Das Schwingen ist bei ihr Familiensache

Die Luzernerin wurde vor ein paar Wochen zur Schwingerkönigin gekürt und tritt damit in die Fussstapfen ihrer Tante. Warum sie mit Männern trainiert und was sie abseits des Sägemehlrings macht, erzählt die 27-Jährige im Gespräch. 

Von Irene Lustenberger

Nur knapp 600 Einwohnerinnen und Einwohner zählt das Dorf Menzberg, das auf rund 1000 m ü. M. liegt und zur Gemeinde Menznau LU gehört. Und doch ist es ein ­Königreich, wie die Ortstafel unmissverständlich festhält. Im Dorfkern machen Plakate klar, wer hier wohnt: Schwingerkönigin Isabel Egli. 

Betritt man ihr Wohnzimmer, fallen einem zuerst die zahlreichen Kränze ins Auge, die fein säuberlich an der Wand hängen. Auch ein paar Möbelstücke weisen darauf hin, dass Isabel Egli in ihrer Karriere bereits einige Erfolge feiern durfte: 24 Kränze und sieben Kranzfestsiege. Den glorreichsten Sieg schaffte die 27-Jährige Ende August im Walliser Hauptort Sion, als sie sich den Goldenen Kranz aufsetzen lassen durfte. Auch Wochen danach kann sie es manchmal noch nicht glauben, dass sie ihr grosses Ziel erreicht hat. «Wenn ich dann aber eine Zusammenfassung oder einen Zeitungsbericht anschaue, ist der Sieg wieder präsent», sagt sie. Die Pflegefachfrau steht normalerweise nicht gerne im Mittelpunkt. «Daran musste ich mich zuerst gewöhnen. Vor allem auch, weil die Gemeinde einen Empfang für mich organisiert hatte.»

Auch ihre Tante war Königin

Mit ihrem Triumph setzt Isabel Egli eine Familientradition fort. Denn ihre Tante ist keine Geringere als die fünffache Schwingerkönigin Brigitte Burri-Kunz (40). Auch Vater Ueli und Mutter Barbara schwangen. Es erstaunt deshalb wenig, dass nicht nur Isabel, sondern auch ihre Schwester ­Manuela Dreyer-Egli (30) und ihre Brüder Damian (29), Samuel (25), Adrian (22) und Severin (20) in die Zwilch­hosen steigen. «Ich hätte schon einen anderen Sport wählen können, aber da es bei uns alle in der Familie machen, fand ich Schwingen am coolsten.» Auch ihr Partner Adrian Schmutz (31) ist Kranzschwinger. Mit dem Schreiner aus dem Baselbiet ist Egli seit vier Jahren zusammen. «Ich wollte eigentlich keinen Schwinger als Freund», erzählt sie lachend. «Aber wir gehen am selben Ort ins Krafttraining und haben uns so kennen­gelernt.» Sport ist dem Paar auch in der Freizeit wichtig. «Wir sind gerne draussen in der Natur, gehen wandern, Tennis spielen oder Ski fahren.» Auch sind die beiden sehr tierlieb: Während er sich um die elf Kaninchen kümmert, hilft sie auf dem Bauernhof ihrer Eltern.

Sie trainiert auch mit Männern

Ein konkretes Vorbild hat die Schwingerkönigin nicht: «Ich nehme von verschiedenen Leuten etwas mit. Bei Roger Federer zum Beispiel habe ich bewundert, dass er das gemacht hat, was für ihn gestimmt hat. Bei den Schwingern gefällt mir die Entschlossenheit von Samuel Giger, Fa­bian Staudenmann und Joel Wicki. Die gehen in den Ring und sind fokussiert. Und bei ihnen kann ich mir die Technik abschauen.»

Ein Jahr lang wird die Schwingszene nun von zwei Luzernern «regiert», denn auch der aktuelle König Joel Wicki (27) kommt aus dem Innerschweizer Kanton. Bislang hatten die beiden zwar noch nicht gross miteinander zu tun. «Joel weiss aber schon, wer ich bin, vor allem wegen meinen Brüdern. Er kam auch an meinen Empfang, und dort konnte ich mit ihm sprechen. Aber es wäre schon schön, wenn wir mal etwas zusammen machen könnten», so Egli. Meist trainiert sie mit ihren Kolleginnen vom Frauenschwingclub Steinhuserberg, wo sie technische Leiterin ist, steigt aber auch einmal pro Woche mit den Männern des Schwingclubs Wolhusen in den Sägemehlring. «Ich höre oft, dass ich ja dann gar keine Chance hätte. Aber weil ich an den Wettkämpfen manchmal gegen schwerere Gegnerinnen antreten muss, übe ich das Greifen und die Technik gerne mit Männern. Dabei geht es mir nicht ums Gewinnen, sondern um die konditionelle Kraft, die man im Krafttraining nicht lernen kann.» Ein «Ruech» oder Mannsweib müsse man als Schwingerin aber nicht sein. «Es gibt auch zierliche, ruhige Schwingerinnen, die erfolgreich sind. Aber zu lieb darf man schon nicht sein», sagt sie augenzwinkernd.

Nun ist sie die Gejagte

Isabel Egli arbeitet als Teamleiterin der somatischen Pflege bei der Spitex. «Da ich eher ruhig und gelassen bin, können sich viele gar nicht vorstellen, dass ich schwinge. Manche haben sogar Angst, dass ich mich verletze, wenn ich gegen schwere Gegnerinnen antreten muss», verrät sie. Parallelen zwischen dem Schwingen und ihrer Arbeit sieht sie einige: «Bei beiden ist Ausdauer entscheidend, und ohne positives Denken geht es nicht.» Ob es nun eine Niederlage im Wettkampf sei oder ob man einer Klientin, einem Klienten dabei helfe, den Lebensmut nicht zu verlieren – wichtig sei es, die Dinge zu schätzen, die man habe. Zudem seien Disziplin und das zielgerichtete Denken sowohl bei ihrem Beruf wie auch bei ihrem Hobby wichtig. 

Apropos Ziele: Was wünscht sich Isabel Egli für den Frauenschwingsport? «Dass er professioneller wird und mehr Anerkennung erhält.» Man sei auf einem guten Weg, es brauche aber noch einiges. Als Schwingerkönigin möchte sie eine gute Botschafterin für den Sport sein – und im kommenden Jahr wieder voll angreifen. Dann wird sie von der Jägerin zur Gejagten. «Natürlich will jede gegen die Schwingerkönigin gewinnen», bilanziert sie. «Aber ich werde weiter angreifen. Ich habe zwar mein grosses Ziel erreicht, aber es sagt ja niemand, dass das nicht ein zweites Mal passieren kann.»