Was uns die Zunge sagt

Nein, die Zunge streckt man niemandem raus. Das lernen wir schon 
als kleine Kinder. Aber sie der richtigen Person zu zeigen oder selber genau anzuschauen, kann so einiges über die Gesundheit verraten.

Vor allem in asiatischen 
Ländern hat die Zungen­diagnostik eine grosse Bedeutung. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) 
gehört sie neben dem Pulsschlag zu einem der wichtigsten Bausteine in der Diagnosestellung. Angeblich gibt es für die Anwendung der Zungendiagnostik Spuren, die bis ins 16. Jahrhundert vor Christus zurückführen. Die chinesische Medizin geht davon aus, dass die Zunge mit den inneren Organen, Blut, Körperflüssigkeiten, Meri­dianen und dem sogenannten Qi, der Lebensenergie, verbunden ist. Ebenso nutzten die alten arabischen und griechischen Ärzte die Auffälligkeiten auf der Zungen­oberfläche für ihre Diagnosen.

Auch die Schulmedizin weiss um die Aussagekraft von Zungenbelag. Ist die Zunge rein, ist es 
ein Zeichen eines gesunden Verdauungstrakts. Mundgeruch oder Belag hingegen sind Hinweise 
darauf, dass man etwas verändern sollte. Es können Erkrankungen verantwortlich sein – manchmal ist der Zustand der Zunge aber auch ganz einfach auf eine schlechte Mundhygiene zurückzuführen.

Schaufenster der Verdauung

Vor allem über die Gesundheit 
des Verdauungstraktes gibt die Zunge Auskunft. Doch auch die Zustände des Blutes, der Nerven und der Kraft lassen sich ablesen. Allerdings sollte man vor einer Zungendiagnostik nicht rauchen und keinen Tee trinken. Auch anhand einer von Beeren verfärbten oder mit einem Schaber frisch 
gereinigten Zunge lässt sich eine Diagnose kaum stellen. Ideal ist also der Zeitpunkt kurz nach dem Aufstehen, Tageslicht ist dabei besser als künstliches Licht.

Doch wie sieht eine gesunde Zunge denn aus? Leicht rosa, mit wenig Feuchtigkeit und einem klaren oder leicht weisslichen 
Belag. Dieser besteht aus alten Zellen und Keimen (Nahrungs­resten). Ist die Farbe deutlich verändert, die Zunge rau und pelzig, handelt es sich dabei um ab­gelagerte Ausscheidungen des Körpers – ein möglicher Hinweis, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Sind Risse oder Verfärbungen erkennbar, werden diese je nach Lage auf der Zunge gedeutet. Eine Diagnose zu stellen, ist jedoch ziemlich komplex und sollte einem Fachmann oder einer Fachfrau überlassen werden. «Um eine Zungendiagnose zu stellen, muss auf die Form und den Belag genau geachtet werden», erklärt Dr. Yang Shuguang vom ChinaMed Zentrum in Chur. «Dies ergibt, abge­glichen mit den Veränderungen nach den Regeln des Yin und Yang sowie der fünf Elemente 
und der Krankheit des Patienten, die genaue Zungendiagnose. Dabei ist nicht das Ziel, der Krankheit den Namen zu geben, sondern die Ursache für die Krankheit herauszufinden und diese dann zu beheben.»

Selbstdiagnose

Es ist aber durchaus möglich, gewisse Veränderungen mit der Zeit selber zu beobachten. Dies setzt jedoch voraus, dass Sie Ihre Zunge regelmässig kontrollieren. Nur so lassen sich Veränderungen erkennen, die möglicherweise einen ersten Hinweis auf eine Erkrankung geben und eine frühzeitige Behandlung möglich machen.

Zahnabdrücke am Zungenrand und damit oftmals eine geschwollene Zunge deuten auf eine mögliche Schilddrüsen-Unterfunk­tion oder auf vegetative Ver­spannungen hin. Auch die Farbe des Belages lässt Schlüsse auf die Gesundheit zu. Eine sogenannte Landkartenzunge beispielsweise, die einen ungleichmässigen Belag und Abdrücke aufweist, kann 
gestörte hormonelle Abläufe oder eine Störung des Verdauungs­apparates anzeigen.

Das sagt die Farbe des Belages

Weisslich: Er kann auf eine Erkältung hindeuten, auf eine gestörte Entgiftungsfunktion von Darm und Nieren oder auf eine nicht 
optimale Verdauung. Viel Wasser trinken, gesunde und leichte 
Ernährung, keine Zwischen­mahlzeiten und mehr Bewegung 
helfen.

Gelblich: Dieser Belag kann ganz einfach durch Kaffee oder 
Zigaretten verursacht werden oder auf mangelnde Hygiene 
hinweisen. Möglicherweise ist es aber ein Zeichen für eine Pilz­infektion, eine Störung der Galle, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse. Auch eine Gastritis, eine Magenentzündung, oder ein 
Reizdarm ist denkbar.

Rötlich: Infektionskrankheiten oder Entzündungen des Magen-Darm-Traktes, Leber- oder Herzerkrankungen. Vitamin-B12-Mangel könnte ebenso die Ursache sein.

Bräunlich: Neben Kaffee, Tabak oder Schwarztee könnte sowohl eine Nierenschwäche oder eine Störung im Darm vorliegen.

Gräulich: Möglicherweise liegt eine Blutarmut oder Eisenmangel vor.

Dunkel: Eine ernsthafte Schwächung des Immunsystems kann die Ursache sein. Doch auch wer Antibiotika, Säureblocker, Kor­tison oder andere Medikamente einnimmt, kann einen schwarzen Zungenbelag aufweisen.

Zungenreinigung

Auch wenn die Zungenreinigung vor einer Diagnostik nicht sinnvoll ist – danach ist sie es auf 
jeden Fall. Doch Vorsicht! Wird die Zungenoberfläche zu intensiv bearbeitet, können die kleinen 
Papillen verletzt werden, was 
im schlimmsten Fall zu einer 
Entzündung führen kann. Mit speziellen Zungenreinigern oder Aufsätzen für elektrische Zahnbürsten sollte es kein Problem sein, die Zunge schonend zu reinigen und damit die Mund­hygiene optimal zu ergänzen.