Wie stirbt man glücklich?
Irgendwann ist das Lebensende nahe. Manche Menschen sehen darin eine Erlösung, für andere dagegen ist es ein schwerer Abschied von den Liebsten. Wie geht man mit dem Unvermeidlichen um?
Wir sprechen viel über den Tod und das Sterben, aber mit unserer Sterblichkeit beschäftigen wir uns nicht», sagt Dr. Jennie Dear, die ihre brustkrebskranke Mutter bis zu deren Tod begleitet hat. «Wir leben im Glauben, alles könne geheilt werden», so die ehemalige Uni-Dozentin und Buchautorin.Tatsache ist: Die wenigsten Menschen sterben plötzlich und unerwartet. Bei rund 90 Prozent erfolgt die Diagnose des nahenden Todes Wochen, Monate oder gar Jahre zuvor. Wie aber geht man mit der Nachricht um, bald sterben zu müssen und nicht zu wissen, wie viel Lebenszeit noch übrigbleibt? Soll man alle möglichen medizinischen Behandlungen über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, doch noch geheilt zu werden? Oder lieber alles loslassen und endlich mal an den einen Ort hinreisen, der schon immer gelockt hat?
Unerfüllte Wünsche erkennen
An der Schwelle zum Tod zu stehen, verändert vieles. Eine besondere Herausforderung ist das Gefühl von Kontrollverlust: Nicht zu wissen, wie lange man noch leben wird, kann sich wie eine tickende Zeitbombe anfühlen. «Für manche Menschen ist die Information, dass sie sterben werden, ein wahrer Schock», sagt die Münchner Palliativmedizinerin Claudia Bausewein. «Der Umgang mit der schlechten Nachricht und das Erkennen, was sie bedeutet, ist ein kontinuierlicher Prozess, während dem sich Gefühle und Gedanken immer wieder ändern.»
Zu wissen, dass es bald zu Ende sein könnte, schärft den Blick für das Wesentliche. Typische Fragen sind: «Was muss noch erledigt werden? Welche Wünsche sind unerfüllt? Mit welchen Menschen möchte ich Frieden schliessen? Wie möchte ich sterben?»
Dies klar zu formulieren – und wo immer möglich nachzuholen – hilft der Seele, Frieden zu finden. Und sich glücklicher vom Leben und den Liebsten zu verabschieden. «Wir raten Patientinnen und Patienten, sich in ihren Wünschen nicht zu rasch einzuschränken und diese auf jeden Fall zu äussern. Nur wenn Sie Ihre Wünsche kundtun, erhalten Sie Hilfe», so die Palliativmedizinerin.
Tut sterben weh?
Was passiert dann in den letzten Tagen? Bausewein: «Sie werden einen sterbenden Menschen als sehr müde, schläfrig und zunehmend teilnahmslos erleben. Die Schlafphasen werden immer länger, weil die Organe in dieser Phase kontinuierlich weniger arbeiten.» Sind Schmerzen zu befürchten? «Soweit es sich beurteilen lässt, ist Sterben kein schmerzhafter Prozess. Es gibt Hinweise, dass in der Sterbephase körpereigene schmerzstillende Botenstoffe im Gehirn freigesetzt werden», so die Professorin. Für Menschen, die einen Sterbenden begleiten, ist gut zu wissen: Von allen Sinnen funktioniert der Hörsinn am längsten. «Die vertraute Stimme von Angehörigen zu hören, kann Sterbende entspannen. Reden Sie also mit der Person – auch wenn sie kaum noch zu reagieren scheint.» Aus Erfahrung weiss sie: «Viele Sterbende möchten in der letzten Phase des Lebens nicht allein sein.»
Schweizer Wunschambulanz
Die Vereinigung «wunschambulanz.ch» SAW erfüllt kostenlos und ehrenamtlich Wünsche von Menschen jeden Alters, die an einer unheilbaren Krankheit leiden und nicht mehr lange zu leben haben. Weitere Infos: www.wunschambulanz.ch