber ich habe ausserhalb der Schulmedizin den Weg zurück in die Gesundheit gefunden.» Die Astrologin Madame Teissier habe bei einem Treffen mal unaufgefordert ihr Büchlein aufgeschlagen. «‹Machst du Werbung?›, fragte sie. ‹Nein›, erwiderte ich. Sie hat aber darauf beharrt: ‹Doch, irgendwo machst du das sehr erfolgreich.›» Zwei Monate später habe «Melitta Kaffee» angerufen und gefragt, ob er eine Werbekampagne machen würde. «Ich sagte zu, aber nur als Texter und Regisseur der Werbefilme, ohne meinen Kopf für Werbung herzugeben. Daraus entstanden dann über 100 Spots.»
Die Astrologin Doris Dombrowski habe mal ein Horoskop für sein Geburtsdatum (6.1.1933, 23 Uhr) erstellt. Und fand, auf einen Menschen mit so viel Glück müsse man fast neidisch sein. Emil: «Vielleicht ist es auch eine Mischung aus ständigem hartem Arbeiten und dem nötigen Quäntchen Glück im richtigen Moment?»
Manchmal bekommt er schon fast ein schlechtes Gewissen, dass es so gut läuft. Als Glücksmoment bezeichnet Emil auch die Begegnung mit Niccel. «Sonst wäre ich vielleicht heute noch in New York. Nur dank ihr war ich fähig, das Buch ‹Wahre Lügengeschichten› zu schreiben, ich hatte meine Lektorin im Hause.» Darauf folgten 900 Auftritte mit «Drei Engel!», natürlich organisiert «von meiner lieben Niccel».
Am 28. Mai feierten Emil und Niccel ihren 20. Hochzeitstag. Seit 23 Jahren leben sie zusammen. Emil: «Wir gönnten uns ein köstliches Frühstück am Rhein und fuhren nachher aufs Land zu einer originellen Tier-Mensch-Begegnung.» Und am Abend stand er schon wieder auf der Bühne. «Dass wir seit so vielen Jahren so eng und glücklich miteinander leben, hat sicher viel mit gegenseitiger Toleranz zu tun. Aber eben auch damit, dass wir trotz Altersunterschied und obwohl wir aus anderen Ländern stammen, so viele gemeinsame Empfindungen haben, so viele Vorlieben und Interessen teilen.»
Auch über Niccels Zukunft denken die beiden gelegentlich mal nach. Emil: «Schon aus Dankbarkeit ihr gegenüber möchte ich etwas organisieren für die Zeit, wenn ich vielleicht mal nicht mehr da bin.»
Die ersten Überlegungen haben schon begonnen: «Ich wünsche mir, dass bei Niccel die weitere Berufslaufbahn über ihre Kunst läuft. Sie hat ihren ganzen Fokus in den letzten 23 Jahren immer nur auf Emil gelegt, hat auf Ferien und so vieles verzichtet.» Jetzt sei es an der Zeit, dass auch sie ihre Begabungen ausleben kann.
Niccel: «Das Kulturgut Emil zu pflegen, wird mir aber immer am Herzen liegen.» Dann sagt sie fast etwas trotzig. «Es kann ja auch sein, dass ich vor dir gehen muss.»
Da lacht Emil laut heraus. Und blickt seine Herzdame mit einem schelmischen Lächeln an.