Christian Stucki
Arbeit und Haushalt teilen – warum nicht?
Weil er als Schwinger nicht richtig trainieren darf, bleibt ihm viel Zeit für die Familie. Ein Vorgeschmack auf ein Leben nach seinem Rücktritt. Doch daran denkt der König von 2019 noch nicht.
Als die GlücksPost Christian Stucki (36) und seine Familie ein paar Wochen nach seinem grossen Triumph am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2019 besuchte, beklagten sich seine beiden Buben Xavier (7) und Elia (5) darüber, dass ihr Vater sie nicht mehr ins Bett bringen würde. Die Agenda des neuen Schwingerkönigs war überladen mit Terminen. Ständig war er abends und am Wochenende unterwegs.
Das hat sich geändert. Nachdem die Schwinger letztes Jahr noch zusammen trainieren durften, ist ihnen das seit November ganz untersagt. Sie dürfen keinen Körperkontakt haben, weil sie nicht als Profisportler gelten. «Es gibt ganz viele Leute und Kollegen, die ich vorher zwei- bis dreimal pro Woche gesehen habe. Und nun seit bald einem Jahr gar nicht mehr, das ist schade», sagt Christian.
Sie hätten nun bei sich im Keller einen Fitnessraum eingerichtet, ergänzt seine Ehefrau Cécile (40). Sein Trainer mache zweimal pro Woche via Videokonferenz einen «Digital-Burn-Express», wie sich das Kraft-Ausdauer-Training nennt. Cécile leistet ihrem Mann Gesellschaft und schwitzt mit. Das zusätzliche Krafttraining macht Chrigu für sich selbst.
«Wenigstens haben wir nun endlich wieder ein Ziel, auf das wir hinarbeiten können», fährt er fort. Für dieses Jahr seien wieder Schwingfeste geplant – wann und wo ist allerdings noch nicht klar. Letztes Jahr sei es schlimm gewesen, nicht nur körperlich in Form zu bleiben, sondern vor allem mental: «Wir Schwinger haben uns den ganzen Winter vorbereitet, und dann hiess es plötzlich: Alles ist gestrichen. Da war meine Motivation schon mehrfach am Boden. Man fragt sich: Wofür soll ich mich abschuften?»
Das Ganze hat aber auch seine guten Seiten: «Es ist ungewohnt, aber schön, dass Chrigu so oft zu Hause ist», sagt Cécile. «Eine solche Zeit haben wir noch nie erlebt zusammen. Seit ich ihn kenne, ist er ständig unterwegs.» Da sie beide für ihre Arbeit – er als Chauffeur, sie als Notariatsangestellte – ausser Haus müssen, fällt ihnen die Decke nicht auf den Kopf. «Da gibt es Paare, die haben viel mehr Mühe, weil sie zusammen Home-office machen müssen.» Doch so langsam, findet sie, wäre es schon an der Zeit, dass ihr Mann wieder vermehrt auf die Piste ginge.
Apropos Piste: Stuckis sind alle begeisterte Schneesportler. «Mit den Kindern kann man zurzeit ja sonst nicht viel unternehmen. Der Schnee ist deshalb ein Segen», schwärmt Cécile. Die Buben seien praktisch ständig draussen: «Sie haben so viele Ideen, wie sie sich vertun können. Mit den letzten Schneeresten bauten sie noch eine Bobbahn vor dem Haus.» Am Wochenende stehen Stuckis nun öfter auf den Ski oder gehen «Böbeln» im Jura.
Während die quirligen Buben am Morgen in der Skischule sind, gönnen sich Cécile und Chrigu gemütliche Abfahrten. «Ich bin vorsichtig, meinen ‹Scheichen› zuliebe. Beim Skifahren ist so schnell was passiert», meint der Schwingerkönig, der nach wie vor an das nächste Eidgenössische 2022 in Pratteln denkt, an dem er seinen Titel verteidigen will. Kürzlich hat er sich auf der Engstligenalp bei Adelboden im Langlaufen versucht, da er gerne neue Sachen ausprobiere. Es war dann aber nicht sein Ding: zu anstrengend. Und für den Berg von einem Mann schwierig, das Gleichgewicht auf den «dünnen Latten» zu halten.
Neu entdeckt hat die Familie das gemeinsame Gärtnern. «Wir haben uns letzten Sommer zwei Hochbeete zugetan», erzählt Chrigu. «Wir wollen den Kids zeigen, dass nicht alles einfach aus dem Laden kommt.» Die Buben finden die Sachen aus dem eigenen Garten das Beste auf dem Teller. Auch für Chrigu ist es «eine schöne Befriedigung, wenn du weisst, dass das Salätli von dir kommt».
Das aktuelle Leben ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Zeit nach Chrigus Rücktritt von den Aktiv-Schwingern. Da er nach wie vor 60 Prozent arbeitet, ist er momentan auch mehr Hausmann als gewohnt. «Ich versuche zu helfen, wo ich kann, mache mal eine Wäsche. Aber Cécile übernimmt da natürlich ‹gäng› schon den grossen Teil.» Dafür stehe er gerne in der Küche und bereite etwas Feines für seine Familie zu. Er kann sich gut vorstellen, dass er und Cécile sich dereinst Arbeit und Haushalt teilen werden.
«Wir geniessen die gemeinsamen Abende und dass ich nicht jeden Sonntag um fünf Uhr früh aufstehen muss für die Schwingfeste», sagt Chrigu. Es sei schon schön, stattdessen einfach mal in der Badi zu liegen. «Im Kopf sind wir aber noch nicht bei der Pensionierung», betont Cécile. Sie sehnt sich genauso wie ihr Partner nach den Schwingfesten. «Die Freundschaften, der Geruch von Sägemehl, die Emotionen an den Anlässen. Das alles fehlt schon», bestätigt Chrigu. «Solange ich fit bin und Spass daran habe, ist ein Rücktritt kein Thema.» Auch seine Eltern, die sonst kein Schwingfest auslassen, vermissen es sehr. Chrigu erzählt grinsend: «Mein Vater feiert zurzeit online alte Schwingfeste nach.»