Urs Gredig
«Bis zu einer gewissen Grenze»
Grund zum Feiern für den «10 vor 10»-Moderator: Es steht die 100. Ausgabe seiner Talkshow «Gredig direkt» an. Was ist ihm in den Gesprächen wichtig? Und wann kann es heikel werden?
Im April vor drei Jahren begrüsste Urs Gredig (52) seinen ersten Gast, Andreas Meyer, Ex-CEO der SBB. Drei Wochen nachdem der Bundesrat den Notstand ausgerufen hatte und alles auf Abstand ging. Keine guten Voraussetzungen für einen, der an seine Gäste herankommen, Nähe schaffen will. Doch «Gredig direkt» hat die Kurve gekriegt: Es steht die 100. Ausgabe des gepflegten, unterhaltsamen Talks mit Newsinhalt und Tiefe an, wie der Namensgeber selbst sagt. Erfreulich ist auch die Quote: Das Format hat 2022 sogar etwas zugelegt.
GlücksPost: Sind Sie besser geworden, oder wie erklären Sie sich das?
Urs Gredig (lacht): Das hängt sicher mit den Gästen zusammen. Wenn wir gute Namen und spannende Geschichten dahinter haben, zeigt sich das auch im Publikumsinteresse. Und ist ein Beweis dafür, dass wir unser Publikum gefunden haben.
Haben Sie die Gästeliste aufgepeppt, also prominenter besetzt?
Nein, die Latte war von Anfang an relativ hoch: Wir wollen bekannte Menschen bei uns. Allerdings wurde die Liste internationaler, da wir nach Covid auch mal ins Ausland gehen oder umgekehrt eine Helene Fischer einladen können, wenn sie hier ein Konzert gibt. Gerade in Deutschland sind wir mittlerweile etabliert, Fischers Team etwa sagte, sie kenne die Sendung. Und ein prominenter Gast zieht andere nach, darum erhalten wir kaum Absagen.
Und da Sie kein Pitbull sind, wie Sie mal sagten, gibt’s sogar Primeurs. So bestätigte Starkoch Daniel Humm, dass er mit Filmstar Demi Moore liiert ist.
War, damals. Aber der Moment dafür muss stimmen. Unser Anspruch ist ja, auch das Unbekannte rauszuholen. Wie bei Michelle Hunziker, als sie bei mir über ihre frühere Arbeit für misshandelte Frauen sprach.
Aber auch bei Hunziker interessiert es, ob sie eine neue Beziehung hat. Ist es Ihnen unangenehm, solch privaten Fragen zu stellen?
Nein, ich nehme es spielerisch. Ich gehe bis zu einer gewissen Grenze, bin neugierig, aber nicht gierig. Bei ihr wusste ich, wenn es passt, bringe ich die Frage, dies gern auch humorvoll. Bei Daniel Humm ebenso.
Ihre Methode ist, Vertrauen zu schaffen – dann ans Eingemachte.
Ja, die Leute fühlen sich wohl, das hören wir oft, man habe fast mehr gesagt als geplant, da man auf Augenhöhe gewesen sei. Eine Gesprächskultur, wie man sie in Deutschland auch kennt, etwa bei Markus Lanz oder Anne Will. Das gepflegte, vertrauliche, schön aufbereitete Gespräch – etwas, das hier ein wenig vergessen ging.
Lanz und auch Will wird vorgeworfen, sie würden sich anbiedern.
Ich glaube, meine Gäste merken, dass ich das nicht mache. Vielmehr versuche ich, nicht der ewig lächelnde und nickende Journalist zu sein, sondern begegne allen gleich. Ich bin gänzlich wert- und vorurteilsfrei, wie ein weisses Blatt Papier, und bei allen gleich motiviert, etwas Neues zu erfahren. Das gilt auch für einen Robbie Williams oder Roger Federer, obwohl ich sie von früheren Begegnungen kenne.
Vorgespräche ja oder nein?
Punktuell bei Gästen, von denen die Redaktion sagt, sie seien sehr unsicher oder erzählten sehr Persönliches wie Sarah Briguet ihre Missbrauchsgeschichte. Das sind schwierige Talks für beide, da braucht es den Kontakt, bevor man ins Gespräch geht. Im Normalfall trifft man sich erst vor dem Interview, meine Gäste wissen aber, was im weitesten Sinn die Themen sind.
Und nach dem TV-Talk unterhält man sich ja oft noch weiter, oder?
Wahnsinnig viel sogar. In sicher 80 Prozent der Fälle sind wir noch mehr als eine halbe Stunde am Schwatzen. Irgendwann müssen wir dann aber raus aus dem Studio und gehen halt in die Garderobe.
Was sind schwierige Gäste?
Allzu vorsichtige. Was natürlich primär in der Politik und der Wirtschaft der Fall ist, wo man sich unter keinen Umständen eine Blösse geben oder zu viel von sich preisgeben will. Kaum läuft die Kamera, geht da manchmal ein -Sicherheitsfilter drüber.
Ideale Gäste sind folglich solche …
… die bereit sind, sich und ihre Arbeit zu reflektieren und aus dem Vollen schöpfen können, wie eine Federica de Cesco. Menschen also, die viel zu erzählen haben und bereit sind, sich auf mich einzulassen.
Ist ein Talk auch schon gekippt?
Nein. Aber ich merke manchmal an der Reaktion, dass es in einen Bereich geht, über den die Person nicht so gern redet. Und wenn jemand eine Frage zweimal umschifft, weiss ich, dass ich nichts mehr rauskriege und sich beim -erneuten Nachhaken das Klima wandelt. Ein Gespräch mit Michael Pence, Donald Trumps damaligem Stellvertreter, fand ich genau deswegen so gut, weil es auf der Kippe war – ungemütlich für ihn und für mich.
Wie harmoniebedürftig sind Sie auf einer Skala von 1 bis 10?
Bei 5. Ich habe es gern gut im Gespräch, kann den Schalter aber auch umlegen bei einem Alain Berset oder einem Christoph Blocher, obwohl ich weiss, die werden mich nicht lieben für die nächste Frage.
Dafür lieben Ihre Kinder den Papa, wenn er mit Popstar Robbie Williams redet.
Der ist zu alt, als dass sie ihn cool fänden. Aber mein Sohn ist ein grosser Fussballfan, und als Yann Sommer bei mir war, schaute er den Talk. Das machen beide, wenn der Gast sie interessiert, sie sagen aber auch fadegrad, wenn das nicht der Fall ist (lacht). Etwa in der Musik: Meine Tochter ist 15 und bewegt sich in anderen Welten als mein Zielpublikum. Ich bin kein TikTok-Interviewer und fänd’s auch etwas peinlich, wenn ich auf Jung machen würde.