Winterfit dank Grosis Suppe

Mehr als bloss ein Gericht für kalte Tage: Schon unsere Grossmütter wussten, dass Hühnersuppe bei grippalen Infekten hilft. Die entzündungshemmende Wirkung ist wissenschaftlich erwiesen.

Von Serge Hediger

Man schrieb das Jahr 1388, als österreichische Soldaten versuchten, Schloss und Stadt Burgdorf BE zu erobern. Der Angriff scheiterte, weil mutige Burgdorferinnen ihren Männern mit Sensen und Heugabeln zu Hilfe eilten. Zum Dank für ihre Tapferkeit stifteten die Berner Schult­heissen den Frauen die später so benannte Burgdorfer Hühner­suppe – eine kräftigende Brühe aus 60 Hühnern. Heute noch wird sie jedes Jahr Anfang Februar mit Brot an die einheimische Bevölkerung ausgegeben.

Hühnersuppe ist weit mehr als nur ein Nahrungsmittel. Seit jeher dient sie als stärkendes Heilmittel – Hebammen und Ärzte empfehlen sie Wöchnerinnen, Rekonvaleszenten, und auch unser Grosi wusste, dass es gegen grippale Infekte kaum Besseres gibt. Inzwischen ist das wissenschaftlich belegt!

Auf der Suche nach dem Geheimnis der «Chicken Soup» seiner Frau nämlich fand Dr. Stephen Rennard, Lungenspezialist an der Universität in Nebraska (USA), durch Laborversuche heraus: Der in der Hühnerbrühe enthaltene Eiweissstoff Cystein bremst jene weissen Blutkörperchen, die mitverantwortlich sind für die Entzündungsreaktionen und -prozesse bei Erkältungen. Normalerweise sind diese körpereigenen Helfer wichtig für die Abwehr von Viren. Sind die weissen Blutkörperchen aber im Übermass vorhanden, verursachen sie Entzündungsreaktionen und ein Anschwellen der Schleimhäute.

Genau hier setzt die Hühnersuppe an: «Wir konnten zeigen, dass Grossmutters Hühnersuppe eine leichte, aber deutlich mess­bare Fähigkeit hat, den Transport dieser Zellen zu reduzieren», stellte Rennard fest. Cystein hat noch weitere, positive Eigenschaften: Auf die Bronchien wirkt es abschwellend, befeuchtend und erleichtert den Abtransport des zähen Schleims. Und noch mehr Gutes steckt in der Hühnersuppe: Zink, gebunden an den Eiweissbaustein Histidin, hilft den Schleimhäuten, sich zu erholen. Hühnersuppe ist reich an den Vitaminen A und E und wird auf der ganzen Welt geschätzt. Pho Ga wird sie beispielsweise in Vietnam genannt, Aguadito nennt man sie in Peru, und Zosui heisst sie in Japan, wo sie Patienten traditionellerweise bei Kreislaufproblemen und nach Schlaganfällen verabreicht wird. Hier hat ein Forscherteam der Universität Hiroshima um die Wissenschaftlerin Ai Saiga-Egusa herausgefunden, dass Hühnersuppe auch eine blutdrucksenkende Wirkung hat. Verantwortlich dafür ist ein sogenanntes Kollagen-Hydrolysat, das in den Hühnerkeulen und -füssen vorkommt. Vergleichbar mit einem ACE-Hemmer, dem gängigen schulmedizinischen Arzneistoff gegen Hypertonie, verhindert es die Verengung von Blutgefässen und den Anstieg des Blutdrucks. Ganz natürlich!

Bei aller Wissenschaftlichkeit: Nach wie vor ungeklärt ist, warum Hühnersuppe mit Gemüse zubereitet werden soll und offenbar ohne Lauch, Pastinaken und Zwiebeln auch nur schlecht wirkt.