Wärmende Beziehung

Von Serge Hediger

Wir schreiben das Jahr 1922. Die deutsche Firma Continental, die später so bekannt für ihre Autoreifen werden sollte, bringt im 51. Jahr ihres Bestehens ein aussergewöhnliches Produkt auf den Markt. Es ist aus Gummi, es ist rot, es ist in seiner Form so perfekt, dass alle Konkurrenten es später kopieren. Es ist die Wärmflasche!

Kaum auf dem Markt, setzt sie sich bei den Konsumentinnen durch: Allein in den ersten Jahren sind 40 Mitarbeiter damit beschäftigt, 500 000 Gummiflaschen pro Jahr zu produzieren, heisst es in der Firmenchronik. Die Werbung animiert reimend zum Kauf: «Greif in die Tasche und kauf dir eine Wärmeflasche – dir, deiner Frau wie den Kindern wird sie so manche Schmerzen lindern».

1997 war Schluss, die Produktion der ikonischen, roten Wärmeflaschen mit Waffelmuster in der standardisierten Grösse von 20,5 × 32 cm wurde eingestellt. Längst ist sie ein Kultobjekt – bei einschlägigen Online-Auktionshäusern in Deutschland muss man heute für ein solches rotes Stück wärmender Nostalgie schon mal 40 Euro ausgeben.

Tatsächlich trafen die Reklame-Texter von einst mit ihrem Reim ins Schwarze. Eine Wärmflasche hat mancherlei gesundheitsfördernde Eigenschaften. Heiss geliebt wärmt sie im Winter nicht nur das Bett vor, sondern löst auch Kopf-, Muskel-, Gelenk- oder Bauchschmerzen. Wobei   «heiss geliebt» nur symbolisch gemeint ist: Bettflaschen sollten mit 47 bis maximal 60 Grad heissem Wasser gefüllt werden.

Bei Muskelkater eine Wärm­flasche im Sitzen oder Liegen für 30 bis 40 Minuten unter die Oberschenkel legen. Die Wärme führt zu einer verbesserten Durchblutung der schmerzenden Stelle. Das zusätzliche Blut im Muskelgewebe beschleunigt die Selbstheilung.

Bei Kopfschmerzen wie dem Spannungskopfweh als Folge von Bewegungsmangel, dauerhaftem Sitzen, der falschen Matratze oder Stress werden durch den verkrampften Rücken-Nacken-Bereich oft Nerven eingeklemmt, die im Kopfbereich enden. In diesem Fall kann Wärme wohltuend wirken. Betroffene sollten eine Wärmflasche etwa 30 Minuten auf den Nacken legen.

Bei Bauchschmerzen, Menstruationsbeschwerden oder bei Blähungen entkrampft eine Wärm­flasche die Muskulatur und hilft dem Bauch, sich zu beruhigen. Sich dazu auf den Rücken legen, Wärmflasche für 15 Minuten auflegen, mit fünfminütiger Bauchmassage abschliessen.

Bei Erkältungen mit hartnäckigem Husten leistet eine Wärm­flasche gute Dienste. Die Wärme fördert die Durchblutung, verflüssigt festsitzenden Schleim, ermöglicht ein befreiendes Abhusten und lindert den Hustenreiz.

Bei Gelenkbeschwerden, gerade im Winter, wenn der Körper den Stoffwechsel durch die Kälte heruntergefahren hat, ist es wichtig, die Gelenke schön warm zu halten. Eine Wärmflasche steigert in diesem Fall die Durchblutung, das Gewebe wird besser mit Sauerstoff versorgt und schmerzauslösende Stoffwechselabbauprodukte werden schneller abtransportiert.

Bei Blasenentzündung lindert eine Wärmflasche im unteren Rückenbereich, am Bauch oder als Sitzunterlage meist die Symptome einer Blasenentzündung. 

Bei Einschlafschwierigkeiten, wenn nachts zu viele Gedanken im Kopf kreisen, kann eine Wärmflasche die Füsse wärmen, das wirkt beruhigend.

Und wo liegen die Grenzen der Wärmflasche? Wenn Sie bemerken, dass ein Leiden sich nicht verbessert oder regelmässig wiederkehrt oder Sie von vornherein sehr starke Schmerzen haben, sollten Sie den Arzt aufsuchen. Die Wärmflasche ist nur eine Begleittherapie und kann lediglich Symptome vermindern, das heisst keine Krankheiten heilen. Für die Anwendung einer Wärmflasche gibt es kaum Einschränkungen. Wenn Ihnen selbst bekannt ist, dass Sie unter Durchblutungsstörungen leiden oder die Wärme- oder Kälteempfindung Ihrer Haut vermindert ist, sollten Sie vorher den Rat Ihres Arztes einholen. Die Wärmflasche sollte nicht mit entzündeter Haut oder Gelenkstellen in Kontakt kommen, da die Wärme hier zur Verschlechterung beitragen kann.