Daniel Bill
Hier ist das Pferd der Flüsterer
Mit dem pferdeunterstützten Coaching hat der Schauspieler eine Berufung gefunden, die ihn und seine Kundschaft erfüllt. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht – und teilen die Begeisterung.
Wir sitzen bei frühsommerlichem Wetter im Garten von Daniel Bill in der Nähe von Wohlen AG. Das weitläufige Grundstück am Dorfrand ist idyllisch, hier ist es ruhig, angenehm, entspannend. Gleich nebenan liegt der Stall und der Auslauf für die Handvoll Pferde und Ponys. Man hört sie schnauben und wiehern. Eben hat der 58-Jährige seine Ausbildung zum pferdeunterstützten Coach abgeschlossen. «Während der Coronazeit war ich in einem Loch. Ich wusste nicht, wie es weitergeht, ob ich je wieder auf der Bühne stehen kann», erzählt der Schauspieler. In dieser Zeit habe er oft im Stall gearbeitet und dabei beobachtet, wie seine Frau Marlène (38) Kinder für heilpädagogisches Reiten empfing. «Im Gespräch mit ihr reifte etwas. Ich traute mir zu, selbst in diese Richtung zu gehen.»
Während der Ausbildung musste er sich selbst analysieren: «Das hat mich zum Teil schon sehr zum Nachdenken gebracht.» Er erzählt eine Schlüsselepisode: «Wir hatten den Auftrag, einen Parcours mit einem Pony zu absolvieren. Es lief wunderbar, da dachte ich mir, ich mach’s gleich ein weiteres Mal und noch besser.» Doch das Pony streikte und machte keinen Schritt mehr. «Ich konnte nicht verstehen, wieso.» Die Lehrerin habe dann zu ihm gesagt: «Du willst immer mehr, bist nie mit dir zufrieden und kannst den Moment nicht geniessen.» Da sei er ins Grübeln gekommen und musste erkennen: Es stimmt. «Ich will immer mehr und überschreite dabei oft meine eigenen Grenzen.» Seit dieser Erkenntnis habe sich viel geändert bei ihm. «Das Pony merkte: Da kommt einer mit zu viel Ehrgeiz – ich war nicht bei mir und das Tier spiegelte dies. Das war mir eine wichtige Lek-tion. Seither achte ich mehr auf meine Gesundheit und gehe weniger unnötige Risiken ein.» Bei Karls Kühne Gassenschau (siehe Box) mache er heute nicht mehr jeden Stunt ohne genaue Abklärung und Vorsicht.
Im pferdeunterstützten Coaching ist die 16 Jahre alte Stute Contessa sein Co-Coach. Zu ihr hat Bill ein enges Verhältnis. Als er sich nach einem Sturz nicht mehr in den Sattel getraute, war sie es, die ihm den verlorenen Mut zurückgab. «Wenn ich mit Kundinnen und Kunden arbeite, zeigt mir Contessas Reaktion, was im Unterbewusstsein der Person abläuft.» Es käme immer wieder vor, dass jemand mit einem bestimmten Anliegen zu ihm komme, ihm anhand der Reaktionen des Pferdes aber klar werde, dass das Problem an einem ganz anderen Ort zu suchen sei (Infos: www.danielbill-coaching.ch).
Jetzt möchte ich als GlücksPost-Journalistin wissen, wie das in der Praxis funktioniert und stelle mich der Herausforderung: An einem Tisch unter den Bäumen besprechen wir, was mich zurzeit bedrückt. Bill macht sich Notizen und betont: «Das hier hat viel mit Vertrauen zu tun. Ich garantiere dir, dass das alles unter den Apfelbäumen bleibt.» Dann holt er -Contessa, und wir gehen auf die Koppel. Er fordert mich auf, mich auf einen gewissen Aspekt meines Problems zu konzentrieren, Contessa am Halfter zu nehmen und mit ihr eine Runde zu gehen. Das geht beim ersten Mal gut, Contessa läuft schön mit. Die Fragen, mit denen ich auf die Runde gehen soll, werden immer tiefer, intimer. Habe ich selbst noch keine Antwort oder bin ich mir unsicher, bleibt Contessa einfach stehen – sie scheint zu spüren, dass meine Gedanken in eine falsche Richtung gehen oder nicht konsistent sind. So zeigt sie mir und Coach Bill, an welchen Punkten es harzt. Ich bin überwältigt, nicht nur von Contessas, sondern auch von Daniels Einfühlungsvermögen.
Beim abschliessenden Gespräch erklärt er, dass das pferdeunterstützte Coaching keine fertigen Lösungen parathält. «Es soll einen in seinen eigenen Instinkten unterstützen und bestätigen, dass man auf sein Bauchgefühl hören soll.» Man solle nichts erzwingen oder übers Knie brechen. «Wenn man die Zeit arbeiten lässt, wird es sich lösen. Aber Herz und Seele müssen einen begleiten, man darf sich nicht aus der Bahn werfen lassen.» Am Ende gibt er der Kundschaft eine Falkenfeder und lässt sie aus einem Stapel Karten mit Aussagen eine aussuchen, die zur Situation passt. Das soll immer wieder an das erinnern, was unter den Bäumen passiert ist.
«Es gibt viele, die das für einen Humbug halten», erläutert Daniel Bill. «Auch ich habe meinen Rucksack mit Zweifeln und Abstürzen, war schon in Gesprächstherapie, aber das war nicht wirklich hilfreich. Ich habe gemerkt, dass ich damit nicht weiterkomme.» Stattdessen lässt er sich nun von Contessa leiten, die ihm zeigt, was nicht ganz im Lot ist bei ihm.
Und ich gehe mit einem unbeschreiblich beschwingten Gefühl nach Hause. Das Treffen ist in-zwischen eine Weile her. Doch die Gewissheit hält an, dass alles so kommt, wie es soll und ich es mir wünsche. Das hat mir Contessa deutlich zu spüren gegeben.