Adrian Stern
«Ich wurde stärker und kreativer»
Ein inspirierender Wald und eine stimulierende Reise stehen am Anfang des neuen Albums des Aargauer Musikers. Ein im Alleingang verwirklichtes Werk, das ihn verändert hat.
Er hat Wanderschuhe angezogen. Für seinen Arbeitsweg, der ihn von seinem Daheim in Baden AG durch einen Wald zu seinem Elternhaus führt. Dort hat Adrian Stern sein Aufnahmestudio. Auf seinem Gang durch die Bäume sind dem Musiker schon viele Ideen gekommen. «Oft bin ich nach einem Tag im Studio mit einem neuen Song etwas ratlos. Wenn ich dann aber hier hindurch nach Hause gehe, habe ich ganz neue Einfälle. Der Wald inspiriert und macht auch glücklich.» Er setzt sich auf einen umgeknickten Baumstamm. «Hier geht meine Tochter oft mit ihrer Chindsgi-Klasse hin», erzählt der 45-Jährige weiter und scheint am Gedanken Gefallen zu finden, dass sein Kind ebenso Freude in der Natur findet wie er.
Eben sind Adrian Stern und seine Frau Mylen (37) mit den Töchtern Mina (8) und Juno (6) in den Sportferien gewesen. «In St. Peter, einem ganz kleinen Skigebiet zwischen Chur und Arosa, wo mein Onkel ein Ferienhaus besitzt. Es hat nur zwei Skilifte und wenig Leute. Da hat man so den Frieden. Die Kids lieben es!» Genauso wie der Aargauer die Natur liebt, die Berge, die Schweiz. «Aber etwas fehlt: Stell dir vor, die Schweiz läge am Meer, dann wäre es hier perfekt!» «Meer» heisst denn auch seine neue CD. In seinem Dialekt hat das Wort noch eine Bedeutung: «mer» – «wir», im Titelsong aufgenommen mit der Zeile «Meer, mer schaffed das.»
Adrians Leidenschaft für das endlose Blau stammt aus seiner Kindheit. Er erinnert sich an einen Tag, als er mit seinem Vater und seiner Schwester in Portugal am westlichsten Punkt Europas über den Ozean schaute und dachte: «Wenn man da jetzt einfach weitergeht, kommt irgendwann mein Traumland Amerika.» Die USA hatten auf ihn als vierjährigen Bub grossen Eindruck gemacht bei einem längeren Aufenthalt der Familie in Oakland, Kalifornien. Sein grösster Hit trägt denn auch den Titel «Amerika». Vor zwei Jahren erfüllte er sich einen Lebenstraum, fuhr mit der «Queen Mary II» von New York nach London. Ganz allein, acht Tage nur Meer «und feines Essen». «Es war eine tolle, in sich gekehrte Reise. Da entstanden auch die ersten Songs für das neue Album.»
Zurück in die Gegenwart: Für Adrian Stern hat sich beruflich einiges geändert. Er hat sich von seiner Plattenfirma getrennt. «Ich spürte ein gewisses Desinteresse von ihrer Seite und dachte, es ist besser, wenn ich gehe.» Nach dem Schritt habe er realisiert, dass er ja eigentlich alles hat, was es für die Produktion eines Albums braucht. «Eine Plattenfirma, die das finanziert, ist gar nicht nötig.»
Der Multiinstrumentalist kann alle Instrumente selbst spielen, neu auch Schlagzeug. Während des Lockdowns hat er sich hinter die Drums gesetzt, jetzt nimmt er auch Unterricht. «Je mehr ich selbst erledige, desto mehr traue ich mir zu», hat er gemerkt. Er dreht nun auch seine eigenen Musikvideos, ohne Angst, dass es heisst, sie wirken unprofessionell. «Ich kann jetzt genau das machen, was ich will. Dadurch wurde ich stärker und kreativer.»
Nach dem Spaziergang durch den Wald zeigt uns Stern sein Studio. Es ist eingerichtet im geräumigen Dachgeschoss seines Elternhauses. «Das war früher mein Kinderzimmer. Da hingen Poster von Santana oder den Red Hot Chili Peppers und standen meine Skateboards.» Den Raum nutzt er zum Arbeiten, seit er auf die Jazzschule gegangen ist und angefangen hat, eigene Mundartsongs zu schreiben. «Ich wohnte damals in Zürich, an der stark befahrenen Weststrasse. Wenn ich kreativ sein wollte, musste ich da raus und kam hierhin. So hat sich das langsam zu einem Studio entwickelt.»
Auch seine Töchter sind gerne in dem mit Musikinstrumenten gut bestückten Dachstudio: «Mina lernt schon sehr gut Klavier, hat mit dem Cajón, einer Kistentrommel, angefangen. Juno interessiert sich fürs Schlagzeug.» Es sei aber alles nicht forciert. «Ich bin einfach da, wenn sie Musik machen wollen.» Die Musik ist bei Sterns «Family-Business»: Mylen lernte Adrian im Jahr 2000 an einem Michael-von-der-Heide-Konzert kennen, bei dem er Gitarre spielte. Sie macht heute das Tourmanagement für ihren Mann, ist an den meisten seiner Gigs dabei.